Analyse
06:43 Uhr, 14.11.2014

RWE: Wie schlimm sind die Zahlen wirklich?

RWE schafft im dritten Quartal etwas, was wenigen Versorgern gelungen ist: sie enttäuschten mit den Zahlen, obwohl die Erwartungen schon sehr niedrig waren. Das wurde auch gleich mit einem deutlichen Minus quittiert.

Erwähnte Instrumente

  • RWE AG - WKN: 703712 - ISIN: DE0007037129 - Kurs: 26,88 € (XETRA)

Rein technisch gesehen kann die Aktie jetzt problemlos unter 25 EUR fallen und später evtl. noch weiter bis 21 EUR nachgeben. Technik ist das eine, die fundamentalen Zahlen das andere. Die beiden gehen nicht immer Hand in Hand. Im Fall von RWE ist das aber der Fall. Auf einen Turnaround muss man da wahrscheinlich doch noch etwas länger warten als gedacht. Es tun sich nämlich immer wieder neue Problemfelder auf, die das Ergebnis auch in den kommenden Quartalen belasten werden.

RWE AG
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Die Zahlen zum dritten Quartal waren nicht unverschämt schlecht. Das muss man RWE auch zugestehen. Dennoch enttäuschten gleich mehrere Dinge. Der Reingewinn sinkt nach wie vor kräftig. Wenn das so weitergeht, dann dreht RWE bald wieder ins Minus. Das ist zwar unwahrscheinlich, so wie sich die Horrormeldungen aber Quartal um Quartal stapeln kann man das auch nicht ausschließen. Ernüchternder als diese vage Befürchtung ist der Umsatz. Dieser sinkt im Vergleich zum Vorjahr gleich um 3,2 Mrd. für die ersten neun Monate des Jahres. Für das Gesamtjahr geht RWE nun von einem Umsatz von ca. 50 Mrd. aus. Das sind ca. 5% weniger als 2013.

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Der Gewinn für 2014 soll nach wie vor zwischen 1,2 und 1,4 Mrd. Euro liegen. Ob diese Prognose zu halten ist, darf man ruhig anzweifeln. Ein Argument für das unter den Erwartungen liegende Ergebnis im dritten Quartal war der Rückgang der Strompreise. Dieser wird sich im vierten Quartal nicht in Luft auflösen. Persönlich erschließt sich mir nicht, wieso im vierten Quartal die Marge bei gleichen Vorraussetzungen wie im dritten Quartal auf einmal steigen soll.

RWE bleibt auf unabsehbare Zeit auf Schrumpfkurs. Das ist selten die Story aus der Kursgewinne entstehen. Die Vermögenswerte sind seit Jahren rückläufig. Das liegt vor allem daran, dass RWE Unternehmensteile verkauft, um den Schuldenberg abzubauen. Mit sinkenden Schulden sinken auch die Vermögenswerte. Unterm Strich wird so weder Wert geschaffen noch vernichtet. Der Rückgang der Schulden und der Vermögenswerte läuft fast 1 zu 1 gleich.

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Langfristig erspart sich RWE durch geringere Schulden hohe Zinsaufwendungen. Trotz Niedrigzinsumfeld liegt der Zinsaufwand noch bei über 2 Mrd. EUR pro Jahr. Ob der Schuldenabbau wirklich mehr Rendite bringt als die verkauften Vermögenswerte, bleibt abzuwarten. Klar ist auf jeden Fall, dass RWE mit dem Verkauf von Geschäftsteilen auch zukünftigen Umsatz verliert.

Bis RWE wieder zum Wachstumsunternehmen wird vergehen wahrscheinlich noch viele Jahre. Man kann allein an der sinkenden Mitarbeiterzahl sehen wie der Konzern zu schrumpfen versucht. Seit 2002 hat sich die Mitarbeiteranzahl nahezu halbiert. Ob der Kahlschlag bereits vorbei ist kann man infrage stellen. Der Schrumpfkurs scheint noch lange nicht am Ende zu sein.

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Was RWE momentan belastet, das sind vor allem zwei Faktoren: Abschreibungen und Rückstellungen. Das Finanzergebnis ist ebenfalls nicht schön (besonders durch die hohen Zinszahlungen sehr negativ), wird sich mit der Zeit durch den Schuldenabbau verbessern. Das ist absehbar und auch gut kalkulierbar. Was nicht kalkulierbar ist, das sind die Rückstellungen und Abschreibungen. Die Rückstellungen (zweite Grafik) liegen bei ca. 33 Mrd. Euro. Das sind vor allem Gelder, die für den Atomausstieg gebraucht werden. Die Schließung, der Rückbau und die Atommüllproblematik verschlingen enorme Summen. Die Kosten könnten dafür noch deutlich steigen und die Notwendigkeit entstehen die Rückstellungen um Milliarden aufstocken zu müssen.

Der zweite Belastungsfaktor sind die Abschreibungen. Hier geht es um zahlreiche Kraftwerke, deren Wert mit der Energiewende stärker sinkt als erwartet. Es müssen Kraftwerke teils geschlossen werden, obwohl sie eigentlich noch ziemlich neu sind. Eine Hoffnung nach dem Atomausstieg waren die Kohle- und Gaskraftwerke. Mit denen sollte die Grundlast garantiert werden. Das hätte zumindest konstante Umsätze und Marge gebracht. Wie es aussieht geht dieser Plan nicht auf. Es drohen in den kommenden Jahren weitere, hohe außerplanmäßige Abschreibungen, wenn sich hier das Blatt nicht wendet.

Der Trend ansteigender Rückstellungen und Abschreibungen bereitet Sorge und zeigt, dass der Turnaround einfach noch nicht geschafft ist. Das kann sich auch noch Jahre in die Länge ziehen. Als Anleger hofft man das natürlich nicht. Es sieht aber so aus als würde in der Bilanz noch das eine oder andere Risiko schlummern. Diese Risiken machen es schwer bei der Aktie beherzt zuzugreifen. RWE handelt an der Börse derzeit zum Nettovermögenswert. Das ist eigentlich ein Kaufargument. Das nützt aber nicht viel, wenn in den kommenden Jahren Umsatz, Gewinn und Vermögenswerte immer weiter schrumpfen. Erst wenn die ganzen Korrekturen bei Vermögenswerten (z.B. Abschreibungen auf Kohlekraftwerke) durch sind, kann es auch wieder bergauf gehen. Wie lange das noch dauert ist vor allem von der Energiewende abhängig.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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