Kommentar
07:35 Uhr, 10.12.2015

Rohstoffe: Zwischen Hoffnung und Kapitulation

Wenn die Börse mit einer Sache nicht umgehen kann, dann ist es zu viel Realismus und Information. Zu viel Information, vor allem widersprüchliche Information, kann nur äußerst schwer verarbeitet werden. Das führt zu erhöhter Volatilität. Genau das erleben wir gerade.

Die Informationslage ist alles andere als eindeutig. Damit sind Anleger vor allem auf dem Rohstoffmarkt konfrontiert. Die Lage ist so unübersichtlich wie lange nicht. Anleger wissen damit wenig anzufangen. An einem Tag sind die Signale positiv und Rohstoffpreise springen in die Höhe. Am nächsten Tag sind die Signale negativ und die Kurse setzen ihre Talfahrt fort.

Hohe Volatilität ist ein Ausdruck dafür, dass sich Anleger einfach nicht einig darüber sind, wohin die Reise geht. Sie sind hin- und hergerissen. Wenn Anleger stark zwischen bullischem und bärischem Sentiment wechseln, dann ist oft ein Boden nicht mehr weit. Bei Rohstoffen muss das nicht gültig sein. Eine eindeutigere Informationslage ist nicht in Sicht.

Vergangene Woche konnten viele Rohstoffe zunächst zulegen. Grund war die Meldung, dass China seine strategischen Rohstoffreserven (unter anderem Kupfer) erhöhen will. Das bedeutet mehr Nachfrage. Mehr Nachfrage ist gut für den Preis. Die Hoffnungsrally war dann allerdings schnell wieder vorbei, denn Konjunkturdaten aus China deuteten eher auf eine nachlassende Dynamik und Nachfrage hin.

Meldungen aus China sind besonders wichtig für den Rohstoffmarkt. Grafik 1 zeigt wieso. Chinas Anteil am weltweiten Rohstoffverbrauch ist enorm. China hat einen Anteil am weltweiten Verbrauch von fast 50% bei Kohle, Eisenerz, Aluminium, Blei, Nickel und Zink. Geht die Nachfrage in China zurück, dann ist das auf dem Weltmarkt sofort zu bemerken.

Wer wissen will, ob das weltweite Überangebot abgeschöpft werden kann, der muss wissen, ob Chinas Nachfrage wieder steigen wird. Genau das können Anleger aber überhaupt nicht nachvollziehen, da die Datenlage so unübersichtlich ist und China nicht gerade durch überbordende Transparenz glänzt. Keiner weiß, wie es der Wirtschaft wirklich geht.

Ein Hoffnungsschimmer ist Indien. Indien liegt auf Platz 2 der bevölkerungsreichsten Länder. Es ist die neuntgrößte Wirtschaft der Welt. Indien zeigte zuletzt ein stärkeres Wirtschaftswachstum als China. Hoffnungen, dass Indien China als großer Rohstoffnachfrager ersetzen könnte, sind berechtigt. Die Sache hat nur einen Haken: Indien ist dort, wo China noch hin will.

Chinas Rohstoffhunger ist unter anderem wegen der Industrieproduktion so groß. Der Anteil der Industrie macht die Hälfte der Wirtschaftsleistung aus. In Indien ist der Anteil sehr viel kleiner (25%). Indien ist bereits eine Dienstleistungsgesellschaft. Genau dorthin will sich auch China bewegen. Es ist unwahrscheinlich, dass Indien Chinas Nachfrage ersetzen wird.

Zweifellos hat Indien Nachholbedarf. Allein der Aufbau von Infrastruktur bedarf großer Mengen an Rohstoffen. Derzeit ist der Anteil an der weltweiten Nachfrage noch klein. Selbst wenn Indiens Rohstoffkonsum um 20% im kommenden Jahr steigt, kann das eine sinkende Nachfrage aus China nicht wettmachen.

Die Nachfrageseite ist die eine Seite der Gleichung, das Angebot die andere. Große Produzenten wie BHP Billiton und Rio Tinto halten derzeit an ihren Fördermengen fest. Glencore und Freeport McMoRan kürzen ihren Output. Die Minen werden während der Stilllegung modernisiert. In spätestens zwei Jahren sollen diese Minen wieder produzieren und zwar mehr als zuvor.

Für 2016 wird bei Kupfer eine Reduktion des Angebots erwartet (Grafik 2). Angebot und Nachfrage würden im kommenden Jahr zusammenfinden. Es könnte sogar zu einem leichten Nachfrageüberhang kommen. Den Preis muss das nicht gleich nach oben bewegen, denn die Lager sind weltweit gut gefüllt und die Neuproduktion dürfte nur knapp unter der Nachfrage liegen.

Auch auf dem Ölmarkt wird eine Reduktion des Outputs erwartet (Grafik 3). Angebot und Nachfrage sollten 2016 ins Gleichgewicht zurückfinden. Die Prognosen ändern sich jedoch fast wöchentlich. Sowohl die Fördermengen als auch das Nachfragewachstum sind äußerst unsicher.

Der Ölmarkt ist noch am ehesten prognostizierbar. Insbesondere die Nachfrage nach Öl ist weniger volatil als die nach anderen Rohstoffen. Nur, weil die Wirtschaft stagniert, fährt man nicht unbedingt weniger mit dem Auto. Der Ölverbrauch ist etwas weniger sensitiv als die Nachfrage nach anderen Rohstoffen, wie z.B. Industriemetallen.
Während die Nachfrageseite bei Öl einigermaßen zuverlässig prognostiziert werden kann ist die Angebotsseite die „Wild Card.“ Hier kommt es weniger auf die US Schiefölförderer an als auf geopolitische Entwicklungen. Die Lage im Nahen Osten ist sehr angespannt. Durch ungünstige Entwicklungen können relativ schnell Fördermengen von mehreren Millionen Barrel pro Tag ausfallen.

Betrachtet man Öl und Kupfer isoliert, dann gewinnt man den Eindruck, dass das Überangebot abgebaut wird. Das ist gut für Rohstoffpreise. Es gibt nun aber auch andere Rohstoffe, bei denen die Sache anders aussieht. Eisenerz ist so ein Beispiel. Die Produktion wird gesteigert als gäbe es kein Morgen mehr. Die Überproduktion wird sich 2016 noch verschärfen und vermutlich erst 2018 ihren Höhepunkt erreichen.

Die sich ausweitende Überproduktion im Eisenerzmarkt hat zwar wenig mit der Kupferproduktion zu tun, doch Rohstoffpreise sind stark korreliert. Es ist unwahrscheinlich, dass Kupferpreise nachhaltig steigen während Eisenerzpreise weiter fallen.

Die Nachfrageentwicklung im kommenden Jahr ist vollkommen ungewiss. Derzeit gehen viele Analysten von einem leichten Anstieg der Nachfrage aus. Es kann aber auch ganz anders kommen. Kühlt sich Chinas Wirtschaft stärker ab als erwartet, dann kann die weltweite Nachfrage schnell um 5% sinken. Das Gleichgewicht auf dem Markt, welches für Öl und Kupfer erwartet wird, würde zumindest für Kupfer dann nicht mehr gelten.

Die Informationslage bleibt schwierig. Fast täglich lassen sich neue Informationen finden, die hoffen oder kapitulieren lassen. Widersprüchliche Signale werden Anleger so schnell nicht los. Eine Richtungsentscheidung im Sinne einer Trendumkehr ist unter diesen Umständen sehr unwahrscheinlich.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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