Kommentar
10:21 Uhr, 23.06.2017

Risiken aus einer Position der Stärke eingehen

Ich glaube daran, dass wir die wirklich guten Deals in unserem Leben immer nur aus einer Position der Stärke heraus machen können. Denn das Gefühl der Stärke hat einen wesentlichen Vorteil.

Wenn wir uns nämlich nicht in einer Position gefühlter oder bestehender „Überlegenheit“ befinden, dann erzeugt das Stress, Ängste und führt wiederum zu emotionalen Handlungen, die der Weitsicht und Überlegtheit des rationalen Traders oder Investors entgegenläuft.

Beim Trading erleben wir jede Menge Stress, egal wie lange wir schon dabei sind. Ich habe während meiner Laufbahn viele „alte Hasen“ Papierkörbe, Stifte und Telefonhörer durch's Büro werfen sehen.

Ich habe irgendwann für mich die einfache Regel erkannt, dass ein Verlust immer nur dann weh tut, wenn er Schmerzen erzeugt.

Ich glaube, es gibt drei unterschiedliche Gründe, warum wir leiden, wenn sich ein Trade oder ein Investment nicht so entwickelt, wie wir uns das vorgestellt haben.

1) Der finanzielle Verlust war nicht vorgesehen, durfte nicht passieren oder ist höher als erwartet ausgefallen.

Oftmals ist die einfachste Erklärung ja die richtige.

Wenn wir mit zu hohen Einsätzen an der Börse spekulieren, vielleicht sogar mit Beträgen, die wir im Notfall für andere Dinge vorgesehen hatten, dann ist Stress unvermeidbar. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass alle Geschäfte an den Märkten so aufgehen, wie wir uns das vorher zurechtgelegt haben, ist gleich Null.

Irgendwas kommt immer dazwischen. Hängen wir dann in einem Trade drin, der sich anders entwickelt als geplant, wir aber den Verlust finanziell nicht akzeptieren wollen oder dürfen, dann ist das Dilemma vorprogrammiert. Wir werden alles dafür tun, um die Niederlage abzuwenden. Manchmal gehen wir dafür sogar noch höhere Risiken ein, was letztlich in der Katastrophe endet.

2) Der Verlust erzeugt bei uns seelische Schmerzen, weil unsere Erwartungen an die Börse noch nicht mit der Realität der Märkte übereinstimmen.

Stärke hat nicht immer nur etwas mit der Größe unseres Bankkontos zu tun. Meiner Erfahrung nach sind sehr vermögende Trader besonders gefährdet in die „Psycho-Falle“ der Märkte zu tappen. Es fühlt sich im ersten Moment ziemlich leicht an, einen kleinen Trading-Gewinn aus einem großen Vermögen herauszuziehen, was aber ein Trugschluss ist. Es ist nicht einfacher als mit einem kleinen Konto. Den Märkten ist egal, wie reich wir sind.

Oft kommen wir aber mit Erwartungen an die Börse, die einfach nicht der Realität entsprechen. Unser Bild ist von Broker-Marketing und den Verheißungen der „Trading-Szene“ verzerrt. Stellen sich dann Verluste ein oder das Trading entwickelt sich doch irgendwie komplizierter, als wir uns das anfangs zurecht gelegt haben, dann kann jeder Verlust wie ein Nadelstich wirken.

Solange ein Verlust in uns noch dieses schmerzhafte Gefühl auslöst, haben wir unsere innere Erwartungshaltung noch nicht an die – zugegebenermaßen manchmal harte und unfaire – Realität der Finanzmärkte angepasst.

3) Der Verlust erzeugt Schmerzen, weil uns die Niederlage einen inneren Spiegel hochhält und uns signalisiert, dass wir der Herausforderung nicht die nötige Reife, Disziplin oder Gelassenheit entgegenbringen.

Innere Stärke zu besitzen bedeutet, dass wir aufgrund unserer Finanzbildung gewisse Einsichten erhalten haben, eine „Trading-Weisheit“ besitzen (wie Altmeister Joe Ross sagen würde). Diese innere Stärke gibt uns die Kraft über Fehler und Verluste hinweg zu gehen, dadurch nicht in Stress und emotionales Handeln zu geraten und uns wieder auf den nächsten Trade konzentrieren zu können, der dann möglicherweise der ersehnte Gewinntrade auf eine Reihe von Verlusten wird.

Risiken aus einer Position der finanziellen oder persönlichen Stärke heraus einzugehen ist ein wichtiger Baustein, um den Status des viel gepredigten „rationalen Anlegers“ zu erreichen.

Die wohl wichtigste Grundregel dabei ist nur mit Kapital zu spekulieren, das wir aus einer Position der Stärke heraus investieren. Viele große Unternehmer oder Investoren erscheinen uns in der Rückbetrachtung als waghalsige Risikojunkies oder geniale Strategen.

Ob Peter Thiel wusste, als er 2004 mit 500.000 US-Dollar bei Facebook einstieg, dass sich das Start-Up zu einem der größten Player im Netz entwickeln würde? Keine Ahnung. Aber er hat es aus einer Position der Stärke heraus gemacht. Sein Fonds war zu dieser Zeit bereits 2,3 Milliarden groß.

Die Fähigkeit gute Risiken einzugehen, egal ob am Aktien- oder Immobilienmarkt scheint etwas damit zu tun zu haben, wie wir im Falle eines Verlustes reagieren würden. Ich frage mich daher heute immer als erstes, bevor ich einen Trade eingehe:

1) Wo liegt mein Stopp?
2) Welchen Geldbetrag muss ich verkraften, wenn der Trade in den Verlust läuft?
3) Passt dieser zu akzeptierende Verlust in mein aktuelles Risikomanagement und in meine aktuelle Trading-Serie?

Erst wenn diese Dinge zusammenpassen, ergibt sich für mich ein sinnvolles Setup. Denn erst dann kontrolliere ich mein Risiko, damit mein Depot und letztlich mein Verhalten an den Märkten.

Das gibt mir die Stärke, mich wie ein rationaler Anleger zu verhalten.

Viele Grüße
Jakob Penndorf

Dazu weiter lesen: Diese Theorie sollte jeder Anleger und Trader kennen!

1 Kommentar

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  • albi68
    albi68

    Hallo Jacob,

    wenn ich mich nicht verrechnet habe, dann wäre das Beispiel mit Facebook in etwa so als würde man von 1000€ 20 cent investieren. Das Risiko ist überschaubar.

    10:12 Uhr, 09.07. 2017

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Über den Experten

Jakob Penndorf
Jakob Penndorf

Jakob Penndorf teilt seit 2015 seine Expertise als Finanz- und Tradingexperte auf GodmodeTrader und Guidants, den Finanzportalen der BörseGo AG. Er startete seine Karriere als Börsenhändler und Analyst bei einer Wertpapierhandelsbank, war Berater und Fondsmanager für Asset Manager in Frankfurt am Main und Gründer eines Finanztechnologie-Unternehmens in Berlin. Jakob Penndorf hat zahlreiche Lehrgänge absolviert, u.a. ist er akkreditierter Berater der namhaften Investmentgesellschaft Dimensional Funds Advisors (DFA) aus den USA, deren Vorstand und Verwaltungsrat führende Finanzforscher wie Kenneth French, Roger Ibbotson oder Eugene Fama angehören. Jakob Penndorf veröffentlichte zahlreiche Fachartikel über Börsenstrategien, Anlegerverhalten und technische Handelssysteme. Er trainiert Unternehmer, Börsenhändler und Investoren im Umgang mit Risiken an den Finanzmärkten.

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