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17:00 Uhr, 24.10.2011

Rettungsschirm könnte sich als nicht groß genug erweisen

Paris (BoerseGo.de) - In seinem wöchentlichen Strategie-Update analysiert Joost van Leenders, Spezialist für Asset Allocation & Anlagestrategie bei BNP Paribas Investment Partners, die derzeitige Situation an den Märkten vor dem nächsten Euro-Krisengipfel am kommenden Mittwoch.

Die Aktienkurse verzeichneten in den letzten Tagen eine deutliche Erholung. Doch trotz dieser positiven Nachrichten verharrten die Kurse in derselben Bandbreite wie seit Anfang August. „Wir rechnen daher mit weiteren Kursverlusten. Die Wirtschaftsdaten aus den USA zeigen vor allem, wie bescheiden die Erwartungen des Marktes geworden sind. Unserer Ansicht nach ist das Rezessionsrisiko im Euroraum weiterhin sehr hoch. Außerdem halten wir es für unwahrscheinlich, dass die Staats- und Regierungschefs des Euroraums mit einem Plan aufwarten, der alle mit der Staatsschuldenkrise verbundenen Probleme löst“, befindet der Investment-Stratege.

Was die Rekapitalisierung der Banken anbelangt, so soll ein entsprechender Plan auf dem Treffen der Staatsund Regierungschefs des Euroraums am 23. Oktober vorgestellt und auf dem G20-Gipfel am 3. und 4. November ausdiskutiert werden. Deutschland und Frankreich sind sich nicht darüber einig, auf welche Weise frisches Kapital in die Banken gepumpt werden sollte. Deutschland möchte, dass die Banken zunächst versuchen, sich am Kapitalmarkt Geld zu beschaffen, sich dann an ihre nationalen Regierungen wenden und erst, wenn diese beiden Möglichkeiten ausgeschöpft sind, den europäischen Rettungsschirm EFSF in Anspruch nehmen. Die Franzosen, die ihr AAA-Rating nicht gefährden wollen, plädieren hingegen dafür, dass sich die Banken direkt an den EFSF wenden können. „Es könnte sein, dass der Rettungsschirm nicht groß genug ist. Nach den Rettungspakten für Irland und Portugal und einer zweiten Rettungsaktion für Griechenland schätzen wir, dass das Volumen des Fonds von ursprünglich 440 Milliarden Euro auf 330 Milliarden Euro oder weniger gefallen ist. Der Rekapitalisierungsbedarf der Banken des Euroraums wird auf 200 Milliarden Euro geschätzt. Wenn der EFSF außerdem dazu eingesetzt würde, um, anstelle der EZB, Staatsanleihen am Sekundärmarkt zu kaufen, könnte er sich als unzureichend erweisen“. Auch eine Vervielfältigung der Kapazitäten des EFSF durch Hebelwirkung erscheint dem Strategen problematisch.

Im Hinblick auf die neuesten Wirtschaftsdaten kann man laut van Leenders durchaus sagen, dass die aktuellen Zahlen aus den USA Rezessionsängste entschärft haben – es wurden unerwartet viele Stellen geschaffen. Auch wenn die durchschnittliche Anzahl der neu geschaffenen Stellen in den letzten zwei Monaten nicht ausreicht, um die Arbeitslosenquote zu senken, ist sie doch deutlich höher als normalerweise in einer Rezession. Aufgrund des Wachstums der Erwerbsbevölkerung verharrte die Arbeitslosenquote jedoch bei 9,1 Prozent. "Der Arbeitsmarktbericht ändert jedoch nichts an unserer Überzeugung, dass das Wachstum bis auf Weiteres niedrig bleiben wird. Das geringe Beschäftigungswachstum und die hohe Arbeitslosigkeit bremsen das Lohnwachstum, das zu niedrig ist, um die steigenden Preise zu kompensieren", erklärt der Experte.

Die Daten aus dem Euroraum waren nicht einheitlich. Die Einzelhandelsumsätze waren weiterhin schwach und das Verbrauchervertrauen verschlechterte sich deutlich. Die Industrieproduktion verzeichnete hingegen ein starkes Wachstum. "Wir befürchten jedoch, dass dieser Trend nicht anhält. In Deutschland lässt die Industrieproduktion seit Juni deutlich nach. Auch der deutliche Zuwachs, den die deutschen Ausfuhren verzeichneten, wird sich angesichts der Abkühlung der Weltwirtschaft möglicherweise nicht aufrechterhalten lassen", meint van Leenders abschließend.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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