Fundamentale Nachricht
10:38 Uhr, 28.02.2023

Preisen die Märkt die Inflation richtig ein?

Der Kampf gegen die Inflation setzt sich zwar im Jahr 2023 fort, die Diskussionen konzentrieren sich inzwischen jedoch stärker auf die Rezession und eine mögliche Schwäche des US-Dollars. Wirtschaftsexperten von Franklin Templeton kommentieren, ob die Märkte die Inflation richtig einpreisen.

Sonal Desai, CIO bei Franklin Templeton Fixed Income: Fed wird die Zinsen auf einem höheren Niveau belassen als die Märkte erwarten

Ich halte die Schätzung der US-Inflation bei etwa 3 % für optimistisch. Erstens ist die makroökonomische Politik immer noch ziemlich locker. Das mag seltsam klingen, wenn man bedenkt, dass die US-Notenbank ihre Zinssätze erhöht hat. Aber die USA werden in diesem Jahr ein Haushaltsdefizit haben, das wahrscheinlich etwa 5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen wird. Die Sozialversicherungszahlungen sind in diesem Jahr um fast 9 % gestiegen, und sie werden an etwa 70 Millionen Menschen ausgezahlt – das entspricht etwa einem Drittel der erwachsenen Bevölkerung. Und dabei darf man nicht vergessen: Die Bilanz der Fed ist immer noch riesig.

Zweitens hat sich der Markt richtigerweise sehr mit der Tatsache trösten lassen, dass die Lohnentwicklung moderat verläuft. Allerdings zeigt der jüngste Lohnwachstumstracker der Federal Reserve Bank of Atlanta, dass die Löhne im Dezember insgesamt um 6,1 % gestiegen sind, wobei die Löhne derjenigen, die den Arbeitsplatz gewechselt haben, um 7,7 % und die derjenigen, die ihre bisherige Stelle behalten haben, um 5,5 % gestiegen sind. Und das Wachstum der Lohnstückkosten betrug 5,2 % bis 5,3 %. In der Vergangenheit hat sich der Index für die persönlichen Konsumausgaben (PCE) parallel zu den Lohnstückkosten entwickelt, und der Dezemberwert lag weit über dem Inflationsziel der Fed von 2 %. Wir haben also eine US-Arbeitslosenquote von fast 3,5 %, ein US-Haushaltsdefizit von etwa 5 % und immer noch steigende Löhne.

Unterdessen erwarten die Märkte in naher Zukunft einen geldpolitischen Kurswechsel der Fed. Ich bin jedoch der Meinung, dass der ein oder andere unter einem „Recency Bias“ (Rezenzeffekt) leiden dürfte. Viele halten den aktuellen Straffungszyklus der Fed für vorübergehend. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Fed nach der globalen Finanzkrise einen mehr als zehnjährigen Kampf gegen die Deflation geführt hat – gegen einen Hund, der nie gebellt hat. Sie hat alle Lockerungshebel in Bewegung gesetzt, um das Problem zu lösen, weil die globale Finanzkrise ein so furchtbar großes und bedeutendes Ereignis war. Ich denke, dass auf die letzten Jahre, in denen die Inflation deutlich über dem Ziel lag, eine mehrjährige Phase folgen wird, in der die Fed die Zinsen auf einem höheren Niveau belässt als vom Markt derzeit erwartet wird.

Mark Lindbloom, Portfolio Manager bei Western Asset, Teil von Franklin Templeton: Markt liegt beim kurzfristigen Ausblick richtig

Die Prognostiker im Team gehen davon aus, dass die Inflation gegenüber dem Vorjahr in den USA bis Ende dieses Jahres bei etwa 2 % liegen könnte. Wenn man die Festlegung betrachtet – ich spreche hier vom Markt für kurzfristige Inflationsswaps – und sich die Preisentwicklung im Gesamt-Verbraucherpreisindex (VPI) ansieht, ist es für viele vielleicht überraschend, dass die Inflation im vierten Quartal 2023 im Jahresvergleich bei 2 % oder darunter liegen könnte. Es ist das erste Mal seit langer Zeit, dass die Preise bzw. die Fixierung des VPI unter unserer Prognose liegen.

Öl und Energie sind natürlich sehr wichtige Komponenten der Inflation, und der Ölpreis liegt derzeit bei 75 bis 80 US-Dollar pro Barrel. Die Situation könnte sich drastisch ändern. Aber wenn die jährliche Inflation bis Ende 2023 von über 6 % im Jahr 2022 auf 2 % zurückgeht, wie es der Markt zu erwarten scheint, dann deckt sich das auch mit unserer Einschätzung.

Wie kommen wir dorthin? Im Hinblick auf die Gesamtinflation spielt sicherlich die Entwicklung der Rohstoffpreise eine Rolle. Aber sei es bei Mieten, Autos, im Gesundheitswesen oder bei anderen Dienstleistungen – wir sehen einen allgemeinen Abwärtsdruck bei der Inflation auf der Warenseite, auf der Fertigungsseite. Bei den Dienstleistungen ist die Entwicklung etwas langsamer. Wenn wir die Inflationszahlen und unsere Erwartungen für 2023 betrachten, sind wir optimistisch, dass wir einen schnellen Rückgang erleben werden. Die Sorge ist, dass das Inflationsszenario von 2 % inzwischen am Markt eingepreist ist. Es besteht eine Diskrepanz zwischen den Markterwartungen und den Erwartungen der Fed. Das ist der Punkt, an dem die Debatte äußerst interessant wird.

Der Markt erwartet einen Anstieg der Fed Funds Rate auf 4,75 % oder vielleicht 5 %, während die Fed 5,25 % signalisiert hat. Bei der geldpolitischen Sitzung im Februar hatte der Markt also eine Anhebung um 25 Basispunkte erwartet – und auch bekommen. Aber nun wird mit einer Pause gerechnet, bei der die Fed innehalten und die Daten auswerten kann. Wenn dann die Wirtschaft auf Schwäche und eine niedrigere Inflation zusteuert, wird eine aggressive Lockerung gegen Ende des Jahres 2023 erwartet. Bei Western Asset stimmen wir grundsätzlich mit dem Markt überein, was den kurzfristigen Ausblick anbelangt. Im Hinblick auf Duration und die Zinsstrukturkurve hingegen werden innerhalb des Teams lebhafte Diskussionen geführt. Wir sind uns nicht ganz so sicher, was im März geschehen wird. Das Wichtigste ist unserer Meinung nach die Konzentration der Fed auf die Beschäftigungszahlen. Die Einkommen und Löhne sind zwar ein nachlaufender Indikator, haben sich aber nur sehr, sehr langsam gedreht. Für einen echten Kurswechsel und eine Pause seitens der Fed muss diese Entwicklung in die richtige Richtung gehen.

Francis Scotland, Director of Global Macro Research bei Brandywine Global, Teil von Franklin Templeton: Fed schießt aus Sicht des Marktes übers Ziel hinaus

Dass die Inflation sinken wird, ist wohl nicht mehr umstritten. Die entscheidende Frage lautet: Geht sie auf 2 % zurück, oder werden wir 3 % bis 4 % erreichen und dann eine Abflachung beobachten? Meiner Meinung nach wird die Inflation auf 2 % oder vielleicht sogar darunter sinken. Unsere Sichtweise beruht auf der Annahme, dass es sich bei der aktuellen Situation nicht um einen normalen Konjunkturzyklus handelt. Wir erleben die Normalisierung der Wirtschaft im Nachgang einer Katastrophe, die durch die Pandemie, die Lockdowns und die verschiedenen Reaktionen auf beide Entwicklungen ausgelöst wurde.

Ein interessanter Punkt bezüglich der im Dezember abgehaltenen Sitzung des Offenmarktausschusses (FOMC): Sämtliche FOMC-Mitglieder waren der Meinung, dass die Zinsen in diesem Jahr weiter steigen müssen, obwohl die Inflationsrate, die ich gerade erwähnt habe, in der gesamten zweiten Hälfte des Jahres 2022 zurückgegangen ist. Die Fed hat also fast auf dem Höhepunkt des Preisinflationszyklus Mitte letzten Jahres ihre Meinung zur Inflation von „vorübergehend“ zu „strukturell“ geändert. Nun konzentriert sie sich darauf, wie die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt und die hartnäckige Lohninflation die Preisinflation im Dienstleistungssektor anheizen könnten. Die Zinsstrukturkurve zeigt uns jedoch, dass der Markt der Ansicht ist, dass sie im letzten Jahr bei dem panischen Versuch, ihren Fehler zu korrigieren und der Inflation zuvorzukommen, über das Gleichgewichtsniveau hinausgeschossen ist. Die Zinsstrukturkurve ist invertiert. Und das schon seit längerer Zeit. Selbst in der eigenen Zusammenfassung der Wirtschaftsprognosen der Fed wird für das Gleichgewichtsszenario ein Leitzins von 2,5 % angesetzt.

Der Markt sagt also, dass die Zentralbank übers Ziel hinausschießt. Die Bedingungen sind sehr restriktiv. Das betrifft nicht nur die Zinsstrukturkurve. Betrachtet man die Geldmenge, so ist M2 nominal so stark geschrumpft wie nie zuvor; und real gesehen ist die Geldmenge genauso stark geschrumpft wie in den 1980er Jahren. Diese Bedingungen sind es, die die Zinsstrukturkurve widerspiegelt. Die Inflation wird nicht steigen, solange das Wachstum der Geldmenge so schwach ist. Sieht man sich die Entwicklung von Risikoanlagen an, so kann man feststellen, dass diese zuletzt zu einer Rally angesetzt haben. Risikoanlagen schätzen die Inflationsentwicklung optimistisch ein. Aber da die Fed die Finanzbedingungen als Teil des Transmissionsmechanismus für die Inflation betrachtet, hat der Fed-Vorsitzende Powell seine restriktive Rhetorik beibehalten. Das Tempo der Zinserhöhungen wurde mit der Anhebung um 25 Basispunkte im Februar gesenkt, Argumente für niedrigere Zinssätze werden jedoch immer noch nicht angesprochen.

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