Kommentar
07:02 Uhr, 02.02.2016

Ölpreisverfall: Jetzt kommen die Notkredite

Nach einer massiven Rally des Ölpreises in der vergangenen Woche beginnt nun wieder der Abwärtstrend. Das sorgt für eine Menge Stress weltweit. Der zweite Ölexporteur muss nun um Notkredite bitten.

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Vor einer Woche wurde bekannt, dass Aserbaidschan beim Internationalen Währungsfonds und der Weltbank um einen Notkredit von 4 Mrd. USD gebeten hat. 4 Mrd. Dollar klingt nach einem überschaubaren Betrag, doch mit einer Wirtschaftsleistung von 75 Mrd. USD macht der Kredit mehr als 5 % des BIPs aus. Der Betrag ist auch im Verhältnis zum Staatshaushalt hoch. Aserbaidschan verzeichnete 2014 Einnahmen von 12 Mrd. Dollar. 2015 waren es vermutlich nur noch 8 Mrd. Der Staat will also seinen Haushalt über einen Notkredit finanzieren. Wird der Kredit vergeben, dann kommen zwischen 30 und 50 % der Staatsausgaben in diesem Jahr aus den Taschen des IWF und der Weltbank.

Der zweite Staat, der nun um Hilfe bittet, ist Nigeria. Nigeria will einen Kredit in Höhe von 3,5 Mrd. USD bekommen. 2,5 Mrd. sollen von der Weltbank und 1 Mrd. von der afrikanischen Entwicklungsbank kommen. Diese Hilfen sind notwendig, um den Staatshaushalt zu finanzieren. Gemessen an der Wirtschaftsleistung von über 500 Mrd. ist das ein Tropfen auf den heißen Stein, doch im Vergleich zum bisherigen Staatshaushalt ist es viel.

Die Regierung hatte 2015 Ausgaben von ca. 20 Mrd. USD und Einnahmen von 17 Mrd. 2016 könnten die Einnahmen je nach Ölpreisentwicklung auf 13 bis 15 Mrd. sinken. Ein Kredit von 3,5 Mrd. ist also kaum ausreichend, um den Staat nachhaltig zu finanzieren. Von Nachhaltigkeit kann ohnehin keine Rede sein, da die Regierung einfach weiter Geld ausgibt und dies auf Kredit tut.

Nigeria wollte in diesem Jahr eigentlich wieder zurück an den Finanzmarkt und sich über Anleihen Geld besorgen. Solche Anleihen müssen jedoch in Fremdwährung, z.B. USD platziert werden, da sie sonst niemand abnimmt. Die Zinsen dafür sind hoch, da die Einnahmen, die die Anleihen decken, wegbrechen. Ohne einen hohen Ölpreis ist die nigerianische Regierung einfach nicht solvent.

Nigeria hat in den letzten anderthalb Jahren einen Großteil seiner Devisenreserven verbraucht. Die Reserven sanken von knapp 50 Mrd. USD auf unter 30 Mrd. Die Reserven wurden vor allem verwendet, um die Währung durch Interventionen zu stützen. Die Währung wurde Ende 2014 um ein Viertel abgewertet. Seitdem wird sie durch Interventionen stabil gehalten. Es dürfte bald zu einer neuerlichen Abwertung kommen. Allein schon aus diesem Grund muss die Regierung auf die Ausgabe von Dollaranleihen verzichten. Der Schuldenberg in Fremdwährung würde durch die Abwertung der heimischen Währung massiv steigen.

Devisen brauchen sowohl Nigeria als auch Aserbaidschan. Die Auslandsschulden sind vergleichsweise hoch. In Aserbaidschan übersteigen diese die Devisenreserven schon fast. In Nigeria liegen die Auslandsschulden bei einem guten Drittel der Reserven. Werten die lokalen Währungen weiter ab, dann wird es immer schwieriger die Schulden zu bedienen. Eine Insolvenz der beiden Länder rückt immer näher.

Noch hält sich die Höhe der Notkredite in Grenzen - zumindest aus einer globalen Perspektive. Die Kredite heißen jedoch nicht umsonst Notkredite. Die Staaten sind in Not. Nigeria ist nicht gerade für seine ausufernde Stabilität bekannt. Eine Regierung mit Solvenzproblemen, sinkender Industrieproduktion, steigender Arbeitslosigkeit und steigender Inflation kann schnell vor ausbrechendes Chaos im Land gestellt werden.

Wird Nigeria instabil, dann kann sich auch dort der Terror ungehindert weiter ausbreiten. Bisher kann die Regierung mit externer Hilfe die Terroristen noch soweit in Schach halten, dass sie das Land nicht übernehmen. Wird die Bevölkerung unzufrieden und begehrt auf, dann ist das schnell vorbei. Und so könnten die Dominosteine zu fallen beginnen. Vor allem kleine und mittelgroße Ölexporteure müssen um ihre politische Stabilität bangen. Ohne diese Stabilität, erkauft durch Petrodollars, sind Terror und Bürgerkrieg Tür und Tor geöffnet. Das wiederum wird die Flüchtlingslage kaum verbessern und Europa an den Rand des Zerreissens bringen. Und so fällt ein Stein nach dem anderen...

So kann man es sehen, muss man aber nicht. Die Gefahr für geopolitische Stabilität, die ein niedriger Ölpreis mit sich bringt, ist real. Man darf das nicht ignorieren und muss die Lage verfolgen. Momentan gehe ich persönlich jedoch davon aus, dass Notkredite ausreichen werden, um das Chaos zu verhindern.

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10 Kommentare

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  • netzadler
    netzadler

    bei politischer instabilität wären auch schnell wieder die outputs gefährdet. daas dürfte dann wieder höhere preise bringen.

    21:42 Uhr, 02.02.2016
  • Mattko
    Mattko

    Guter Artikel... danke dafür.

    Dann warten wir jetz mal, welcher Domino-Stein als nächstes beim IWF anklopft.

    09:17 Uhr, 02.02.2016
  • xAZSx
    xAZSx

    http://m.wmur.com/money/goldman-sachs-its-too-late...

    Was aussagen alles bewirken....xD

    22:31 Uhr, 01.02.2016
  • Chamäleon
    Chamäleon

    äh, ist das dasselbe Nigeria, welches Deutschland - lt. einer kürzlich erschienen Studie von "Fachökonomen"- in ca. 10 Jahren in der Wirtschaftsleistung überholen soll???

    21:59 Uhr, 01.02.2016
  • VSAtrader
    VSAtrader

    Stimmt nicht...

    Aserbaidschan hat nicht um Kredit gebeten, sondern um technische Hilfe...

    http://abc.az/eng/news/93779.html

    21:23 Uhr, 01.02.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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