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16:57 Uhr, 22.04.2020

Ölpreisabsturz: Phyrrhussieg für Saudi-Arabien?

Der Ölpreis siecht am Boden, doch vor allem ist davon zunächst die Ölindustrie in den USA betroffen. Die Saudis hingegen könnten mit einem blauen Auge davonkommen.

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    Kursstand: 20,98000 $/bbl. (FXCM) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

New York (Godmode-Trader.de) - Der Markt wird aktuell mit Rohöl überschwemmt, die Lagertanks sind zum Bersten gefüllt und die Coronavirus-Krise sorgt weiterhin dafür, dass sich die weltweite Nachfrage im Sinkflug aufhält. Allein für den April prognostizierte die IEA einen Nachfragerückgang um 29 Mio. Barrel am Tag - knapp ein Drittel des Weltbedarfs früherer Monate. Am Montag stürzte der Mai-Kontrakt für die US-Sorte West Texas Intermediate zum ersten Mal überhaupt in den negativen Bereich.

Nutznießer dieser Situation am Ölmarkt ist nach Einschätzung von Analysten Saudi-Arabien. Riad sei am besten positioniert, um die Auswirkungen des historischen Einbruchs der US-Ölpreise zu meistern, sagte Dave Ernsberger, Rohstoffexperte bei S&P Global Platts am Dienstag im Gespräch mit CNBC TV. „Saudi-Arabien sieht wie ein Sieger aus, aber es ist ein Phyrrhussieg“, so Ernsberger weiter. Riad habe die US-Schieferproduktion schon lange „im Visier“ gehabt, aber „sie müssen sich selbst über die Schulter schauen, denn auch andere Benchmarks wie Brent sind ebenfalls massiv unter Druck geraten. „Der ganzen Welt gehen die Lagerbestände aus, was die Preise in Turbulenzen bringt“.

Riad könnte dennoch mit einem blauen Auge davon kommen: Die amerikanische Fracking-Industrie liegt am Boden. Russland hat sich nach einem Preiskrieg dem saudischen Vorschlag gebeugt, seine Förderung ebenfalls massiv zu kürzen. „Letztendlich ist Saud-Arabien ein Gewinner“, sagte auch Christian Malek, der Leiter des EMEA-Öl- und Gasaktien-Research bei JPMorgan, am Dienstag gegenüber CNBC. „Die Saudis haben es geschafft, zu einem frühen Zeitpunkt aggressiv Öl zu verkaufen und Marktanteile zu gewinnen, als es noch eine Nachfrage gab, und haben dann bei ihrem letzten Entgegenkommen nur das neu eroberte Terrain wieder aufgeben müssen.

Rohöl ist in den USA schon länger ein defizitäres Geschäft. Viele amerikanische Fracking-Unternehmen stehen am Abgrund, eine Insolvenzwelle droht. Die Covid-19-Pandemie hat zu einem extremen Nachfrageschock auf den Energiemärkten geführt, wobei sich die Lagerplätze - sowohl an Land als auch auf See - schnell füllten. In den Vereinigten Staaten wird die Situation als besonders akut eingeschätzt, da die Kapazitäten am größten Auslieferungsort in Cushing, Oklahoma, voraussichtlich in wenigen Wochen ausgeschöpft sein werden. „Was wir diese Woche in Oklahoma gesehen haben, ist dem Virus in Wuhan nicht unähnlich, und wir können hier sehen, wie sich das Ölmarkt-Virus sehr schnell auf den Rest der Welt ausbreitet“, sagte Ernsberger zu CNBC. „Nach unseren Schätzungen könnte der Gesamtbestand an Kapazitäten in der Welt Ende Mai erreicht werden“.

Das Ölstaaten-Bündnis OPEC+ vereinbarte Anfang dieses Monats, ab Anfang Mai täglich 9,7 Mio. Barrel Rohöl vom Markt zu nehmen. Es handelt sich um die größte Fördermengenkürzung in der Geschichte der Gruppe. Analysten zufolge ist die beschlossene Drosselung dennoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das Überangebot lässt sich damit nicht entscheidend abbauen.

Die Lehre der vergangenen Tage dürfte sein, dass die Ölproduzenten ihre Fördermengen noch deutlich stärker einstampfen müssen, soll sich der Preis auf einem vertretbaren Niveau stabilisieren. Das liegt auch im Interesse Saudi-Arabiens. Noch können die dortigen Reserven im Staatshaushalt von 500 Mrd. Dollar die aktuellen Verluste in Folge der niedrigen Ölpreise ausgleichen.

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  • katzenfreund
    katzenfreund

    das target ist Russland nicht die "fracking industrie" Russkand kann sich keine Förderkürzung bei tiefen Preisen leisten

    17:05 Uhr, 22.04. 2020

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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