Kommentar
14:00 Uhr, 20.11.2018

Öl: Ist das nach dem Einbruch die Einstiegschance?

Seit den Hochs von Anfang Oktober hat der Ölpreis fast 30% eingebüßt. Das sieht übertrieben und nach einer Chance für Anleger aus.

Erwähnte Instrumente

  • WTI Öl
    ISIN: XC0007924514Kopiert
    Kursstand: 56,985 $/Barrel (Commerzbank CFD) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • WTI Öl - WKN: 792451 - ISIN: XC0007924514 - Kurs: 56,985 $/Barrel (Commerzbank CFD)

Was nach einer Chance aussieht, muss nicht unbedingt eine sein. Zugegeben, wenn Preise innerhalb weniger Wochen um 30 % sinken, dann riecht das sehr stark nach Übertreibung und einem kurzfristigen Rebound. Die mittelfristige Perspektive bleibt jedoch schwierig.

Der dramatische Kurseinbruch wird aktuell nicht den fundamentalen Gegebenheiten zugeschrieben, sondern eher einer Fehlspekulation. Die einen sagen, dass es ein Hedgefonds war, der sich verspekuliert hat. Andere wiederum sagen, dass sich Banken hedgen mussten.

Nicht nur Produzenten, sondern auch Regierungen sichern sich gegen fallende Ölpreise ab. Dazu gehört Mexiko. Mexikos Regierung ist einer der größten Akteure auf dem Markt. Sie kauft bei US-Banken Puts, um die Einnahmen aus dem Ölsektor abzusichern. Wenn der Ölpreis fällt, wird das für Banken teuer, wenn sie sich nicht absichern.

Genau das tun sie aber, sich absichern. Sie verkaufen Öl über Futures, um die Verluste aus den Puts, die sie verkauft haben, abzudecken. Das hat vergangene Woche zu regelrechten Panikverkäufen und entsprechenden Preisbewegungen geführt.

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Das alles ist mehr technisch und nicht fundamental. Das Fundamentale wird bei den zugegebenermaßen spektakulären Verkäufen vergessen. Nur weil Banken und Fonds auf dem falschen Fuß erwischt wurden, bedeutet das nicht, dass der niedrigere Preis nicht gerechtfertigt wäre. Das ist er nämlich.

Die USA fahren ihre Produktion immer noch in rasantem Tempo nach oben (Grafik 1). Ein rasches Ende ist nicht in Sicht. Damit haben die USA die Förderkürzung der OPEC mehr als wettgemacht. Die von vielen gebetsmühlenartig wiederholte Ölknappheit gibt es schlichtweg nicht.


Zu allem Überfluss sind auch die als härtesten Sanktionen aller Zeiten angekündigten Sanktionen gegen den Iran butterweich. Der Iran exportierte im vergangenen Jahr 2,6 Mio. Barrel Öl pro Tag. Davon sind gerade einmal 15 % wirklich sanktioniert. Die USA haben den größten Abnehmern (China, Indien, Italien, Südkorea, Japan, Türkei) Ausnahmen gestattet.

Der Iran dürfte also noch gut 2 Mio. Barrel/Tag exportieren. Tatsächlich sind es derzeit weniger als 1,7 Mio. Barrel, weil viele Länder im Vorfeld der Sanktionen kalte Füße bekommen haben. Ob die Exporte nun wieder hochgefahren werden können, weiß man nicht. Theoretisch stehen dem Weltmarkt aber fast eine halbe Million Barrel pro Tag mehr zur Verfügung als ursprünglich gedacht.
Ölaktien sehen daher vor allem optisch günstig aus. Der niedrige Ölpreis ist wegen der globalen Überversorgung nach wie vor gerechtfertigt. Im Verhältnis zum übrigen Markt sind Ölaktien so billig wie seit 13 Jahren nicht mehr (Grafik 3). Das verleitet zum Einstieg.

Ein Einstieg in den Ölmarkt ist nicht unbedingt ein Fehler. Es kommt auf den Zeithorizont an. Wer jetzt kauft und 10 Jahre wartet, hat wahrscheinlich Freude. Wer auf Sicht von ein oder zwei Jahren kauft, dürfte enttäuscht werden. Wer auf einen kurzfristigen Rebound setzt, kann vermutlich profitieren. Das heißt: kurzfristig rauf, mittelfristig seitwärts/abwärts, langfristig aufwärts.

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2 Kommentare

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  • markox
    markox

    "Wer auf einen kurzfristigen Rebound setzt, kann vermutlich profitieren." :-) ich dachte ich seh nicht richtig, als ich gerad den Öl-Preis im Ticker erblickte. Also wer zumindest heute Morgen schon auf den Rebound gesetzt hat, er hat sich aber mal mächtig verzockt.

    20:16 Uhr, 20.11.2018
  • Trachau
    Trachau

    Ich würde eine weitere fundamentale Komponente nicht vernachlässigen und die heißt Trump. Im kaltem Krieg hatte die USA die Sowjetunion todgerüstet und sie zur Aufgabe gezwungen. Nun pumpt die USA Öl aus allen Löchern und wird damit mittelfristig die einzige Geldquelle seiner Erzfeinde Russland und Iran durch fallende Preise versiegen lassen. Klare Strategie zu erkennen. Wenn es jetzt noch zu einem Einbruch der Weltwirtschaft kommt, dann sehen wir alte Tiefststände von 30 Dollar/Fass.

    16:37 Uhr, 20.11.2018

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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