Kommentar
19:20 Uhr, 11.01.2016

Öl im Sturzflug: Ist das endlich der Ausverkauf?

Heute ist es passiert: die Ölsorte WTI ist unter ihre Tiefs aus dem Jahr 2009 gerutscht und notiert so niedrig wie seit Anfang 2004 nicht mehr. Ist das nun der finale Sell-Off?

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Öl ist inzwischen in vielen Ländern billiger als abgefülltes Mineralwasser. In den USA kostet eine Liter Benzin derzeit 0,6 Dollar bzw. 0,55 EUR. Davon ist der Benzinpreis bei uns noch weit entfernt. Steuern und Wechselkurs machen´s möglich. Dennoch: global betrachtet sind Öl und Ölprodukte so günstig wie lange nicht.

Die Schlagzeilen für WTI lauteten letzte Woche: Öl so günstig wie seit 2004 nicht mehr. Heute kann getitelt werden: Brent Crude Öl so billig wie seit 2003 nicht mehr. Viel interessanter als diese Betrachtung ist aber eigentlich, wann und wie lange die Preise unter diesen Markten verweilten. Grafik 1 zeigt den monatlichen WTI Preis seit 1974 auf nominaler und realer (inflationsbereinigter) Basis.

Nominal gesehen war Öl bis auf eine kurze Zeit lang vor 2003/04 günstiger als heute. Ölknappheit und Ölembargos brachten den nominalen Kurs Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre kurz über 32 Dollar. Während des ersten Golfkrieges wurde die Marke von 32 Dollar ebenfalls kurzfristig überschritten.

Um das Ausmaß des derzeitigen Ölpreiscrashs wirklich zu erfassen sollte man auf die realen Preise schauen. Die Welt ist heute nicht mehr die gleiche wie 1974. Seitdem sind die Löhne in vielen Ländern, in den Öl produziert wird, gestiegen. Die Kosten für Ölproduktion sind ebenfalls gestiegen. All diese Faktoren müsste man berücksichtigen, um einen guten Vergleich zu früheren Preisen herzustellen.

Nicht alle Faktoren sind bekannt, doch zumindest kann man die Ölpreise über die Bereinigung um die allgemeine Inflationsrate besser vergleichbar machen. Auf realer Basis kann man sagen: Öl ist heute billiger als in den Jahren 2000, 1996, 1990, 1987 und 1974 bis 1986. Das muss man sich erst einmal vorstellen.

Die Kosten für die Ölproduktion sind seit den 70er Jahren nicht nur um die allgemeine Inflationsrate angestiegen, sondern vermutlich sehr viel stärker. Ölunternehmen, der derzeit um ihr Überleben kämpfen, arbeiten mit Hochdruck an Kostensenkungen, doch noch immer sind die Kosten der Ölförderung in den meisten Regionen deutlich über denen der 70er oder 80er Jahre. Höher bedeutet in diesem Fall nicht um 5 oder 10 % höher, sondern eher um den Faktor 5 höher. Man kann sich vorstellen wie sehr die Margen unter Druck stehen.

Schuld an der Misere sind nicht nur das Überangebot und der vorsorgliche Preiskampf Saudi-Arabiens gegen den Iran, sondern auch die Dollarentwicklung. Morgan Stanley und Bank of America haben das in den vergangenen Tagen erkannt und lassen in Research Notes vermelden, dass der Preis von Öl noch tiefer gehen kann, wenn der Dollar weiter steigt.

Auf den engen Zusammenhang von Dollar und Rohstoffpreisen wurde hier schon mehrfach hingewiesen. Wie deutlich dieser Zusammenhang ist zeigt Grafik 2. Abgebildet ist der Dollar Index und der Ölpreis, normiert auf einen Indexwert von 100 zu Beginn der Periode. Öl hat seit Anfang 2014 über 60 %, der Dollar hat über 25 % gewonnen. Allein durch die Währungskurse lässt sich ein gutes Drittel des Ölpreisverfalls erklären.

Ein weiterhin aufwertender Dollar spricht weiterhin für fallende Ölpreise. Man darf allerdings auch nicht vergessen, dass mit einem realen Ölpreis von weniger als 30 Dollar der Preis so niedrig ist wie selten zuvor. Kommt es nicht bald zu einer Erholung, dann dürfte sich das Ölangebot bereits im zweiten Quartal 2016 deutlich verringern.

Es ist gut möglich, dass wir den Beginn des finalen Sell-Offs gerade sehen. Wer auf einen zumindest kurzfristigen Rebound setzen möchte, muss dennoch nicht sofort kaufen. Der panikartige Abverkauf kann den Kurs auch noch Richtung 25 oder 20 Dollar treiben, also noch einmal ein Drittel tiefer als aktuell.

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10 Kommentare

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  • 0815
    0815

    Herzlichen Dank an diejenigen, die EW für mehr als nur Zufallstreffer halten ;)

    Es gibt doch zwei Herangehensweisen an den Markt. Fundamental und Charttechnisch.

    Mal ernsthaft liebe Fundies; Seid ihrs nicht langsam satt Kennziffern alleine mit dem Zeithorizont zu rechtfertigen... In the long run....

    Waver just sailing arround while you are still working ;)))

    Liebe SKS Fanatiker, was bringen Widerstände und Unterstützungen wenn niemand diese Linien beachtet.... Wie viele Formationen enden denn tatsächlich nach Lehrbuch...

    Es sind die Emotionen aller!!! Marktteilnehmer, die die Kurse beeinflussen.

    Man kann es Wellen, Triebe, Gier oder Instinkt nennen, alles führt zum selben Ergebnis ;)

    22:51 Uhr, 11.01.2016
    2 Antworten anzeigen
  • GeBa96
    GeBa96

    Aus Öl bleibe ich auch raus. Könnte noch eine Kopf Schulter werden. Bin gerade aus Gold ausgestiegen. Jetzt gibt es nichts mehr. Wer den Mut hat eventuell PUT Zertifikate.

    20:51 Uhr, 11.01.2016
  • Super-Hobel
    Super-Hobel

    Hallo,

    mir ist noch ein Artikel von 2010 von Andre Tiedje in Erinnerung, der hier eine Klummne geschrieben hat: "Öl wird im Jahre 2016 bei 20 USD liegen. Sie glauben das nicht? Eliott Wellen sagen aber genau das voraus". An diesen Artikel muss ich immer wieder denken, wenn ich mir den Ölpreis anschaue. Trotzdem bleibe ich da raus, nachher geht es da wie Gold, es fällt und bleibt auch da unten. Da muss erst ein enormer Peak nach oben kommen.

    19:30 Uhr, 11.01.2016
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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