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14:41 Uhr, 09.05.2022

Öl-Embargo: Russland könnte am Ende als Gewinner dastehen

Die EU-Länder stehen vor einem Boykott russischen Erdöls, die G7-Staaten sind schon einen Schritt weiter. Warum Russland letztlich aber dennoch von den Sanktionen profitieren könnte.

Washington/ Brüssel (Godmode-Trader.de) - Die EU-Länder haben sich noch nicht über ein Öl-Embargo gegen Russland geeinigt. Es werde noch an Garantien für die Versorgungssicherheit bestimmter Länder gearbeitet, die in Bezug auf die Öl-Versorgung durch Pipelines aus Russland in einer besonderen Situation seien, teilten die französische Ratspräsidentschaft und die EU-Kommission am Sonntag mit. Zu Jahresbeginn hat Russland noch die Hälfte seiner täglich knapp fünf Millionen Barrel Rohöl nach Europa exportiert.

Die G7-Staaten sind da einen Schritt weiter: Das Weiße Haus teilte am Sonntag mit, alle G7-Staaten hätten sich dazu verpflichtet, die Einfuhr von russischem Öl auslaufen zu lassen oder zu verbieten - die USA selber haben bereits ein entsprechendes Importverbot verhängt. Zur Siebenergruppe führender demokratischer Industrienationen gehören die Nato-Staaten USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien, Italien und Deutschland sowie Japan. Das Weiße Haus teilte mit: „Unsere beispiellosen Sanktionen fordern bereits einen immensen Tribut von Russlands Wirtschaft." Putins Krieg werde voraussichtlich die wirtschaftlichen Errungenschaften der letzten 15 Jahre in Russland zunichte machen.“

Doch das Vorgehen hat Kritik auf sich gezogen. Aus Sicht von Michael Holstein, Chefvolkswirt der DZ Bank, hätte ein Öl-Embargo das Potenzial, den Ölpreis in den nächsten Monaten zumindest vorübergehend noch ein ganzes Stück nach oben zu treiben. Das würde sich dann auch auf die Inflationsrate niederschlagen.

Als größtes Risiko aber gilt, eben weil das Embargo die Ölpreise international anheizen könnte, Russland am Ende mit weniger Exporten mindestens genauso viel Geld verdient wie zuvor. Damit einhergehen könnte, dass Öl für ärmere Länder unbezahlbar wird. Dies wiederum könnte Präsident Wladimir Putin nutzen, indem er russisches Öl mit Rabatten an ärmere Länder unter der Bedingung losschlägt, dass sich diese Länder nicht an den westlichen Sanktionen gegen Russland beteiligen.

Schon jetzt verlagern sich die Handelsströme weg vom Westen. Russland wendet sich Asien zu und verkauft dort sein Öl, zum Teil mit großen Abschlägen. Indien kaufte zuletzt mehr günstiges russisches Öl aus Russland. Auch China ist ein Großabnehmer. Im April sind laut dem auf die Verfolgung von Tankschiffen spezialisierten Unternehmen Vortexa 20 Prozent mehr Tankerladungen aus Russland nach China verschifft worden. Laut Edoardo Campanella von der Unicredit Bank gibt es auch Anzeichen, dass russisches Öl auf großen Schiffen auf See mit Öl aus anderen Ländern vermischt wird. So könne die Herkunft verschleiert und ein Embargo umgangen werden.

Das Bofit, Forschungsinstitut der Bank of Finland für die Emerging Markets, kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Die nominalen Einnahmen des russisches Bundeshaushalt stiegen laut den Experten im ersten Quartal um 35 Prozent und im ersten vollen Kriegsmonat März immer noch um 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dabei hätten die Erdöl- und Erdgaseinnahmen rund 40 Prozent ausgemacht. Der Zuwachs liegt zum Teil an der Inflation. Doch die Zahlen zeigen auch: Russland verdient mit fossiler Energie noch immer gutes Geld. Die nächsten Monate könnten allerdings schwieriger werden, weil der Preis für die russische Erdölsorte Urals gefallen ist und zugleich der Rubel aufwertete.

Die EU ist sich der unerwünschten Folgen eines Embargos durchaus bewusst. In einer vorläufigen Version schlug die EU-Kommission vor, dass europäischen Unternehmen auch der Handel mit russischem Erdöl mit Drittstaaten verboten werden soll.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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