Kommentar
08:43 Uhr, 13.04.2015

Öl: ein Blick in die Glaskugel

Als vergangene Woche die Daten zur US Ölproduktion einen Rückgang der Fördermenge anzeigten gewann der Ölpreis 5%. Ist das etwa eine (fundamentale) Trendwende?

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Der Rückgang der US Ölproduktion von der dritten zur vierten Märzwoche betrug 36.000 Barrel pro Tag. Damit ging die Ölproduktion um 0,38% auf Wochenbasis zurück. 0,38% ist auf den ersten Blick nicht viel. Stellt man sich allerdings vor, dass die Produktion jede Woche soviel sinken würde, dann hat man annualisiert einen Rückgang von knapp 20%. Man kann sich also gut vorstellen wieso der Ölpreis darauf so heftig reagierte.

Auf den zweiten Blick muss man nun aber feststellen, dass der Rückgang der Produktion bedeutungslos ist. Grafik 1 zeigt die US Ölproduktion, die Lagerbestände und die wöchentlichen Schwankungen der Produktion. Die Schwankungen sind in tausend Barrel pro Tag angegeben. Man sieht sofort einige heftige Ausschläge, die mehrere hunderttausend Barrel am Tag betragen. Noch einmal zur Erinnerung: der Rückgang der Produktion Ende März lag bei 36.000 Barrel. In der Grafik fällt diese Menge nicht auf und verschwindet komplett im Rauschen.

Das Ausmaß des Rückgangs ist relativ gering. Daten zur wöchentlichen Produktion gibt es seit 30 Jahren. Unter allen Rückgängen dieser 30 Jahre war der Rückgang Ende März im unteren Drittel. Es waren also zwei Drittel aller Rückgänge größer als jener der letzten Woche. Das hilft die Größenordnung einzuordnen. Es gab einen ähnlich großen Rückgang übrigens Ende Januar, Anfang Januar und Ende Dezember letzten Jahres. Alle diese Reduktionen der wöchentlichen Fördermenge haben keine Trendwende eingeläutet. Wahrscheinlich markiert auch die aktuelle Reduktion keinen Wendepunkt.

Die Fundamentaldaten geben noch keinen Anlass an eine Trendwende zu glauben. Das hindert die meisten Banken nicht daran, es trotzdem zu tun. Grafik 2 zeigt den Preisverlauf von WTI, Prognosen von 10 Banken und die aktuelle Terminkurve. Die Streuung der Prognosen ist ziemlich groß. Schon für das zweite Quartal 2015, welches gerade begonnen hat, liegen die Schätzungen weit auseinander und reichen von 39 bis 59 USD pro Fass. Für Ende 2015 liegt die Bandbreite bei 50 bis 85 USD. 2016 liegen die Werte zwischen 58 und 93 USD.

Die Prognosen weichen vom aktuellen Kurs für das zweite Quartal in beide Richtungen um 22% ab. Bis 2016 liegt der Wert bei 0 bis +100%. Das ist im Verhältnis zum aktuellen Kurs so weit gefächert, dass man damit eigentlich gar nichts anfangen kann. Allein die Tendenz der Prognosen ist konsistent. Sie sagen allesamt steigende Preise voraus.

Die Ölfutures zeigen momentan einen weniger optimistischen Preisverlauf an. Der nächstgelegene Future hat einen Preis von 50 USD, der für Ende des Jahres steht bei 55,50. Für Ende 2016 wird ein Preis von 60 USD angezeigt. Bei den Prognosen der Banken ist 60 USD das unterste Ende der Prognosen für 2016.

Das Ausmaß des Preisanstieges unterscheidet sich von Bank zu Bank. Insgesamt aber haben die Prognosen mehr gemein als man denkt. Sie zeigen nicht nur alle in die gleiche Richtung, sondern orientieren sich stark an früheren Preisbewegungen. Grafik 3 zeigt eine längere Preishistorie und die aktuellen Prognosen der Banken. In diesem langen Zeitfenster sieht man ganz gut wie Banken die Erholung einstufen: schnell und dynamisch. Ganz besonders dynamisch sieht es Standard Chartered. Sie prognostizieren letztlich eine Erholung wie es sie nach dem Crash 2008 gab. Andere Banken ziehen Parallelen zu 1999. Von 1997 bis 1999 waren die Lagerbestände stark angestiegen. Als sie zu sinken begannen gab es erst eine sehr schnelle Erholung, die sich mit der Zeit deutlich abflachte. Darauf scheinen auch dieses Mal viele zu wetten: eine rasche Erholung bis 60 USD und dann eine „gemütliche“ Trendfortsetzung.

Unwahrscheinlich ist das Szenario nicht. Alles, was tief fällt, steigt auch irgendwann einmal wieder. Eine Erholung zu prognostizieren ist keine große Kunst, zumal sich die Gesetze des Ölmarktes nicht plötzlich verändert haben. Geringere Preise bedeuten früher oder später Produktionsrückgänge. Das Angebot wird knapper, der Preis steigt. Die Gretchenfrage (schnelle oder langsame Erholung) scheint niemand sinnvoll beantworten zu können. Vieles spricht für eine langsame Erholung (Ende der Sanktionen gegen den Iran, ausreichend Kapital, Stabilisierung in Nordafrika etc.). Wahrscheinlicher als eine Reaktion des Ölpreises auf die globalen Faktoren ist eine Reaktion auf US Daten. Globale Faktoren (Krieg im Jemen) haben die Preise bisher nur für wenige Tage bestimmt. Die US Daten geben den Takt vor und damit wird der Start einer Rallye noch im zweiten Quartal sehr wahrscheinlich. Das Produktionswachstum schwächt sich ab. Raffinerien beenden demnächst die Wartungspausen des Frühjahrs, was die Lagerbestände langsamer wachsen lassen sollte bzw. sogar wieder die Lagerbestände reduziert. Zu guter Letzt sinkt die Bohraktivität immer weiter und immer noch relativ schnell, sodass deutlich weniger neue Kapazität auf den Markt kommen wird. Alle diese Faktoren sprechen dafür, dass es im zweiten Quartal eine größere Bewegung nach oben geben sollte.

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3 Kommentare

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  • Duck
    Duck

    ..........unberücksichtigt blieb auch die Verschuldung der Öl.- und Gasproduzenten. So steigt die Verschuldung der Unternehmen um 10% die der OPEC Staten um 11% und die der restlichen Ölförderländer um 13% und der Schwellenländer um 20% ( Quelle BIZ )

    Der Staatshaushalt von Venezuela hängt zu 96% vom ölpreis ab

    Die Produzenten müssen auf Teufel komm raus pumpen um den Schuldendienst zu leisten

    Das Überangebot für das die US Shale Vorkommen mit Produktionskosten von 40$ der Taktgeber sind wird nach Einschätzung der EIA nicht sinken. Im Juni 2015 wird mit 13,6 Mill Barrel daraus gerechnet

    Erst unter 40$ ist mit einer Kürzung der Produktion zu rechnen

    Andererseits lohnen sich Investitionen in den Shale Oil Bereich ab 75 $

    Das werden dann wohl zukünftig die Grenzen sein in denen sich der ölpreis bewegen wird

    16:36 Uhr, 13.04. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • Duck
    Duck

    ...............und wie ordnet sich in diese Analyse die Entwicklung des Dollars ein ? dazu haben sie leider nichts geschrieben

    11:40 Uhr, 13.04. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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