Kommentar
18:00 Uhr, 09.06.2014

Notenbanken in der Liquiditätsfalle - eine alternative Erklärung für die niedrige Inflation

Warum kommt die offizielle Inflationsrate nicht in Schwung? Ist die verabreichte Medizin falsch oder sind die Notenbanken nicht konsequent genug?

Die Inflation kommt nicht vom Fleck, und wie man an der 10-jährigen Breakeven-Rate ablesen kann, rechnen die Märkte trotz aller Anstrengungen der Notenbanken langfristig auch nicht mehr mit einem Auftrieb bei den Preisen.

Es gibt mehrere Möglichkeiten diese “niedrige“ Inflation zu erklären. Eine wäre zum Beispiel das kontraproduktive Inflationsziel der Federal Reserve von 2%. Was nützen denn all die Verrenkungen mittels Niedrigzinsen und Quantitative Easing, wenn die Zentralbank gleichzeitig bekräftigt, dass keine überbordende Inflation zugelassen wird? Paul Krugman ist beispielsweise so einer, der an diesem Paradox fast verzweifelt und geradezu darum bettelt, diese Verankerung doch bitteschön endlich aufzugeben.

Eine andere Erklärung hatte im letzten Jahr Yi Wen, ein Ökonom der Zentralbank von St.Louis ins Spiel gebracht , welche letzte Woche neu zirkuliert wurde:

Wenn die Injektionen der Zentralbank wie derzeit über Ankäufe im großen Stil durchgeführt werden, sinken die Zinsen über das gesamte Spektrum der Laufzeiten. Dieser Umstand macht das Horten von Cash attraktiv, weil gleichzeitig mit den Renditen die Opportunitätskosten von Bargeld – die entgangenen Erlöse, ebenfalls Richtung Null tendieren.

In einer unsicheren Umgebung also, in welcher Zinsen kaum mehr existent sind, und Risiken zunehmend in der Gefahr stehen falsch eingepreist zu werden, kann man es dem rationalen und auf Sicherheit bedachten Investor alles andere als verübeln, wenn er von weitgehend renditebefreiten Anleihen in bombensichere Dollarscheine umschichtet und damit deflationäre Tendenzen begünstigt.

Dieser Prozess ist zu allem Übel selbstverstärkend: Je mehr Bargeld gehortet wird, desto mehr Druck entsteht auf die Inflation. Dies wiederum zwingt die Notenbank zum weiteren Absenken der Zinsen am langen Ende, mit allen den zuvor beschriebenen Folgen..

Yi Wen spricht sich deshalb für die Kopfstellung der gesamte Geldpolitik aus. Einmal müssen die Zinsen hochgeschraubt werden, um die Inflationserwartungen der Marktteilnehmer glaubhaft zu erhöhen. Des Weiteren ist es notwendig, dass die Ankaufprogramme umgekehrt werden um Anleihen wieder attraktiv zu machen, und dadurch die Umschichtung von Bargeld in Wertpapiere zu forcieren.

Zugegebenermaßen hört sich die Theorie wie ein schlechter Scherz an. Wurde die Geldpolitik der letzten Jahre, und eines der größten Experimente der Menschheitsgeschichte Männern und Frauen mit den falschen Rezepten überlassen? Das wäre gewaltiger Sprengstoff, allerdings muss man auch klar sagen, dass die hier formulierte Theorie nicht der Mehrheitsmeinung entspricht.

Alles nach wie vor unklar also, warum also überhaupt groß Worte verlieren?

Ich finde es erstaunlich, wie weiterhin unklar grundlegende Zusammenhänge in der Makro-Ökonomie zu sein scheinen.

Ich halte es weiter mindestens bedenklich, dass die aktuellen Notenbanker trotz ihrer souveränen Wortgewalt, möglicherweise nur limitierte Übersicht über die Mechanik ihres Tuns haben.

Der hoch angesehene Ökonom Noah Smith (welcher ähnlich wie Yi Wen die Politik der Notenbanken teilweise in Frage stellt) hat letzte Woche übrigens einen Meinungsbeitrag auf „Bloomberg View“ darüber veröffentlicht, wie bemerkenswert wenig Fortschritte die Ökonomen-Zunft bei der Beantwortung der drängenden Fragen unserer Zeit gemacht hat und zitiert dabei John Cochrane, von der University of Chicago:


Why are we stagnating? I don’t know. I don’t think anyone knows, really...Nothing on the conventional macro policy agenda reflects a clue why we’re stagnating...

Simon Hauser

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12 Kommentare

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  • Jason
    Jason

    Irgendwann habe ich im BWl-Studium mal gelernt, dass der Aktionär für sein Kapital welches er bereitstellt eine Risikoprämie (Dividende) erwartet. Aber das wird bei den ganzen amerikanischen Erzkapitalisten offenbar nicht gelehrt :-)

    16:14 Uhr, 10.06. 2014
  • Simon Hauser
    Simon Hauser Redakteur

    Anbei ein Chart, der die Bargeld-Hortung von US-Firmen (non-financial) visualisiert, und die These von Yi Wen unterstreicht.

    Die Wirtschaft in ihrer Gesamtheit benötigt gar keine billigen Investitionskredite.

    Wie Investor schon sagte liegt allerdings viel von dem Geld im Ausland, man muss nur Anreize schaffen es zurückzuholen.

    http://www.stlouisfed.org/publications/re/2013/a/i...

    15:54 Uhr, 10.06. 2014
    1 Antwort anzeigen
  • Senator73
    Senator73

    Die Inflation kommt einfach kaum beim Verbraucher an... wo sind signifikante Preissteigerungen spürbar? Z.B. bei Immobilien/Miete...

    Solange durch das Niedrigzinsszenario Assets begünstigt werden, die vor allem von Menschen gehalten werden, die bereits tendenziell eher zu den Wohlhabenden zählen, wird die Inflation wohl kaum in Gang kommen. Es müsste auf breiter Basis mehr konsumiert werden, damit höhere Preise möglich sind.

    Solange Emil aus Charlottenburg mit seinen drei Häusern einfach ein bisschen mehr auf die Seite legen kann, weil die Mieten steigen, wird die Flasche Champus extra, die er dann gerade noch schafft, nicht dazu führen, dass eine höhere Nachfrage und demzufolge höhere Preise drin sind...

    11:28 Uhr, 10.06. 2014
  • student
    student

    Nach dem 2ten Weltkrieg hat Deutschland es geschafft, durch ein soziales Sicherungssystem zur Erhaltung der Arbeitskraft und der Renten, zusammen mit einer harmonischen Feinabstimmung von deutschem Wirtschaftswachstum und Geldmenge zu den reichsten 10 Ländern der Welt aufzusteigen. Die Lohnsteigerungen in der Zeit und Mauerfall und Aufgabe der DMark haben durch Konsum von Waren und Dienstleistungen der Industrie dem Wohl der Allgemeinheit gedient. Stakeholder value war Konsens.

    Der Neoliberalismus mit seinem Märchen von der unsichtbaren Hand des Marktes, der in Wirklichkeit nur die geballte Faust des Stärkeren kaschiert, shareholder value und Gewinnmaximierung von wenigen war die Devise. Der Kündigungsschutz wurde in Stücke gerissen - diese Arbeitsplatzgarantie ist aber gleichbedeutend mit Kreditwürdigkeit, die daraufhin massiv eingebrochen ist. Indem wir die eigene Währung zugunsten von wenigen globalen Unternehmen aufgegeben haben, die das Allgemeinwohl mit Füßen treten und die Bevölkerung systematisch mit Niedriglöhnen und wertlosen toxischen Wertpapieren ausbeuten, dauert der Abbau von Wohlstand jetzt 25 bis 30 Jahre.

    Solange kein Kurswechsel zurück zu den wirtschaftlichen Prinzipien des allgemeinen Wohlstands und des Stakeholder values erfolgt, werden wir die neoliberale Medizin bis zur totalen Verschuldung und Verarmung nehmen müssen.

    22:22 Uhr, 09.06. 2014
    1 Antwort anzeigen
  • Investor
    Investor

    @Simon Hauser,

    ich hätte eine einfachere Erklärung.

    Banken haben eine relativ hohe Kostenrate. Ich habe jetzt nicht die aktuellen Zahlen zur Hand, aber bei einem Zinssatz von rd 5% waren dies rd 60%.

    Wie sieht die Rechnung für die Bank aus? Sie kann "sichere" Staatsanleihen kaufen, die nicht mit Eigenkapital unterlegt werden müssen, oder Kredite vergeben. Wenn Kredite vergeben werden, dann müssen die Zinsen die Gewinn, das Ausfallrisiko und die Eigenkapitalrendite abdecken. Bei den niedrigen Zinsen ist die Rendite in die Anleihen höher. Dies ist auch von den Zentralbanken so gewünscht.

    Was für diese Erklärung spricht, ist zB die Umlaufgeschwindigkeit M2 des Geldes (siehe FED St Louis Statistik), die seit QE stetig gesunken ist. Damit entfallen die Haushalte und die investionen der Klein- und Mittelbetriebe als Wirtschaftstreiber.

    Parallel dazu machen die Unternehmen über 60% der Gewinne im Ausland (S&P 500 Firmen). Wegen der Steuergesetzte bleiben die Gewinne im Ausland und sorgen für eine Entkopplung der Unternehmenswinne zu Wirtschaftswachstum.

    Aus meiner Sicht kann man die beiden Probleme nur wie folgt lösen:

    1. Reduzierter Steuersatz für Unternehmensgewinne die in das Land des Unternehmenssitzes zurückübertragen werden und in spezielle Investionsprojekte (zB Infrastruktur) investiert werden.

    2. Erhöhung der Zinsen, damit die Banken rentierliche Kredite vergeben können.

    3. Gleichzeitig werden die Zentralbanken Staatsanleihen direkt kaufen müssen, damit die Staaten nicht pleite gehen. Höhere Zinsen hätten auch bei den Staaten den Vorteil, daß diese vermehrt Strukturreformen durchführen müsstenn.

    Langfristig werden Investionen gebraucht, um die Schulden zu reduzieren und dies wird nur mit höheren Zinsen gelingen.

    18:26 Uhr, 09.06. 2014
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Simon Hauser
Simon Hauser
Redakteur

Simon Hauser hält für Guidants News die Stellung in North Carolina und sendet aus sicherer Entfernung zur Wall Street Echtzeitnachrichten in die Welt. Leider spielen die Kennzahlen der Wirtschaftsteilnehmer oft nur eine untergeordnete Rolle und werden dominiert von einem hysterischen Medienzirkus, punktundkommalosem Zentralbank-Blubber, und mysteriösen Algo-Kreaturen. Simon Hauser hat über die Jahre als aktiver Börsenteilnehmer ein krudes Interesse für diese Dinge, welche in einer perfekten Welt eigentlich keine Rolle spielen sollten entwickelt, und versucht (mit wechselndem Erfolg) zu ergründen was die Kurse wirklich treibt.

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