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17:25 Uhr, 14.03.2022

Normalisiert sich der Erdgasmarkt?

Was hat den heutigen Preiseinbruch ausgelöst? Erstens hat sich die Menge an Flüssiggaslieferungen in europäische Häfen erhöht. Zudem sorgt das milde Wetter dafür, dass sich die Füllstände der Gasspeicher nicht weiter leerten.

München (Godmode-Trader.de) - EconPol warnt: Ein Stopp russischer Energielieferungen könnte für Deutschland einen Einbruch von bis zu drei Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung bedeuten, so die Schätzung des ifo-Forschungsnetzwerks. „Deutschland sollte die Abhängigkeit von russischem Gas schnell und entschlossen reduzieren. Ohne entsprechende Maßnahmen heute laufen wir Gefahr, im kommenden Winter erpressbar zu werden", sagte Karen Pittel, Leiterin des ifo-Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen, am Montag. Die russischen Gasimporte zu ersetzen, sei schwierig, heißt es in der EconPol-Studie. Mit Atomenergie und Kohle und Gasimporten aus anderen Ländern ließe sich das Defizit kurzfristig nur zum Teil ausgleichen.

Die Abhängigkeit Europas vom russischen Brennstoff ist der wichtigste Grund, warum die europäischen Erdgaspreise nach dem Einmarsch der Russen in die Ukraine so ausgeprägt in die Höhe schossen. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums liegt der Anteil russischer Importe an den fossilen Gasimporten beispielsweise nach Deutschland bei rund 55 Prozent.

Zu Wochenbeginn kam es auf dem Gasmarkt wenigstens zu etwas Entspannung. Der europäische Gaspreis TFF sank am Montag zuletzt um gut 12 Prozent auf 113,93 Euro für die Megawattstunde. Im Vergleich zu den 212 Euro, die vor genau einer Woche am Gasmarkt berappt werden mussten, hat der Preis aber um rund 55 Prozent nachgegeben. Dennoch bleibt Erdgas sehr teuer. Seit dem Jahr 2007 bis Mitte 2021 hatte der durchschnittliche Preis je Megawattstunde zu keinem Zeitpunkt mehr als 40 Euro gekostet.

Zwei Gründe sind für den heutigen Preiseinbruch verantwortlich: Erstens hat sich die Menge an Flüssiggaslieferungen in europäische Häfen erhöht. Zudem sorgt das milde Wetter dafür, dass sich die Füllstände der Gasspeicher nicht weiter leerten.

An dieser Stelle will die Regierung ohnehin nachhelfen. Das Projekt eines Aufbaus einer nationalen Gasreserve in Deutschland soll laut Wirtschaftsminister Robert Habeck spätestens zum 1. Mai wirken. Dies sei nötig, damit das komplette Sommerhalbjahr zur Befüllung der Speicher zur Verfügung stehe, heißt es in einem Papier des Wirtschaftsministeriums. Dazu soll der sogenannte Marktgebietsverantwortliche, eine Tochtergesellschaft aller Gaspipeline-Betreiber in Deutschland, verpflichtet werden, die Gasspeicher schrittweise bis auf 90 Prozent zum 1. Dezember 2022 zu füllen. Zum 1. August soll der Füllstand 65 Prozent erreichen, zum 1. Oktober 80 Prozent.

Mit der Gasreserve soll sichergestellt sein, dass die Gasspeicher immer ausreichend befüllt sind, wie bereits aus Eckpunkten für ein Gesetz hervorging. Die Füllstände der Speicher seien in diesem Winter historisch niedrig gewesen. Dies gilt besonders für die Speicher des russischen Staatskonzerns Gazprom, wie es hieß. Auch deswegen seien die Preise an den kurzfristigen Handelsplätzen stark gestiegen.

Deutschland hat seit 2014 für Lieferungen von Gas, Kohle und Ö rund 170 Mrd. Euro nach Russland überwiesen. Der Großteil davon entfiel auf Importe von Rohöl und Erdgas, wie aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage von Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch hervorgeht. Bartsch sagte der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf das Geld, eine Konsequenz daraus müsse lauten, die Erneuerbaren Energien massiv auszubauen. „Es ist doch völlig absurd: Erst überweist Deutschland mehr als 170 Milliarden nach Russland und im Anschluss will die Bundesregierung 100 Milliarden in die Aufrüstung stecken, um sich vor seinem Lieferanten zu schützen.“

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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