Kommentar
06:47 Uhr, 08.10.2018

Neuauflage der Eurokrise droht: Man darf Angst haben!

Die Notenbanken haben ihr Pulver verschossen. Wie also soll und kann man der nächsten Krise begegnen? Wir könnten es bald herausfinden.

In den USA läuft alles am Schnürchen. In Europa ist das weniger der Fall. Hier ziehen dunkle Wolken auf. Über Italien hatte ich bereits an anderer Stelle berichtet. Hier drohen hohe Staatsausgaben die fragile Stabilität der Eurozone zu gefährden. Aber auch ohne Italien ist die Lage nicht gut.

Die Stimmung in der Industrie hat eine Trendwende vollzogen (Grafik 1). Fairerweise muss man sagen, dass die Stimmung immer noch gut ist. Im Vergleich zu den letzten Jahrzehnten war sie außergewöhnlich gut. Eine Abkühlung ist nachvollziehbar. Das Problem: Trendwenden wie jetzt endeten immer in einem Abschwung. Es gab in den letzten dreieinhalb Jahrzehnten keinen einzigen Fall, in dem eine so klare Trendwende ohne Abschwung endete.

Es ist auch nicht nur die Industrie, deren Stimmung im Rückwärtsgang ist. Auch Verbraucher waren schon besser gelaunt (Grafik 2). Nach einem relativ synchronem Aufschwung, kommt jetzt die Ernüchterung. Industrie und Verbraucher vollziehen eine klare Trendwende im Sentiment.

Das ist ein klarer Hinweis auf ein mögliches Ende des Aufschwungs. Ausgemachte Sache ist ein Abschwung nicht. Historisch betrachtet ist er wahrscheinlich, aber man soll ja niemals nie sagen. Hoffnung allein reicht aber nicht als Strategie.

Mit etwas Pessimismus kann man sagen, dass die Rezession in Europa vor der Tür steht. Und dann? Die EZB hat ihr Pulver verschossen. Sie wird das QE-Programm beenden. Dafür gibt es mehrere Gründe. Einerseits hält sie es nicht mehr für notwendig, andererseits kommt das Programm auch rechtlich an seine Grenzen.

Trotz aller Interpretationsakrobatik ist es der EZB nicht erlaubt, Staaten zu finanzieren. Hier kommt die EZB so langsam in Erklärungsnot. Auch die selbstauferlegten Grenzen sind erreicht (Grenzen in Bezug auf wie viel die EZB an einzelnen Anleihen kaufen darf).

Politisch wird es sehr schwierig sein, neue Interventionen bei der bereits aufgeblähten Bilanz durchzusetzen. Zinsen können nicht gesenkt werden. Sie sind bereits bei 0 % oder teils darunter. Es gibt zwar kein Gesetz gegen Negativzinsen, aber will die EZB die Banken nicht in die Insolvenz treiben, sind ihr die Hände gebunden. Kurz gesagt: die EZB kann nichts mehr tun.

Und jetzt droht ein Abschwung und eine Neuauflage der Eurokrise. Es wäre naiv, sich darauf zumindest gedanklich gar nicht vorzubereiten, denn auch den meisten Regierungen sind die Hände gebunden. Rekordhohe Verschuldung macht großangelegte Konjunkturprogramme unwahrscheinlich.

Europa wäre einer Rezession fast hilflos ausgeliefert. Was bleibt da noch? Eigentlich doch nur wieder die Hoffnung. Persönlich habe ich die Hoffnung, dass der Abschwung nur eine kleine Wachstumsdelle wird und keine ausgewachsene Rezession. Dann kommen wir noch einmal mit einem blauen Auge davon.

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9 Kommentare

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  • new-agens
    new-agens

    Einfallswinkel=Ausfallswinkel oder: Gegenwirkungsprinzip nach Newton. Heißt: Wer Schei*** baut, kann auch nur Schei*** als Reaktion erwarten. Normale Zeiten mit den üblichen Katgeorien Deflation/Inflation etc. stehen uns nicht ins Haus. Rechne am ehesten noch mit Stagflation, müssen wir schauen, was die Politik macht. Die Sache mit den kurzen Beinen politischer Börsen kann man m.E. vergessen. Dafür geht´s aktuell zu sehr ans Eingemachte, auch wenn das 99% unserer amerikanischen Freunde scheinbar noch nicht verinnerlicht haben. Deren potenzielle Fallhöhe raubt mir schlichtweg den Atem.

    11:36 Uhr, 08.10.2018
  • No Panik
    No Panik

    Lösung ?: wie in Japan, es scheint immer noch eine Möglichkeit zu geben.

    11:35 Uhr, 08.10.2018
  • Firmin
    Firmin

    Falls die EZB die Zinsensenkt, dann wird der Markt auch kippen, weil die Banken einbrechen würden.

    Der Akrien-Markt reguliert sich von alleine, Korrekturen sind nur gesund und gehören dazu.

    10:16 Uhr, 08.10.2018
  • 1 Antwort anzeigen
  • maierbcn
    maierbcn

    Sehr gute Reflexionen !😀

    07:05 Uhr, 08.10.2018

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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