Kommentar
15:50 Uhr, 18.03.2021

Nachhaltigkeit hat ihren Preis

Wenn Unternehmen nachhaltiger werden, kann es nur Gewinner geben. Nicht wenige Investoren sind davon überzeugt. Bei höheren Löhnen, so heißt es, steigen Absatz und Produktivität, sodass die Kosten sinken. Und weniger CO2-Emissionen würden nicht nur unserem Planeten nützen, sondern auch den Unternehmensgewinnen.

Aber leider ist alles ganz anders. Nachhaltigkeit gibt es nicht umsonst. Wenn ein Unternehmen nachhaltiger werden soll, kann das eine große Herausforderung sein. Selbst Insolvenzen sind nicht auszuschließen.

Mehr Tempo

Bekannte Langfristtrends wie Digitalisierung, Cloud-Computing und Homeoffice nahmen durch Corona Fahrt auf. Aber auch weniger offensichtliche Entwicklungen wie Vereinsamung, ungleiche Vermögensverteilung und nicht zuletzt der Anlegerwunsch nach sozial verantwortlichen Unternehmen wurden wichtiger.

Die Mittelzuflüsse von Fonds zeigen deutlich, dass Anleger immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit legen. Noch interessanter finden wir aber, dass auch die Unternehmen dies zunehmend erkennen. Im Jahr 2020 sprachen sehr viel mehr S&P-500-Unternehmen in ihren vierteljährlichen Telefonkonferenzen von sozialer Unternehmensverantwortung (CSR) als zuvor. Betrachtet man die Zahl internationaler Unternehmen, die in den Telefonkonferenzen eines der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) erwähnten, auf die sich die UN-Generalversammlung 2015 verständigt hat, ist der Zuwachs ähnlich hoch. (Siehe Abbildungen im Anhang)

Es gibt viele Gründe, weshalb die Zivilgesellschaft, Regierungen und Interessengruppen Nachhaltigkeitsthemen ernst nehmen. Der wichtigste Grund ist die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Wenn der Klimawandel aus dem Ruder läuft oder die Einkommen immer ungleicher werden, kann das katastrophale Folgen haben.

Für uns ist aber noch etwas anderes wichtig: die neuen Reaktionsmuster der Unternehmen. Weil die Investoren heute nachhaltige Geschäftspraktiken einfordern, reagieren die Geschäftsleitungen allmählich. Das ist wichtig. Sehr sogar.

Auf die Relevanz kommt es an

Für manche Unternehmen ist Nachhaltigkeit eine große Chance, für andere ein weiteres Risiko. Die langfristigen Unternehmenswerte entwickeln sich daher stark auseinander. In der aktuellen Diskussion wird die finanzielle Relevanz aber weitgehend ausgeblendet, trotz ihrer unbestreitbaren Auswirkungen auf die Wertpapierkurse.

Eine deutliche Anhebung des US-Mindestlohns würde etliche Geschäftsmodelle infrage stellen und vor allem für Einzelhändler eine große Herausforderung sein. Wenn schon beim aktuellen Mindestlohn von 7,25 US-Dollar irritierend viele Geschäfte aufgeben müssen, scheinen sie bei 15 US-Dollar kaum überlebensfähig. Manche Einzelhändler werden dank besonderer Wettbewerbsvorteile oder anderer Stärken damit zurechtkommen können – und einige haben trotz Corona ja auch schon Boni und Gehälter erhöht. Viele andere werden aber enorme Rentabilitätsprobleme bekommen.

Groß sind auch die Herausforderungen für Erzeuger und Nutzer fossiler Brennstoffe. Im Ölsektor hoffen nicht wenige auf die wachsende Mittelschicht in den Emerging Markets. Sie glauben, dass steigende Einkommen für neue Nachfrage sorgen, sodass der Status quo gesichert ist. Allerdings entfallen über zwei Drittel der Ölnachfrage auf Autos mit Verbrennungsmotoren – eine Antriebsart, die wohl schon bald Geschichte ist. Schwerfällige Konzerne, die solchen Wandel nur langsam erkennen, statt schnell zu reagieren, dürften kaum zukunftsfähig sein.

Eines hat sich in den letzten 100 Jahren klar gezeigt: Bei neuen, disruptiven Technologien haben es die alten Platzhirsche schwer. Der Nachhaltigkeitstrend hat eine enorme Kraft, ähnlich der industriellen Revolution und dem Internet, und wird Gesellschaft und Investmentwelt auf Jahrzehnte prägen. Doch Nachhaltigkeit hat ihren Preis. Es wird Gewinner geben, aber auch große Verlierer. Und weil der Paradigmenwechsel in eine Zeit mit extrem niedrigen Risikoprämien fällt, ist eine kluge Kapitalanlage umso wichtiger.

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