Mutiger EZB-Entscheid
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Noch vor wenigen Tagen lag die Wahrscheinlichkeit für einen Zinsschritt bei weniger als 40 %. Erfahrungsgemäß handeln Notenbanken nur ungern gegen die Erwartungen. Das führt zu Verwerfungen und hoher Volatilität. Mit der zuvor durchgesickerten Inflationsprognose, die einen Anstieg zeigt, stieg die Wahrscheinlichkeit sprunghaft über 50 %. Der Zinsschritt kam nicht mehr überraschend, wenn auch mit wenig Vorankündigung.
Die Inflationsprognose für 2023 und 2024 wurde erneut angehoben. Die Kerninflation für 2023 bleibt unverändert, wurde aber für 2024 und 2025 nach unten revidiert. Dies dürfte vor allem dem tieferen Wirtschaftswachstum geschuldet sein, welches nun erwartet wird (Grafik 1).
Die Wachstumsprognose dürfte noch einiges an Zweckoptimismus enthalten. Im ersten und zweiten Quartal 2023 ist die Wirtschaft der Eurozone um je 0,1 % gewachsen. Wie bei sich eintrübendem Ausblick die Wirtschaft bis Jahresende noch 0,5 % wachsen soll, weiß wohl nur die EZB selbst. 2023 ist bestenfalls ein Jahr der Stagnation.
Dass die EZB die Zinsen dennoch anhebt, ist daher mutig. Sie schreckt nicht davor zurück, in eine Wachstumsschwäche hinein die Zinsen anzuheben. Im Gegensatz zu den USA schlägt die Zinspolitik in Europa schneller auf die Wirtschaft durch. Kreditzinsen sind schnell gestiegen. Viele Unternehmen sind auf Bankkredite angewiesen und sitzen nicht wie US-Firmen auf hohen Barreserven. Höhere Zinsen kommen schneller an.
Hohe Zinsen sind nicht das einzige Problem. Auch die Geldmenge wird reduziert. Diese ist schneller als in den USA gesunken, da die EZB über das Ende von Langfristrefinanzierungsgeschäften schnell sehr viel Liquidität abziehen konnte. Über eine Billion EUR an Liquidität wurden so abgezogen. Das ist mehr als in den USA über einen längeren Zeitraum.
Liquidität wirkt nicht nur auf den Aktienmarkt, sondern auch auf die Gesamtwirtschaft. Die Geldmengenentwicklung geht der Wirtschaft um einige Quartale voraus. Nach einer kurzen Stabilisierung in diesen Wochen droht durch den Liquiditätsentzug erneuter Gegenwind. Die jüngste Stabilisierung von Einkaufsmanagerindizes auf niedrigem Niveau im Rezessionsbereich ist nur eine Verschnaufpause (Grafik 2).
Auch der Aktienmarkt ist zur Liquiditätsentwicklung korreliert (Grafik 3). In den vergangenen Wochen konnte sich der DAX loslösen. Ob das auch zukünftig gelingen wird, bleibt abzuwarten. Dass Indizes nicht nur in Deutschland trotz Rezession in der Nähe der Allzeithochs stehen, ist ungewöhnlich. Das macht nur Sinn, wenn ab 2024 wieder kräftiges Wachstum erwartet wird.
Da selbst die EZB im kommenden Jahr nur noch 1 % Wachstum erwartet und der Wille zu hohen Zinsen unter Beweis gestellt wurde, ist eher von einem weiteren Stagnationsjahr auszugehen. Kurzfristig stört das Anleger nicht. Wichtiger ist die Erkenntnis, dass die EZB sehr nah am Ende der Zinserhöhungen ist. Das ändert am verhaltenen Wirtschaftsausblick nichts und dieser wird den Weg in die Kurse noch finden.
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