Kommentar
14:33 Uhr, 11.02.2020

Momentum hui, Value pfui

Womit konnte man in den vergangenen Jahren eine Überrendite am Aktienmarkt erzielen? Man musste einfach die Gewinneraktien der Vergangenheit kaufen.

Erwähnte Instrumente

  • iShares Core MSCI World UCITS ETF USD (Acc) - WKN: A0RPWH - ISIN: IE00B4L5Y983 - Kurs: 59,545 € (Stuttgart)

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Geld am Aktienmarkt zu verdienen. Wer es bequem mag, investiert einfach über einen ETF in einen marktbreiten Index wie den MSCI World oder den S&P 500. Das nennt man passives Investieren und dieser Ansatz hat viele Befürworter gerade auch aus dem akademischen Umfeld. Wer es sich zutraut, durch aktive Anlageentscheidungen eine Überrendite zu erzielen, wählt gezielt Einzelaktien aus ("Stockpicking") oder versucht durch "Market Timing", also das Timing von Kauf- und Verkaufsentscheidungen, besser abzuschneiden als der Gesamtmarkt. Eine dritte Möglichkeit, die in den vergangenen Jahren immer populärer wurde, versucht die Vorteile aus beiden Welten zu vereinen. Beim sogenannten "Factor Investing" werden, wie beim passiven Investieren, einfach Indizes nachgebildet. In diesen Indizes werden die Einzelwerte allerdings nicht anhand von Marktkapitalisierung oder Börsenumsatz ausgewählt und gewichtet, sondern anhand anderer Faktoren, die eine Überrendite ermöglichen sollen.

Im Idealfall ermöglicht das Factor Investing auch risikobereinigt Überrenditen gegenüber dem Gesamtmarkt, lässt sich aber trotzdem bequem und kostengünstig über ETFs umsetzen. In der Wissenschaft wurde inzwischen ein ganzer "Zoo" an Faktoren identifiziert, die eine systematísche Überrendite ermöglichen sollen. Ein Übersichtsartikel aus dem Jahr 2019 kommt auf insgesamt 150 solcher Faktoren, die im Backtest auch nach Transaktionskosten noch profitabel sind (Link: Taming the Factor Zoo: A Test of New Factors von Guanhao Feng, Stefano Giglio und Dacheng Xiu). In der Praxis umsetzbar über ETFs sind aber bisher kaum mehr als eine Handvoll der Faktoren.

Der folgende Chart vergleicht die Performance einiger Faktor-ETFs des führenden ETF-Anbieters iShares seit Anfang 2015. Sämtliche ETFs beziehen sich auf die Aktienmärkte der Industrieländer, die im MSCI World Index enthalten sind. Der ETF auf den MSCI World Index selbst ist blau abgebildet, bei den anderen Linien handelt es sich um Faktor-ETFs.

Vergleich verschiedener Faktor-ETFs seit Anfang 2015
Statischer Chart
Live-Chart
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    L&S
    VerkaufenKaufen

Wer einfach passiv in den ETF auf den MSCI World ("Gesamtmarkt") investierte, konnte sich seit Anfang 2015 über ein Plus von rund 70,9 Prozent bzw. annualisiert 11,0 Prozent freuen. Eine bessere Performance war mit drei Faktor-ETFs möglich, während zwei der Faktor-ETFs schlechter abschnitten als der Gesamtmarkt.

Der Momentum-ETF, in dem Aktien aus dem MSCI World enthalten sind, die auf Sicht der vorherigen 6 und 12 Monate eine besonders gute Performance hatten, brachte es auf ein Plus von 99,3 Prozent, was einer jährlichen Rendite von 14,4 Prozent bzw. einer Überrendite von 3,4 Prozent gegenüber dem Gesamtmarkt entsprach. Damit war der Momentum-Ansatz, bei dem man einfach auf die Gewinneraktien der Vergangenheit setzt, seit Anfang 2015 das am besten funktionierende "Rezept" für eine Überrendite am Aktienmarkt.

Ebenfalls etwas besser als der Gesamtmarkt schnitten die Ansätze "Quality" (qualitativ hochwertige Unternehmen, die sich zum Beispiel durch eine geringe Verschuldung auszeichnen) und "Minimum Volatility" (schwankungsarme Aktien) aus, bei denen sich die Überrendite gegenüber dem MSCI World allerdings auf weniger als ein Prozent jährlich belief.

Schlechter als der MSCI World schnitten die Faktoren "Size" (geringe Marktkapitalisierung) und "Value" (fundamental günstig bewertete Aktien) ab.

ETF Performance seit Anfang 2015 Performance p.a.
Momentum 99,3 % 14,4 %
Quality 77,9 % 11,9 %
Minimum Volatility 73,9 % 11,4 %
MSCI World 70,9 % 11,0 %
Size 53,7 % 8,8 %
Value 42,2 % 7,1 %

Der Value-Faktor liefert tatsächlich bereits der Finanzkrise keine Überrendite gegenüber dem Gesamtmarkt mehr, jedenfalls dann nicht, wenn er (wie in den MSCI-World-Indizes) anhand fixer Kennzahlen wie dem Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) oder dem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) definiert wird und dabei andere Einflussfaktoren auf die Bewertung wie das Gewinnwachstum außer Acht gelassen werden.

Ob der Value-Faktor nach der langen Unterperformance vor einer Renaissance steht, ist umstritten. Viele Anhänger des Value-Investings rechnen fest damit und verweisen auf frühere Perioden wie die Zeit rund um die Internetblase zu Beginn des Jahrtausends, als mit Value-Aktien ebenfalls "kein Blumentopf" zu gewinnen war. Nach dem Platzen der Blase standen Value-Anleger aber schnell wieder besser da als der Rest der Anleger, die gehypte Internetaktien in ihren Depots hatten.

Auf Sicht der vergangenen fünf Jahre steht das Ergebnis aber fest: Es war viel lohnender, einfach in Gewinneraktien der jüngeren Vergangenheit zu investieren, als Aktien anhand fundamentaler Kennzahlen wie KBV oder KGV auszuwählen.


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8 Kommentare

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  • JürgneDax
    JürgneDax

    Die Telekom fusioniert Herr Baron

    14:59 Uhr, 11.02. 2020
    1 Antwort anzeigen
  • sonnyson
    sonnyson

    danke, sehr guter Artikel

    14:50 Uhr, 11.02. 2020
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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