Kommentar
10:38 Uhr, 23.01.2013

Mentale Risiken

Jeder der tradet weiß, dass man in diesem Geschäft Risiken eingehen muss, um erfolgreich sein zu können. Als erstes denkt man bei Risiken jedoch an Geldverluste. Doch im Börsenhandel gibt es weit mehr zu verlieren als Kapital. Selbstwert zum Beispiel, Vertrauen oder auch Ansehen, sprich innere Stabilität. Und davon kann man im Ernstfall nicht einfach schnell mal etwas „nachschießen“, wie Einzahlungen auf das eigene Konto auch genannt werden. Zudem dauert es länger als eine Banküberweisung, dieses Mangelgefühl in ausreichendem Maße wieder zurück zu erlangen. Wem der Glaube an sich selbst oder der Sache abhanden gekommen ist, braucht mitunter Tage um wieder ausreichend Balance für ein entspanntes Trading zu finden. Manche benötigen gar Wochen, Monate, oder erholen sich nie von einem schweren Trauma dieser Art. Solche Instabilitäten können durch unterschiedlichste Ereignisse ausgelöst werden. Deshalb lohnt es sich, einen genaueren Blick auf diesen Aspekt des Tradings zu richten.

Wer andere beim Trading für sich denken lässt, wird nicht klüger

Gerade die Anfangszeiten erlebt man als Einsteiger oft als sehr belastend und frustrierend. Voller Elan wagt man die ersten Schritte in diesem verlockenden Business. Spielt ein wenig mit den Charts, macht Gewinne, verliert sie wieder und findet sich, schneller als gedacht, alsbald in einer Verlustspirale, die nicht selten mit dem Totalverlust auf dem Konto endet. Dann stellt man fest, dass es ohne ein profitables Handelssystem wohl nichts wird, wenn man den dauerhaften Erfolg erreichen möchte. Doch da die Mehrzahl der Akteure nicht weiß was sie tun, und obendrein immer wieder an den eigenen Begrenzungen scheitern, folgen sie den verlockenden Tipps von Profis, oder solchen, die sich dafür ausgeben. Doch wer andere beim Trading für sich denken lässt, wird selbst nicht klüger!

Irgendwann glaubt man, dass scheinbar alle in diesem Business die Lösung für schnelles Geld verdienen gefunden haben. Nur man selbst bleibt irgendwie auf der Strecke. Also entscheidet man sich verständlicherweise für eine einfache Lösung und justiert etwas an den wichtigen Stellschrauben des Tradings nach: erhöht das Geldrisiko, löscht Stopps, und tradet vielversprechende Setups unbedacht nach. Menschen neigen dazu sich für solche simplen Strategien zu entscheiden. Es ist quasi der Normalzustand. Denn durch Vereinfachungen spart das menschliche Gehirn enorm viel Energie. Ohne diesen Effekt wären wir maßlos überfordert. Für unser Trading kann dieser Sparmodus in unserem Kopf fatale Folgen haben! Meistens kommt es durch dieses Fehlverhalten nämlich zu noch größeren Verlusten und mentalen Irritationen. Schnell kommt dann Frust auf, Vertrauensverlust oder eine Minderung des Selbstwertgefühls. Irgendwann entsteht daraus vielleicht sogar die Empfindung von völliger Resignation. Dann entstehen Gedanken wie etwa diese: „Bin ich denn wirklich zu blöd um das einfache Rätsel Trading zu lösen? Alle behaupten doch, dass es so einfach geht!“.

Sich eingestehen, dass man nicht für das Trading geeignet ist, ist sehr schwer

Je mehr wir uns durch diese Umstände in den Tradingdschungel locken lassen, desto verzweifelter können wir werden. Und irgendwann kann der fatale Moment aufkommen, wo wir die wahren Gründe unseres Versagens nicht mehr erkennen. Oder uns sogar eingestehen müssen, dass wir eventuell gar nicht zum Traden geeignet sind, es nicht unsere Passion ist, oder wir nicht die benötigte Ausdauer mitbringen, die diese Herausforderung erfordert. Vor allem was die Bereiche Selbstreflexion und Persönlichkeitsveränderung anbelangen. Dann wird Trading zu einem Kampf mit dem eigenen Wollen und mit einem Gefühl von „Ich gebe mir doch nicht die Blöße jetzt mit dem Trading aufzuhören“. Insbesondere, wenn wir immer mehr und mehr Geld in das Vorhaben investiert haben und alleine deshalb meinen, nah am Ziel unserer Träume zu sein. Je intensiver dieses Gefühl von Versagen in uns Raum bekommt, desto mehr ersehenen wir den Erfolg, möchten wenigsten unser Geld zurück haben. Dann geht es aber längst nicht mehr ums Geld verdienen, sondern nur noch um das Besiegen der eigenen Unzulänglichkeiten. Ganz nach dem Motto „Wenn ich aufgebe, dann bin ich ein Versager“. Das würde schließlich bedeuten, man hat gleich zweimal verloren: das eingesetzte Kapital und seine Würde. Und so eine Niederlage möchten wir tunlichst vermeiden. Denn einen Teil unseres Selbstwertgefühls zu verlieren, empfänden wir als eine extreme Gefahr.

Beim Trading gilt es deshalb, diese Art Negativspirale unbedingt zu vermeiden. Denn dadurch programmieren wir unser Gehirn in höchstem Maße auf Misserfolg. Es werden dann die falschen Fähigkeiten in unserem Gehirn stabilisiert. Nämlich die, mentale Schwäche zu vermeiden, statt Gewinne sinnvoll zu ermöglichen. Durch solche Denk- und Verhaltensweisen erschweren wir uns den Tradingerfolg noch mehr. Das ist so, als würden wir versuchen Feuer mit Benzin zu löschen. Am Ende sind wir nämlich nur noch damit beschäftigt einen Kampf gewinnen zu wollen, den wir mit uns selber führen. Wie ein Boxer, der sich im Ring ständig selbst bekämpft und sich wundert, warum er denn nicht gewinnt. Wir sind in diesem Zustand nicht mehr auf das ausgerichtet, worum es wirklich auf dem Weg zum profitablen Trader gehen muss: nämlich, das wichtige Tradingfachwissen strukturiert zu verstehen, anzueignen und sich die dringend benötigten mentalen Kompetenzen gezielt anzutrainieren.

Zu solchen Selbstwert-Verlusten können auch Drawdowns zählen. Also die Momente, in denen das eigene System für einige Zeit keine Gewinne erwirtschaftet. Hierzu zählen Verlustphasen mit wenigen Minustrades ebenso wie Verluststrecken, die über Wochen oder gar Monate gehen können. Wer da nicht unterscheiden kann zwischen fachlich richtig und selbst verursacht, der könnte es schnell mit dieser mentalen Belastung zu tun bekommen.

Verluste können seelische Schmerzen verursachen

Ich bin überzeugt, das viele sich gar nicht bewusst über die Bedeutung und Einflussnahme dieses psychischen Risikos beim Traden im Klaren sind. Aber fragen Sie sich dazu gerne einmal selbst: Stehe ich zu all meinen Verlusten? Kann ich anderen gegen über offen und ehrlich von all meinen Verlusten erzählen, die ich beim Trading bisher schon gemacht habe? Weiß meine Familie wirklich wie viel ich schon für das Trading investiert habe? Stehen meine Tradingverluste zu meinen Vermögensverhältnissen? Kann ich meinen Freunden und meiner Familie sagen, dass ich beim Trading nicht zu den Gewinnern zähle?

Wenn Ihnen schon beim Lesen dieser Sätze etwas mulmig wird, dann haben Sie mit Sicherheit ein unbewusstes Thema damit. Und somit einen indirekten Einfluss auf Ihr aktives Trading. Sie handeln dann nicht nur mit Geldrisiken, sondern auch mit mentalen Risiken!

Trading kann seelische Schmerzen verursachen. In unserem Gehirn sind sie an der selben Stelle messbar wie der Verlust eines Arbeitsplatzes, oder eines geliebten Menschen. Und sie können zu den gleichen Beeinträchtigungen führen. Wer nicht geübt darin ist, diese mentalen Risiken als etwas Normales zu bewerten, wenn z.B. durch eine unvorhersehbare Situation das gesamtes Trading außer Kontrolle gerät, dann wird er bewusst oder unbewusst immerzu Angst vor dieser seelischen Schmerzgefahr haben. Sie können sich leicht vorstellen, dass das zu enormen Beeinflussungen beim Handeln an den Märkten führen kann, und sich selbstverständlich unweigerlich auf die Rendite auswirken wird.

Stellen Sie sich deshalb auch im Zusammenhang mit mentalen Risken zum Beispiel folgende Fragen: „Was kann ich anderen gegenüber an Kritik aushalten?“. „Wem gegenüber muss ich mich wann schämen?“. „Wann besteht die Gefahr, dass ich mein Ansehen verlieren könnte?“. „Was entspricht meiner Risikoneigung wirklich?“.

Wie Sie lernen können, mit menatalen Risiken umzugehen, erfahren Sie in meinem Buch, welches bereits nach acht Wochen ausverkauft war und nun in zweiter Auflage erscheint:

http://www.m-vg.de/finanzbuchverlag/shop/article/2970-tradingpsychologie-so-denken-und-handeln-die-profis

Angewandte Coachinghilfe finden Sie hier:

www.godmode-training.de

www.bettermind.de

Norman Welz

Angewandte Tradingpsychologie

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