Kommentar
09:18 Uhr, 05.07.2016

Megatrend alternde Gesellschaft

Dass unsere Gesellschaft altert ist nun wahrlich keine neue Erkenntnis. Aber genau darin liegt auch der Charme. Wenige Trends sind so klar zu prognostizieren, da ihre zukünftigen Umstände schon heute bekannt und vorhanden sind.

Wir wissen sehr genau, wie viele Menschen heute auf der Welt leben, die 30, 40 oder 50 Jahre alt sind. Wir können daher recht präzise abschätzen, wie viele 70, 80 oder 90-Jährige es in 40 Jahren geben wird. Eine solche Prognosesicherheit ist selten. Der Trend daher sehr langfristig prognostizierbar.

Und dieser Trend der alternden Gesellschaft hat zahlreiche Facetten, die einen detaillierteren Blick lohnen. Zum einen werden die Menschen nicht nur älter, sie bleiben auch länger fit und gesund. Neulich am Flughafen hing ein großes Plakat an der Wand, in dem sich ein weißhaariger, braungebrannter Senior aus seinem Segelboot leht. Darunter stand: „70, das neue 50“. Das trifft es ziemlich gut.

Galten Menschen mit 70 Jahren noch vor wenigen Jahrzehnten als alt und ausgemustert, ist das heute völlig auf den Kopf gestellt. Mit dem Eintritt in das Rentenalter (wo auch immer das künftig sein wird) beginnt heute für viele Menschen ein neuer spannender Lebensabschnitt, der voller Zukunftspläne und Aktivitäten steckt. Neue Partnerschaften werden eingegangen und die Banken beginnen Modelle zu entwickeln, die den immer zahlreicheren Senioren gerecht werden, die mit Ende 60 noch einmal ein neues Haus bauen wollen. Die Alterswahrnehmung hat sich um mindestens 15 Jahre nach hinten verschoben.

Mit der zunehmenden Zahl der aktiven Älteren wird sich das deutlich steigern, weil niemand gerne zum „alten Eisen“ gehört, wenn Gleichaltrige im eigenen Umfeld noch mopsfidel sind. Die medizinische und technologische Entwicklung unterstützt diese Entwicklung. Zahlreiche Industrien werden sich auf diese neuen Konsumenten einstellen müssen und wollen. Denn diese gelten als die Idealkunden. Sie gelten als „Time-Rich, Money-Rich!“. Sie haben Geld und Zeit es auszugeben. Reiseunternehmen stellen eine enorme Zunahme an Kreuzfahrten fest. Mobil, bequem, luxuriös, erlebnisreich und zugleich umsorgt. Die Automobilindustrie hat diese Zielgruppe im Visier als perfekte Zielgruppe für autonome Fahrzeuge. Wer selbst hinter dem Steuer unsicher ist, behält sich seine individuelle Mobilität mit einem solchen selbstfahrenden Auto bis in die letzten Lebensjahre…unfalllfrei!

Aber hier zeigt sich auch die Kehrseite. Auch wenn die gesunden und lebensaktiven Jahre immer mehr werden, kommt dennoch für eine zunehmende Anzahl Menschen eines Tages der Moment, an dem die Gesundheit eben doch nicht mehr mitspielt und man auf Hilfe angewiesen ist. Unsere Pflege- und Krankensysteme sind bereits jetzt jenseits der Kapazitätsgrenzen. Pflegeberufe sind hart und eine starke Belastung für Pflegende aber auch für den Gepflegten, der so viele Jahre ein selbstbestimmtes Leben geführt hat und nun jemanden braucht, der ihn bei den alltäglichsten und intimsten Handlungen unterstützt. Aber wo immer Probleme auftauchen, findet der Mensch – wenn auch manchmal langsam – eine Lösung. Diesmal geht es sogar mit Siebenmeilenstiefeln voran. Die Automation hält in der Alltagsunterstützung der Menschen dramatisch schnell Einzug.

Hierbei nur von „Pflege“ zu sprechen, wird dem Thema sicherlich nicht gerecht. Es beginnt mit Saug- und Wischrobotern. Wer nicht mehr in der Lage ist (oder einfach die Zeit sinnvoller nutzen möchte), der kann sich schon heute solche kleinen Helfer ins Haus holen. Ich habe selbst einen Staubsaugerroboter von Irobot zu Hause. Einem Hund, der ständig seine Haare verteilt wird auch die fleißigste Hausfrau irgendwann nicht mehr Herr. Aber dieser kleine Roboter schon. Mit unglaublicher Präzision saugt er ordentlich alle Flächen, verheddert sich nicht, lädt sich selbständig auf, fällt nirgends herunter und verringert die Arbeit die der Mensch hier noch selbst verrichten muß auf ein Minimum.

Doch die Schubladen der Entwicklungsbüros sind voller als die eigene Phantasie, was hier noch alles möglich ist oder sogar bereits realisiert wird. Schon heute gibt es HAL-Roboteranzüge. Das sind Exoskelette (außen liegende Skelette), mit denen Körperfunktionen stark unterstützt oder gleich ganz ersetzt werden. Hier werden im wahrsten Sinne Lahme gehend gemacht. Es ist klar, dass das nicht für jeden in Frage kommt und jedem gleichermaßen helfen kann, aber es gibt zahllose potentielle Anwendungsgebiete und Menschen, die ihrem Leben damit eine ganz neue selbstbestimmte Richtung geben können.

Die auch von mir sehr skeptisch gesehene Sprachsteuerung Siri und ihre Kollegen aus anderen Datendiensten kann nicht nur für Alzheimerpatienten ein Segen werden. Ein Ansprechpartner, die geduldig jede Frage auch zum 100sten Mal mit der gleichen Freundlichkeit beantwortet, der zuverlässig darauf hinweist, dass der Herd noch eingeschaltet ist..oder ihn gleich selbst deaktiviert. Ein Begleiter, der die Gesundheitswerte lückenloser überwacht als es jede Krankenschwester könnte und bei Bedarf selbständig eine Videokonferenz mit dem Hausarzt herstellt... Bei dem Gedanken an Pflegebedürftigkeit wird so mancher von uns mit Grauen daran denken, sich von anderen den Hintern reinigen zu lassen oder gewaschen zu werden.

Gerade für uns, die wir der Technik ohnehin bereits aufgeschlossener gegenüber stehen, ist doch hier eine Toilette, die das automatisch übernimmt und eine Dusche, die eine intelligente und individuelle Körperreinigung vornimmt, ein angenehmerer Gedanke, als dies von fremden Menschen erledigen zu lassen oder die eigenen Kinder damit zu belästigen. Die Technik wird hier einmal mehr zum Segen. Dass damit natürlich auch riesige Summen verdient werden können sollte dabei nicht als negativ gesehen werden. Es ist immer besser, mit guten und hilfreichen Dingen Geld zu verdienen, als mir schädlichen. Doch bevor wir uns persönlich mit den Pflegethemen beschäftigen wollen, freuen wir uns erst einmal auf die wunderbaren zusätzlichen Jahrzehnte als „Time-and Money-Rich“, auf die noch viele spannende und lebensfrohe Jahre warten.

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Ihr
Dirk Müller

2 Kommentare

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  • Unbedingt
    Unbedingt

    Da gibt es ja nicht nur die Alten und die Jungen, es gibt auch Reiche und Arme, Kranke und Gesunde, Halunken und Arglose, nicht zu vergessen die Leute, die sich während ihres Arbeitslebens geschont haben, damit sie mit 65 fit sind. Die kommen dann ins Fernsehen und auf die Werbeplakate, um allen anderen zu zeigen, dass sie etwas falsch gemacht haben.

    09:25 Uhr, 06.07.2016
  • Dax-Martin
    Dax-Martin

    Wo steht eigentlich in den Religionsbüchern, von denen nicht alle säkularisiert sind, dass Pensionen zu bezahlen sind? Seit wann finanziert das Religiöse in seiner Konservativität die Gleichberechtigung und wie werden die Konzerne in Zukunft global damit umgehen?

    21:51 Uhr, 05.07.2016

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Über den Experten

Dirk Müller
Dirk Müller
Börsen-Experte und Sachbuchautor

Dirk Müller ist Finanzexperte, mehrfacher Spiegel-Bestseller Autor, Politikberater, Vortragsredner, Gründer des Finanzinformationsdienstleisters Finanzethos GmbH mit dem Markenkern „Cashkurs.com“– und gilt als „Dolmetscher zwischen den Finanzmärkten und den Menschen außerhalb der Börse“. Sein Weg an der Börse begann 1992, wo er als amtlich vereidigter Kursmakler tätig war. Heute zählt er zu den bekanntesten Börsenexperten Deutschlands, woher auch sein von den Medien vergebener Spitzname „Mr. DAX“ rührt. Er ist Senator der Wirtschaft Deutschland und berät in unterschiedlichen Gremien in nationalen und internationalen politischen Angelegenheiten.

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