Lagarde: Geldpolitische Transmission könnte sich verändern
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Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones) - Die Europäische Zentralbank (EZB) rechnet nach den Worten ihrer Präsidentin Christine Lagarde damit, dass strukturelle wirtschaftliche Veränderungen die Wirksamkeit ihrer geldpolitischen Maßnahmen beeinflussen werden. Lagarde sagte bei einer Veranstaltung des Internationalen Währungsfonds (IWF) laut veröffentlichtem Text, dass diese Veränderungen sowohl eine stärkere als auch eine schwächere Transmission ihrer geldpolitischen Signale auslösen könnten. Während die Stagnation und Modifikation der Globalisierung die Wirkungen von Leitzinsveränderungen auf die Wirtschaft verstärken dürften, könnte die Digitalisierung sie abschwächen.
Folgende Entwicklungen lassen Lagarde zufolge eine stärkere beziehungsweise eine schwächere Transmission erwarten:
1. Lieferkettenverkürzung
Sowohl der Euroraum als auch die USA verkürzen ihre Lieferketten. "Wenn die Globalen Lieferketten kürzer oder weniger effizient werden, könnte sich der Zusammenhang zwischen inländischer Konjunkturschwäche und Inflation wieder verstärken", sagte Lagarde. Das könnte die Wirkung geldpolitischer Impulse verstärken.
2. Kapitalintensivierung
Die veränderte Weltordnung könnte zu mehr Investitionen in das heimische verarbeitende Gewerbe führen. Eine derartige Kapitalintensivierung (capital deepening) könnte die langfristige Verlagerung der Wirtschaftstätigkeit hin zu Dienstleistungen und die in den vergangenen Jahrzehnten allgemein beobachtete Verlangsamung der Kapitalintensivierung etwas abschwächen. "Im Gegenzug könnte die Kapitalintensivierung die Sensibilität der Wirtschaft für Zinsänderungen erhöhen, was die Wirksamkeit der monetären Transmission über den Zinskanal verstärken könnte", sagte die EZB-Präsidentin.
Diese Vorteile würden Lagarde zufolge aber wieder aufgehoben, wenn die Umstrukturierung der Lieferketten zu einer volatileren Inflation führen würde.
3. Digitalisierung
Die digitalen Märkte sind ein "The-winner-tages-it-all"-Umfeld, wie an der Handvoll "Hyperscaler" zu sehen ist, die digitale Plattformen und Cloud-Dienste dominieren. Laut Lagarde führt in den USA eine Erhöhung des Leitzinses um 100 Basispunkte dazu, dass ein Unternehmen mit niedriger Preissetzungsmacht nach vier Quartalen etwa 2 Prozent Umsatz einbüßt. Ein Unternehmen mit hohem Gewinnaufschlag hingegen reagiert auf dieselbe Änderung der Politik kaum mit Umsatzeinbußen.
"Diese geringere Empfindlichkeit ist wahrscheinlich auf die größeren Gewinne und Barreserven von Superstar-Unternehmen zurückzuführen, die sie weniger abhängig von den externen Finanzierungsbedingungen machen, die von der Geldpolitik beeinflusst werden", sagte Lagarde.
Für die EZB ergeben sich daraus nach Lagardes Aussagen zwei Schlussfolgerungen: Die Zentralbank wird im Rahmen ihrer anstehenden Strategieprüfung sehen, wie sie ihren analytischen Rahmen den neuen Gegebenheiten anpassen muss und dabei verstärkt Künstliche Intelligenz einsetzen kann. Sie wird außerdem versuchen, die Erfahrungen der Episoden zu hoher und zu niedriger Inflation in ihre Strategie einzuarbeiten.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
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