Kommentar
10:28 Uhr, 12.07.2022

Euro fällt auf Parität zum Dollar

Spekulatives Kapital flüchtet wegen der drohenden Energiekrise und der zögerlichen Reaktion der EZB auf die hohe Inflation weiter aus Europa. Zum ersten Mal seit rund 20 Jahren ist ein Euro nur noch so viel wert wie ein US-Dollar.

Erwähnte Instrumente

  • EUR/USD
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    Kursstand: 1,00080 $ (FOREX) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • EUR/USD - WKN: 965275 - ISIN: EU0009652759 - Kurs: 1,00080 $ (FOREX)

Zum ersten Mal seit Dezember 2002 ist der Euro-Wechselkurs am Dienstag kurzzeitig auf die Marke von 1,00 Dollar und damit auf die sogenannte Parität zum Dollar gefallen. Bei der Parität ist ein Euro genau einen Dollar wert ist. Seit der Nacht hatte sich der Euro der entscheidenden Marke mehrfach genähert, sich dann aber immer wieder etwas erholt. Gegen 10:19 Uhr war es dann soweit: Die Marke wurde auf Basis von fünf Nachkommastellen gemäß der Guidants-Kursdaten auf dem Handelsplatz Forex erstmals erreicht. Anschließend erholte sich der Euro aber wieder etwas. Je nach Kursdatenanbieter kann sich der Tiefstkurs geringfügig unterscheiden.

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Der aktuell rapide abwertende Euro ist zum einen Ausdruck einer schweren Wirtschaftskrise in Europa, die die Finanzmärkte für den Fall befürchten, dass Energieimporte aus Russland weitgehend ausbleiben. In diesem Fall könnte im kommenden Winter eine Energieknappheit in Europa drohen, bei der Gas und Strom u.a. für energieintensive Industriebetriebe möglicherweise eingeschränkt werden müssten.

Zugleich leidet die europäische Gemeinschaftswährung unter der vergleichsweise zögerlichen Reaktion der Europäischen Zentralbank (EZB) auf die hohe Inflation. Obwohl sich die Inflationsrate in der Eurozone bereits seit rund einem Jahr über dem EZB-Inflationsziel von zwei Prozent befindet und zuletzt mit 8,6 Prozent ein weiteres Rekordniveau seit Bestehen der Währungsunion erreichte, hat die EZB bisher die Leitzinsen noch nicht angehoben. Der Hauptrefinanzierungsatz (0,0 Prozent) und der Einlagenzins der Banken (minus 0,5 Prozent) befinden sich weiter auf ihren Rekordtiefs.

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Die EZB dürfte beim Zinsentscheid am 21. Juli die Leitzinsen zwar zum ersten Mal seit dem Jahr 2011 erhöhen, allerdings zunächst nur um homöpathische 0,25 Prozentpunkte. Im Gegensatz zur EZB hat die US-Notenbank Fed den Leitzins in den vergangenen Monaten bereits um rund 1,5 Prozentpunkte auf eine Spanne von 1,50 bis 1,75 Prozent angehoben. Ende Juli dürfte in den USA die nächste Zinserhöhung um 50 oder 75 Basispunkte (0,5 oder 0,75 Prozentpunkte) anstehen. Damit dürfte sich die Zinsdifferenz zum Euroraum weiter ausweiten.

Die Zinsdifferenz zwischen dem Dollarraum und der Eurozone macht den Dollar gegenüber dem Euro attraktiver und begünstigt so die Abwertung des Euros, da spekulatives Kapital auch wegen des Zinsunterschieds aus Europa in den Dollarraum flüchtet.

Der schwache Euro sorgt dafür, dass sich Energiepreise in Euro gerechnet noch stärker verteuern als in Dollar. Andererseits begünstigen die hohen Energiepreise aber auch die Euro-Abwertung: Da Europa einen Großteil seiner Energie importieren muss, verschlechtern höhere Energiekosten die sogenannten "terms of trade" (das reale Güter-Austauschverhältnis) im Außenhandel. Durch die hohen Energiepreise hat Deutschland etwa im Mai zum ersten Mal seit 14 Jahren wieder ein Defizit in der Handelsbilanz verbuchen müssen. Dies bedeutet, dass wertmäßig mehr Waren importiert als exportiert wurden. Verantwortlich dafür sind die vor allem die höheren Energiekosten, wodurch sich die Importe in den vergangenen Monaten deutlich stärker verteuert haben als die Exporte.

Für exportorientierte Unternehmen in Europa bietet ein schwacher Euro aber auch Vorteile: Sie können ihre Waren auf dem Weltmarkt zu günstigeren Preisen anbieten bzw. bei konstanten Verkaufspreisen in Dollar höhere Umsätze und Gewinne umgerechnet in Euro erzielen.

Sein bisheriges Rekordhoch gegenüber dem Dollar hat der Euro im Jahr 2008 unmittelbar vor dem Höhepunkt der Finanzkrise erreicht. Damals war ein Euro kurzzeitig mehr als 1,60 US-Dollar wert. Das bisherige Rekordtief des Euros gegenüber dem Dollar wurde im Juli 2001 bei 0,8346 Dollar erreicht. Wegen der damaligen Euro-Krise hatte sich der Euro in den Jahren 2015 bis 2017 ebenfalls mehrfach der Parität zum Dollar angenähert, sie aber letztlich nicht erreicht.

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Der Euro war als Buchgeld zum 1. Januar 1999 eingeführt worden. Ab Anfang 2002 ersetzte er auch als Bargeld die bisherigen nationalen Währungen der Eurozone-Länder. Der Euro ist derzeit die offizielle Währung in 19 von insgesamt 27 EU-Mitgliedstaaten und hinter dem US-Dollar die zweitwichtigste Reservewährung der Welt. Anfang 2023 wird Kroatien als zwanzigstes Mitglied in die Währungsunion aufgenommen.


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Über den Experten

Oliver Baron
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Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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