Kommentar
07:21 Uhr, 20.06.2017

Kaum Volatilität: Ein Warnsignal?

Der Markt ist ruhig, sehr ruhig. Vielen ist das suspekt. Sie vermuten dahinter ein gravierendes Problem, welches uns alle eines Tages böse überraschen wird.

Der S&P 500 Volatilitätsindex VIX bewegt sich nun schon wochenlang in der Nähe von 10 Punkten. Das ist ungewöhnlich. Es wurde sogar das bisherige Allzeittief wieder erreicht. Zudem ist die Anzahl an Tagen, die der Index unter 10 schloss, historisch einmalig. Das bringt viele Beobachter zu der Schlussfolgerung, dass da etwas nicht stimmt.

Es gibt wilde Theorien dazu, was den VIX so tief nach unten gedrückt hat. Ein Großteil der Analysten schiebt den Mangel an Volatilität auf die Gleichschaltung der Märkte. Mehr denn je rennen Anleger alle zusammen in die gleiche Richtung. Das gilt nicht nur beim Kauf von Aktien, sondern auch beim Verkauf. Und überhaupt: keiner kauft mehr Einzelwerte, sondern nur noch ETFs.

Das führt letztlich dazu, dass die Schwankungsbreite in ruhigen Zeiten abnimmt. Die Sache hat einen Haken, wenn es eine Korrektur gibt. Da immer mehr Indexprodukte gehalten werden und nicht mehr Einzelaktien, korrigiert der Markt sehr viel schneller und heftiger, wenn es erst einmal losgeht.

Einen Vorgeschmack dazu gab es 2015. Der Markt verzeichnete nach der überraschenden Abwertung des Yuan einen Einbruch von 10 % innerhalb kurzer Zeit. Der VIX schoss von 15 Punkten auf über 50 Punkte. In der Geschichte gab es eine solche Panik noch nie. Selbst während der Finanzkrise stieg der VIX gemächlicher. Kurz gesagt: da stimmt doch etwas nicht.

Ich wäre mir da nicht so sicher. Der VIX ist tatsächlich niedrig und Spikes nach oben werden zukünftig wohl systematisch rasanter sein. Letzteres ist neu, ersteres nicht. Grafik 1 zeigt den VIX und die historische (realisierte) Volatilität. Beide sind eng miteinander verbunden. Der VIX soll ja die über den kommenden Monat erwartete Schwankungsbreite angeben. Der VIX zeigt also die Erwartung über die Zukunft an und nicht das, was bereits passiert ist. Dennoch zeigt sich, dass der VIX der realisierten Volatilität extrem gut folgt.


Das ist ein wichtiger Punkt. Der VIX ist noch vergleichsweise jung. Es gibt ihn seit den 90er Jahren. Will man das heutige Geschehen in einen längeren Kontext setzen, muss man sich auf die realisierte Volatilität verlassen, da es keine VIX Werte gibt. Da beide Zeitreihen sehr nah beieinander liegen, kann man zur Beurteilung getrost die realisierte Schwankungsbreite betrachten.

Die längere Historie zeigt Grafik 2. Hier haben wir nicht knapp 30 Jahre, sondern 130 Jahre zur Verfügung und siehe da: der heutige Zustand ist so ungewöhnlich nicht. Die 1910er und 1920er sowie die 1960er Jahre waren sehr viel ruhiger als der Markt heute. Die letzten 20 Jahre waren im langen historischen Kontext überdurchschnittlich volatil.

In den 60er Jahren lag die durchschnittliche Schwankungsbreite bei 9. Heute sind es 16.6. Es geht also durchaus noch sehr viel ruhiger als wir es derzeit erleben und auch für eine sehr viel längere Zeit als viele Analysten derzeit annehmen. Allein die Tatsache, dass der VIX niedrig ist, ist aber überhaupt kein Warnsignal. Es geht noch viel niedriger für eine viel längere Zeit.

Clemens Schmale

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7 Kommentare

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  • bert005
    bert005

    Ich wage hier mal eine Prognose: Der NDQ wird diese Woche noch mind. die 5600 sehen. Beim Dax gehe ich von mind. 12600 Punkten aus... Dies Prognose soll keine Handelsempfehlung sein, sondern spiegelt lediglich meine Berechnungen.

    20:53 Uhr, 20.06.2017
  • LAMBO_BABY
    LAMBO_BABY

    hat niemand die politische lage auf dem radar? Warum geht der dax nicht auf die 13? Weil vielleicht mi NK ein konflikt bevorsteht? News von heute 1.15 am beachten dazu!

    15:08 Uhr, 20.06.2017
  • Chronos
    Chronos

    schon seltsam, dabei noch nicht einmal ein Rokko''!:)))

    Wo soll der Vix auch stehen, nach Highest Highs und niedrigen Zinsen (Refinanzierungskosten)? Schwankungsbreite wird anders gemessen und eine akademische Diskussion a la wie weit kann ein BuFu überhaupt steigen ist das auch nicht.Dynamik wird grösser, eben nur in kürzeren Phasen. VDAX wäre demnach noch zu hoch taxiert.

    09:44 Uhr, 20.06.2017
  • Morningstar
    Morningstar

    Die niedrige Volatilität ist auch kein Vorbote, sondern eine Masszahl für die Schwankungsbreite der Märkte. Es zeigt jedoch auch an, dass Optionen sehr billig sind und im Umkehrschluss Investoren nicht viel Geld in Absicherungen investiert haben oder investieren wollten. Das heisst Sorglosigkeit weltweit und dies sollte man als Warnsignal betrachten.

    09:13 Uhr, 20.06.2017
  • mantra
    mantra

    die Vola ist niedrig weil alle in die selbe Richtung gehen nämlich STRONG LONG.

    der Begriff Vola ist irreführend da hiermit eigentlich nicht die Schwankungsbreite vermittelt wird sondern die Sorglosigkeit (niedrige Vola) ggü. der Panik (hohe Vola). Insofern ist das schon ein Indikator bzw. Frühwarner. Was wir im Moment sehen ist aber die extreme Gier gepaart mit Sorglosigkeit welche die Vola niedrig hält und den Markt an einer sch.. Fahnenstange steigen lässt. Evtl. wird die Vola aber auch über ein System von synth. Puts und Calls niedrig gehalten um immermehr in den Markt zu locken.

    09:00 Uhr, 20.06.2017
    1 Antwort anzeigen
  • Sascha Huber
    Sascha Huber Experte für Kryptowährungen

    Kann ich nur unterschreiben. Es ist aus meiner Sicht ohnehin eine Mär, dass die Volatilität ein Vorbote sein soll. Sie zieht mit den fallenden Kursen gemeinsam an. Insofern ist da nichts als Indikator (Vorläufer) zu gebrauchen!!

    07:52 Uhr, 20.06.2017

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Clemens Schmale
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Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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