Kommentar
09:20 Uhr, 05.08.2022

Kann der Euro im Ernstfall überhaupt gerettet werden?

Die Liste an Instrumenten, die der EZB zur Verfügung stehen, um den Euro zu retten, ist lang. Dadurch entsteht falsche Sicherheit.

Erwähnte Instrumente

  • EUR/USD
    ISIN: EU0009652759Kopiert
    Kursstand: 1,02328 $ (FOREX) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • EUR/USD - WKN: 965275 - ISIN: EU0009652759 - Kurs: 1,02328 $ (FOREX)

Kurzfristig hat die EZB die Lage beruhigen können. Die Renditen von italienischen Anleihen sind gegenüber den Renditen von deutschen Anleihen nicht mehr überproportional gestiegen. Allein die Ankündigung eines Instruments, welches Renditedifferenzen begrenzen kann, erfüllte den Zweck. Nun hat die EZB ein neues Instrument (TPI: Transmission Protection Instrument), mit dem sie mehr oder weniger frei am Markt intervenieren kann. Die Idee ist nicht neu und wurde in der Vergangenheit bereits umgesetzt. Erstmals kaufte die EZB ab 2010 Anleihen von Krisenstaaten unter dem SMP (Securities Markets Programme). Zeitweise hielt die EZB unter diesem Programm mehr als 200 Mrd. an Anleihen. Das SMP wurde 2012 durch das OMT (Outright Monetary Transactions) Programm abgelöst. Die Namen sind unterschiedlich, doch der Zweck war der gleiche. Unter den Programmen können Staatsanleihen gekauft werden, um am Ende einen Zusammenbruch eines Landes zu verhindern.


Das ist auch beim TPI nicht anders. Im Gegensatz zum OMT, welches nach wie vor existiert und genutzt werden kann, sind die Bedingungen unter dem TPI für Regierungen interessanter. Unter dem OMT-Programm konnte die EZB nur Anleihen von Staaten kaufen, die sich unter den Eurorettungsschirm begaben. Der Rettungsschirm wiederum legte Regierungen harte Bedingungen auf.

Auch Käufe unter dem TPI sind an Bedingungen geknüpft. Die Bedingungen sind allerdings so schwammig formuliert, dass das TPI mehr einem Bankomaten für hochverschuldete Staaten gleicht. Dennoch war genau das notwendig: Ein Programm, welches flexibel eingesetzt werden kann.

Ist die Notenbank nicht in der Lage, sofort auf Marktverwerfungen zu reagieren, kann es schnell zu einer Eskalation kommen. Anleiherenditen können innerhalb von Tagen rasant steigen. Man kann nicht monatelang abwarten und darauf hoffen, dass ein Staat unter den Eurorettungsschirm schlüpft. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist ohnehin gering, da sich keine Regierung Reformen aufzwingen lassen möchte.

Ob unbegrenzte Anleihekäufe zukünftige Probleme beseitigen, sei dahingestellt. Selbst unter laufenden Quantitative Easing Programmen stieg der Spread italienischer Anleihen immer wieder stark an (Grafik 2). Herrscht Panik, sind die benötigten Summen schnell sehr groß.


Genau hierin besteht das Kernproblem von Kaufprogrammen. Sie werden notwendig, wenn der Markt das Vertrauen verliert. Zu wissen, dass es letztendlich immer einen Käufer geben wird, soll Sicherheit vermitteln. Im Notfall kann man Anleihen immer noch an die EZB verkaufen.

Muss die EZB den Markt leerkaufen, überschwemmt sie den Markt mit neu geschaffenem Geld. Unter dem TPI will sie zwar bei Käufen die Bilanzsumme mittelfristig nicht steigen lassen, doch ob das gelingt, ist fraglich. Muss sie 300 Mrd. an italienischen Anleihen kaufen, müssten mittelfristig 300 Mrd. an anderen Anleihen verkauft werden. Das kann an anderer Stelle zu Verwerfungen führen.

Es ist anzuzweifeln, dass die Geldmenge nicht massiv steigt, wenn TPI eingesetzt werden muss. Das mag zwar Renditedifferenzen begrenzen, in Zeiten hoher Inflation aber den Wechselkurs des Euro massiv drücken. Tritt der Ernstfall wirklich ein, kann das Instrument, welches den Euro retten soll, am Ende zum Gegenteil führen, weil zu viel Geld gedruckt werden muss.

Nicht jedes Problem lässt sich mit Gelddrucken beheben. Zu diesen Problemen, bei denen Gelddrucken nicht hilft, gehört ein stabiler Wechselkurs. Was helfen tiefe Spreads, wenn der Eurokurs zum Dollar bei 0,6 steht?

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Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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