Fundamentale Nachricht
08:08 Uhr, 03.09.2019

Japans Aktienmarkt damals und heute: Ähnlich, aber nicht gleich

Japanische Aktien sind nach Einschätzung von Ernst Glanzmann und Reiko Mito, Fondsmanager bei GAM Investments, außerordentlich attraktiv bewertet.

Erwähnte Instrumente

  • Nikkei225
    ISIN: XC0009692440Kopiert
    Kursstand: 20.620,19 Pkt (TSE) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Zürich (GodmodeTrader.de) - In den vergangenen drei Jahrzehnten haben sich die japanischen Finanzmärkte den etwas ungerechtfertigten Ruf erworben, sie würden Anleger konstant enttäuschen. Japanische Staatsanleihen (JGBs) wurden als „weltgrößte Witwenmacher“ bezeichnet, während viele Anleger das Bild eines Aktienmarktes vor Augen haben, der Ende der 1980er Jahre spektakulär einbrach und sich trotz zahlreicher Fehlstarts nie richtig erholen konnte. Beide Aussagen sind jedoch irreführend, wie Ernst Glanzmann und Reiko Mito, Fondsmanager bei GAM Investments, in einem aktuellen Kommentar schreiben.

Der Begriff „Witwenmacher“ beziehe sich insbesondere auf Leerverkäufe japanischer Staatsanleihen. Gemeint sei die damalige Wette, dass die Renditen von niedrigen Niveaus ausgehend steigen müssten – nachdem die Bank of Japan (BoJ) im Jahr 1999 erstmals eine Nullzinspolitik eingeführt hatte –, und damit verbunden die Annahme, dass die JGB-Kurse unvermeidlich fallen würden. Mittlerweile versuchten zahlreiche Anleger, sich auf eine „Normalisierung“ der Geldpolitik an den Märkten der westlichen Industrienationen zu positionieren, die bislang jedoch nicht wirklich eingetreten sei, heißt es weiter.

„Der jüngste Richtungswechsel in der Geldpolitik der Fed zeigt dies nur allzu deutlich. Der einzige wirkliche Unterschied zwischen diesen beiden Szenarien besteht darin, dass die Leerverkäufer japanischer Staatsanleihen die enorme Loyalität der lokalen Anleger unterschätzen, die trotz der mageren Renditen zusätzlich JGB-Positionen aufbauten. In ähnlicher Weise hat sich die BoJ insbesondere unter der Führung von Zentralbankgouverneur Kuroda vorbehaltslos hinter die Reflationsbemühungen der Regierung gestellt“, so Glanzmann und Mito.

Bezüglich der zweiten Behauptung fragen sich die beiden GAM-Finanzexperten, ob es tatsächlich zutreffe, dass sich japanische Aktien nicht vollständig vom extremen Rückschlag Ende der 1980er Jahre erholen konnten? In den vergangenen Jahren sei eine bemerkenswerte Dynamik zu beobachten gewesen: Ungeachtet der allgemeinen Marktrichtung seien japanische Aktien zunehmend günstiger geworden. Gelegentliche Verkaufswellen am japanischen Aktienmarkt seien von einer nervösen Stimmung getrieben worden, die im Widerspruch zur Verbesserung der Fundamentaldaten gestanden habe. Selbst während der von Ministerpräsident Abe ausgelösten Rally von 2012 bis 2018 hätten die steigenden Aktienkurse nicht mit dem Wachstum der Unternehmensgewinne Schritt halten können, heißt es weiter.

„Während US-Markt-Kommentatoren davon sprechen, dass der S&P 500 Index billiger ist als zu bestimmten Zeiten in der Vergangenheit, können wir auf außerordentlich attraktive Bewertungen japanischer Aktien verweisen. Der Markt notiert derzeit mit niedrigeren Kurs-Gewinn-Verhältnissen als während der globalen Finanzkrise und zum Zeitpunkt der Regierungsübernahme durch Shinzo Abe. Angesichts der positiven mikro- und makroökonomischen Entwicklungen lässt sich dies anhand fundamentaler Kriterien zunehmend schwieriger rechtfertigen“, so Glanzmann und Mito.

Im Jahr 1979 habe der britische Musiker Ian Dury einen Song mit dem rätselhaften Titel „Reasons to be Cheerful, Part 3“ verfasst. Bei der Beurteilung der Anlageaussichten japanischer Aktien im Vergleich zu ihren globalen Pendants, könne man mindestens drei Gründe erkennen, weshalb Anleger in japanischen Aktien zuversichtlich sein könnten, heißt es weiter.

„Erstens erwirtschaften japanische Unternehmen im historischen Vergleich hohe Gewinne und Margen. Der leer gefegte Arbeitsmarkt verspricht gutes Einkommenswachstum. Dies dürfte den Konsum weiter ankurbeln und damit den Trend steigender Gewinne und Margen fortsetzen.

Zweitens haben die Führungsteams japanischer Unternehmen dank der robusten Gewinnmargen und Cashflows nicht nur erheblich mehr Spielraum für die Umsetzung von Investitionsplänen, die das zukünftige Wachstum des Geschäfts zusätzlich ankurbeln, sondern auch für Anpassungen der Kapitalverwendungsrichtlinien zugunsten von Rückführungen an die Aktionäre“, so Glanzmann und Mito.

Drittens stiegen die Dividendenrenditen weiter und die reinvestierten Dividenden stellten eine wichtige Komponente der Gesamtrendite japanischer Aktien dar, heißt es weiter. „Wir werden oft gefragt, wie sich das Umfeld für die Unternehmen seit den Boomjahren der 1980er verändert hat. Und auch hier stellen wir fest, dass viele dieser Veränderungen sehr ermutigend sind“, so Glanzmann und Mito.

Japan nehme unverändert eine Spitzenposition bei Innovationen in der Robotertechnologie ein. Es werde sogar vermutet, dass die Entwicklung von Robotern dabei helfen könnte, die schwierige demografische Situation der Nation zu bewältigen. Die Abhängigkeit des Landes von Technologieexporten habe jedoch in den vergangenen drei Jahrzehnten deutlich abgenommen. In Zeiten einer hitzigen Debatte über die außerordentliche Kursinflation bei den sogenannten FAANG-Aktien in den USA weise der japanische Aktienmarkt im Vergleich zu globalen Benchmarks eine signifikante „Untergewichtung“ von Technologieunternehmen und Banken auf, heißt es weiter.

„Aktuell weist der japanische Aktienmarkt eine erheblich ausgewogenere Ausrichtung auf Sektoren mit Bezug zur Fertigung und zu Konsum auf, zum Beispiel auf die Bereiche Industriegüter und -dienstleistungen, Automobile, Körperpflege- und Haushaltsprodukte sowie Telekommunikation. Obwohl wir unverändert sehr von unseren ausgewählten Technologie-Positionen überzeugt sind, kann die Tatsache, dass der breite Markt zunehmend weniger von Technologie- und Dienstleistungssektoren abhängt (die von globalen Regulierungsmaßnahmen betroffen sein können), nur als positiv eingestuft werden“, so Glanzmann und Mito.

Derzeit beruhe die Anlagebeurteilung Japans fest auf der mikroökonomischen Ebene. Versierte Investoren könnten hier Nischenakteure entdecken, die ein nachhaltiges Gewinnwachstum zu angemessenen Kursen böten. Aus Bewertungssicht sei auf die Tatsache hinzuweisen, dass japanische Unternehmen derzeit die höchste Rentabilität aufwiesen, während deren Aktienkurse nach wie vor auf der Stelle verharrten, heißt es weiter.

„Dies hat zur Folge, dass sich die ‚Aktienrisikoprämie‘ (bzw. der Überschussertrag, den eine Anlage in japanischen Aktien gegenüber dem ‚risikofreien Ertrag‘ bietet) auf dem höchsten Stand seit über 40 Jahren bewegt. Nach unserer Einschätzung ist dies nur ein weiterer guter Grund, die Chancen in Betracht zu ziehen, die japanische Aktien derzeit bieten“, so Glanzmann und Mito abschließend.

Passende Produkte

WKN Long/Short KO Hebel Laufzeit Bid Ask
Keine Ergebnisse gefunden
Zur Produktsuche

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

Mehr Experten