Kommentar
12:44 Uhr, 28.12.2022

Japan - der Überraschungskandidat für Wachstum?

In Japan hat ein Trend begonnen, den niemand mehr für möglich gehalten hat. Oft beginnt ein Trend langsam und beschleunigt sich mit der Zeit. Japan steht an diesem Punkt.

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Japans deflationäre Phase dauerte mehr als zwanzig Jahre. Mit viel Getöse und Pomp kündigte der damalige Ministerpräsident Abe im Jahr 2012 ein Programm an, bekannt als Abenomics, welches die Wirtschaft reformieren sollte. Das Programm bestand aus politischen Reformen, staatlichen Mehrausgaben und einer lockeren Geldpolitik.

Der Reformwille war am Ende weniger stark ausgeprägt als angekündigt. Auch bei den Mehrausgaben des Staates haperte es. Japanische Regierungen kündigen regelmäßig Konjunkturpakete im dreistelligen Milliardenbereich an. Blickt man einige Jahre später zurück, stellt sich heraus, dass nur ein Teil des Geldes tatsächlich ausgegeben wurde.

Wirklich konsequent war der Plan nur bei der Geldpolitik. Diese ist seit 2012 sehr locker. Noch immer hat Japan Negativzinsen und offiziell kauft die Notenbank immer noch Staatsanleihen in unbegrenztem Umfang. Daran ändert auch nichts, dass die Notenbank der Rendite 10-jähriger Anleihen erlaubt hat, von 0,25 % auf 0,5 % zu steigen. Das alles hilft jedoch am Ende wenig, wenn die Wirtschaft und Bevölkerung nicht mitmachen.

Um nachhaltig Wachstum zu generieren, muss es Konsumwachstum geben. Wer auf immer tiefere Preise wartet, kauft nicht heute, sondern morgen oder übermorgen. Deflation bleibt beharrlich bestehen. Auch Unternehmen investieren nicht, wenn langsames Schrumpfen überall sichtbar ist.

In der Wirtschaft zeigt sich der Trendwechsel über Investitionen und Kreditvergabe. Japans Privatsektor war vor dem Platzen der Immobilienblase Anfang der 90er Jahre überschuldet. Fast 20 Jahre lang wurden Schulden abgebaut. Bisher hat noch kein anderes Land nach Beginn einer Entschuldung eine so lange Kontraktion erlebt. In anderen Ländern ist der Rückgang größer, z.B. Griechenland, aber nicht länger (Grafik 1).


Ein langsamer, dafür aber sehr langer Prozess, ist Gift. Der Trend verselbständigt sich. Wie schwer es ist, daraus auszubrechen, hat Japan unter Beweis gestellt. Nun wird wieder mehr investiert. Es wird wieder mehr Kredit aufgenommen. Kreditwachstum ist quasi eine Bedingung für Wachstum.

Die Trendumkehr zeigt sich nicht nur beim Kreditwachstum. Auch der Immobilienmarkt bewegt sich (Grafik 2). Seit 2020 hat sich der Trend beschleunigt. Im Gegensatz zu anderen Ländern dreht der Trend auf dem Immobilienmarkt nicht wieder nach unten. Eine Fortsetzung ist wahrscheinlich. Werten Immobilien auf, steigt das Vermögen vieler Haushalte. Mittelfristig hilft es dem Konsum und Wirtschaftswachstum allgemein.


Die Trendwende hat mit der Einführung der Abenomics begonnen. Der Trend begann langsam und würde sich vermutlich auch in gemächlichem Tempo fortsetzen. Der globale Inflationsimpuls kommt nun auch in Japan an, wenn auch moderater. Dies kann der letzte Puzzlestein sein, um den Trend zu beschleunigen.

Nach über 20 Jahren Stagnation hat Japan viel aufzuholen. Der Trend ist nicht garantiert und eine immer älter werdende Gesellschaft verlangsamt das Wachstum. Hält der Trend, hat Japan allerdings die Chance unter den Industrieländern der große Überraschungskandidat der 20er Jahre zu sein.

Clemens Schmale

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Über den Experten

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Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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