Ist das schon die Rezession?
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Technisch gesehen befanden sich die USA im ersten Halbjahr 2022 bereits in einer Rezession, da das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sowohl im ersten als auch im zweiten Quartal negativ war. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hat vergangene Woche die Zinsen um 0,75 Prozent angehoben, doch die Argumente für weitere Zinserhöhungen werden immer schwächer. Die Renditen für Anleihen mit einer Laufzeit von mehr als zwei Jahren liegen mittlerweile zwischen 2,65 und drei Prozent. Die Stabilisierung der langfristigen Renditen ist also eine notwendige Bedingung für eine konstruktivere Sicht auf andere Anlageklassen. Die Renditen bei Credits - sowohl im Investment-Grade- als auch im High-Yield-Bereich - haben sich ebenfalls stabilisiert. Das ist eine gute Nachricht für Besitzer von Unternehmensanleiheportfolios, aber auch eine gute Nachricht für die Unternehmen, denn es deutet darauf hin, dass der Höhepunkt der Finanzierungskosten erreicht sein könnte.
Sorgen um konjunkturelles Umfeld
Außerhalb der USA ergibt sich ein ähnliches Bild. Die Renditen von Staatsanleihen sind gesunken. Die Benchmark für den Euroraum, die Rendite zehnjähriger deutscher Staatsanleihen, erreichte am 6. Juni 1,93 Prozent und liegt derzeit knapp unter 0,9 Prozent. In den Industrieländern haben sich generell die monetären Bedingungen seit Anfang Juni etwas gelockert. Trotz der scheinbar soliden Sommerrally bleiben die Anleger vorsichtig gegenüber Risikoanlagen. Die Energiepreise sind nach wie vor hoch, und die Krise bei den Lebenshaltungskosten wirkt sich stark auf die Einkommen und Ausgaben der Haushalte aus. Abgesehen davon werden die Nachrichten aus der Ukraine nicht besser, und in Europa droht in diesem Winter eine Verknappung des Erdgases. Die Gefahr von Rationierungen und eines Rückgangs der Wirtschaftstätigkeit in Deutschland und anderen europäischen Volkswirtschaften wurde von Ökonomen in den vergangenen Wochen deutlich aufgezeigt. Vor diesem Hintergrund ist der Markt skeptisch, inwieweit die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinssätze anheben kann.
Globales Wachstum verlangsamt sich
Die Form der Renditekurven spiegelt die offensichtliche Unstimmigkeit zwischen der aggressiven Rhetorik der Zentralbanken in Bezug auf die Inflation und den wirtschaftlichen Abwärtsrisiken wider. Vergangene Woche hat der Internationale Währungsfonds seine Wachstumsprognosen nach unten korrigiert. Für die fortgeschrittenen Volkswirtschaften wird ein BIP-Wachstum von 2,5 Prozent in diesem Jahr und nur 1,4 Prozent im Jahr 2023 prognostiziert, verglichen mit 5,2 Prozent im Jahr 2021. Für Deutschland, Italien und das Vereinigte Königreich wird für das nächste Jahr ein Wachstum von unter einem Prozent erwartet – ein Jahresdurchschnitt, der die Möglichkeit eines oder mehrerer Quartale mit negativem Wachstum offenlässt. Mit anderen Worten: eine Rezession. China ist die einzige große Volkswirtschaft, für die im nächsten Jahr ein stärkeres Wachstum prognostiziert wird, so dass die Schwellenländer insgesamt ein etwas besseres Jahr verzeichnen könnten. Abgesehen von China werden jedoch die meisten großen Schwellenländer im Jahr 2023 einen wirtschaftlichen Abschwung erleben. Es handelt sich um eine globale Verlangsamung.
Diese Jahresprognosen verschleiern die Tatsache, dass der Abschwung bereits begonnen hat und die Anlegerstimmung verhalten bleibt. Der Vorabbericht zum US-BIP für das zweite Quartal zeigte einen zweiten Rückgang des BIP in Folge. Die Daten zeigten das schwächste vierteljährliche Wachstum der Verbraucherausgaben seit den COVID-Lockdowns sowie eine Schwäche bei den Unternehmens- und Wohnungsbauinvestitionen. Auch weitere wichtige Konjunkturdaten wie der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe haben sich verschlechtert. In Europa sind ähnliche Indikatoren ebenfalls stark gesunken. Es stellt sich die Frage, inwieweit die Zentralbanken bei einer deutlichen Konjunkturabschwächung die Zinssätze weiter anheben können. Das Argument für eine Übergewichtung von festverzinslichen Wertpapieren in einem Szenario, in dem sich das Wachstum abschwächt, ist sehr überzeugend.
Neue Bedingungen an den Märkten
Der Juli war für Anleger ein guter Monat mit positiven Renditen in allen Anlageklassen. Das war eine Erleichterung nach den schrecklichen ersten sechs Monaten des Jahres. Die Performance von Aktien und Anleihen in der ersten Jahreshälfte entsprach voll und ganz dem Vorfeld einer Rezession. Jetzt haben wir eine, wenn auch bisher relativ milde, und die Märkte werden von anderen Faktoren angetrieben werden. In einer Rezession beginnen in der Regel die Zinsen zu fallen und die Unternehmensgewinne sinken. In dieser Hinsicht sind die Anleihen den Aktienmärkten voraus.
Die jüngste Rally an den Aktienmärkten scheint eher auf die Stabilisierung der Zinsen zurückzuführen zu sein als auf eine positive Veränderung der Wachstumsaussichten. Die Gewinnprognosen scheinen immer noch zu optimistisch zu sein, obwohl in den vergangenen Wochen einige der Konsensprognosen für den Gewinn pro Aktie für 2023 und 2024 nach unten korrigiert wurden. Die Historie zeigt aber, dass die Unternehmensgewinne in einer Rezession sinken. Gewinnwarnungen werden immer häufiger ausgesprochen, auch wenn die Gewinne im zweiten Quartal sowohl in Europa als auch in den USA nicht dramatisch hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind. Eine breite Seitwärtsspanne könnte den Rest des Jahres bestimmen.
Langläufer bevorzugt
Die Anleiherenditen sind so niedrig wie seit April nicht mehr, aber die Märkte könnten sich auch in einer ziemlichen Bandbreite bewegen, bis die Zentralbanken glauben, dass sie ein Ende der Straffung signalisieren können. Vor diesem Hintergrund sollte der Schwerpunkt auf Qualität und Ertrag liegen. Qualitativ hochwertige Credits bieten so gute Renditen wie seit vielen Jahren nicht mehr. Auch in Europa ist die Kreditkurve immer noch recht steil, wobei der sieben- bis zehnjährige Sektor im Investment-Grade-Bereich eine Rendite von 2,85 Prozent bietet, verglichen mit nur 1,9 Prozent im Bereich der Laufzeiten von ein bis drei Jahren. Mit zunehmender Laufzeit steigen die Renditen bei Krediten stärker an als bei Staatsanleihen.
Portfolio neu strukturieren
Die Bank of England wird am 4. August eine Zinsentscheidung treffen. Wir erwarten eine Anhebung der Zinsen um 50 Basispunkte (BP). Zentralbanken sind gerne langweilig, und die Märkte mögen es, wenn sie einigermaßen vorhersehbar sind. Das ist mittlerweile der Fall. Die Phase der geldpolitischen Straffung ist, was die Auswirkungen auf die Märkte angeht, wahrscheinlich vorbei. Jetzt geht es um andere Faktoren. Die Unternehmensbilanzen, die Geopolitik und fiskalpolitische Maßnahmen, wie zum Beispiel Steuersenkungen im Vereinigten Königreich und in Italien verunsichern die Investoren. Der Aufbau von Portfolios gegen diese Risiken, ist eine Herausforderung. In diesem Umfeld spielt die Qualität der Cash-Flows bei Aktien und Credits eine entscheidende Rolle. Mittelfristig könnte ein Engagement in High Yields für Aufwärtspotenzial sorgen, während "Rezessionsabwehr und ein geldpolitischer Schwenk" für eine längere Duration bei festverzinslichen Wertpapieren sprechen, insbesondere bei Unternehmensanleihen.
Dividenden im Fokus
Bei Aktien sollten auch Dividendenzahler favorisiert werden. Der S&P Dividend Aristocrats Total Return Index hat den breiteren S&P-Index seit Jahresbeginn um rund sechs Prozent outperformt. In Europa, Großbritannien, Frankreich und Spanien haben Dividenden in den vergangenen Jahren tendenziell einen größeren Anteil an der Gesamtrendite ausgemacht.
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