Fundamentale Nachricht
08:32 Uhr, 03.11.2017

Investment Grade: Kreditanalyse ist wichtiger denn je

Die Kreditanalyse sollte Muzinich-Portfoliomanagerin Tatjana Greil-Castro zufolge ein zentraler Bestandteil des Investmentprozesses sowohl bei Investment-Grade als auch bei Sub-Investment-Grade-Instrumenten sein.

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  • Dow Jones
    ISIN: US2605661048Kopiert
    Kursstand: 23.348,70 Pkt (NYSE) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

New York (GodmodeTrader.de) - Seit der Finanzkrise ist fast ein Jahrzehnt vergangen, doch die Effekte an den Kreditmärkten sind weiterhin spürbar. Eine außerordentliche geldpolitische Ankurbelung sowie expansive Zentralbankpolitik wurden mit einem zunehmend strengen Regulierungssystem kombiniert, um die Investitionslandschaft zu verändern. Dies sorgte bei Unternehmensanleihen für sinkende Renditen und verzerrte Bewertungen, wie Tatjana Greil-Castro, Portfoliomanagerin bei Muzinich & Co. für den Muzinich Enhancedyield Short-Duration Fund sowie Muzinich Bondyield ESG Fund, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Dagegen seien auch Investment Grade-Anleihen der Industriemärkte nicht immun: Die Kreditqualität sinke und der Verschuldungsgrad nehme zu. Dies zeige, dass selbst in einer vorher als risikoneutral geltenden Assetklasse das Kreditrisiko steige. Parallel zu einer Belebung des globalen Wachstums würden die Zentralbanken radikaler in ihrer Rhetorik. Es gebe auf beiden Seiten des Atlantiks Signale für eine weniger expansiv werdende Zentralbankpolitik, heißt es weiter.

„Da Unternehmensanleihen mit Investment Grade-Rating zu längeren Durationsprofilen als Sub-Investment Grade neigen, könnten wir uns an der Schwelle zu einer grundlegenden Performanceveränderung des Marktes befinden. Mit Blick auf die sich verschlechternde Duration und das zunehmende Kreditrisiko bedarf es einer strengen Kreditanalyse im Investment Grade-Universum, das nicht mehr den ‚risikofreien‘ Hafen darstellt“, so Greil-Castro.

Das Investment Grade-Universum der Industrieländer sei riesig - mit mehr als 7.000 Emissionen in den USA und mehr als 2.500 in Europa. Während das Universum weiterhin wachse, sei die zugrundeliegende Kreditqualität rückläufig. Das am schnellsten wachsende Segment innerhalb des Marktes sei der BBB-Bereich. In den USA umfasse die Anzahl an BBB-bewerteten Unternehmensanleihen nun die Hälfte des Gesamtindex. Noch ausgeprägter sei dies in Europa, wo die Anzahl der BBB-Anleihen von sechs Prozent im Jahr 1997 auf fast 50 Prozent im Jahr 2017 gestiegen sei, heißt es weiter.

„Das oberste Ziel eines Anleiheinvestors besteht darin sicherzustellen, dass das Unternehmen, dem Geld geliehen wurde, seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann. Da der Investment Grade-Anleihemarkt zunehmend kreditsensitiv geworden ist, ist eine Bottom-Up-Analyse jetzt wichtiger als je zuvor. Für Investoren ist es von Vorteil, nicht nur ein tiefes Verständnis über das zugrundeliegende Geschäftsmodell sowie die Fundamentaldaten der Unternehmen zu haben, sondern auch den relativen Wert von Investment Grade- gegenüber High Yield-Anleihen identifizieren zu können. Darüber hinaus spielen Ratingagenturen eine wichtige Rolle, da sie das investierbare Universum definieren. Die Märkte sind bei der Einschätzung von Ereignissen und Situationen sehr anspruchsvoll geworden. Dies sollten Investoren genauso beachten wie die Tatsache, dass die Märkte dazu neigen, auf sich entwickelnde Trends zu reagieren, lange bevor die Ratingagenturen ihre Bewertungen anpassen“, so Greil-Castro.

Das separate Betrachten von Investment Grade-Markt und High Yield-Markt könne zu einer unvollständigen Bewertung hinsichtlich der Auswahl des besten Risiko-Ertragsprofils führen. Denn auch sogenannte Rising Stars-Unternehmen, die von High Yield zu Investment Grade übergingen, böten je nach Mandat eine Investmentmöglichkeit, die für traditionellere Investment Grade-Investoren nicht zugänglich sei. Der Spread-Anstieg bei solchen Anleihen könne erheblich sein, heißt es weiter.

„Mit dem für Kreditnehmer verfügbaren günstigen Geld tragen Kreditabschwächungen zur Verschlechterung von Anleiheratings bei. In den USA hat die Fremdfinanzierung dramatisch zugenommen und Bilanzen werden zunehmend strapaziert. Einige der niedriger bewerteten Bereiche des Investment Grade-Marktes nehmen vermehrt große Schuldenlasten auf. Die Emission von AT&T etwa war mit einer Höhe von 22,5 Milliarden US-Dollar die drittgrößte aller Zeiten und fast dreifach überzeichnet – das unterstreicht den Appetit der Investoren. Und das trotz des BBB-Ratings der Schuldtitel und der Tatsache, dass das Unternehmen, aufgrund einer zunehmenden Fremdkapitalaufnahme zur Finanzierung von Zukäufen, vor einer möglichen Herabstufung durch zwei Ratingagenturen stand“, so Greil-Castro.

In Europa sei die Dynamik anders. Hier habe der durchschnittliche Verschuldungsgrad von Unternehmen abgenommen. Grund seien eine positive Cashflow-Generierung sowie geringere Finanzierungs- und Refinanzierungskosten aufgrund der quantitativen Lockerung, heißt es weiter. „Trotzdem haben wir im europäischen Markt Neuemissionen in Rekordhöhe verzeichnet, fokussiert auf jenen Teil des Investment-Grade-Ratingspektrums mit geringerer Qualität. So kam Volkswagen erst Ende des ersten Quartals mit einer Emission in Höhe von acht Milliarden Euro auf den Markt - die erste seit dem Abgasskandal. Diese war ebenfalls stark überzeichnet, da Investoren begeistert waren, sich trotz seines BBBplus-Ratings durch S&P und seines negativen Ausblicks wieder im Unternehmen zu engagieren, heißt es weiter.

„Dieser Trend kann auf verschiedene Weise betrachtet werden: Entweder werden Unternehmen gierig in der Schuldanhäufung, weil der Kauf so günstig ist, oder sie sind umsichtig in ihrem Schuldenmanagement und möchten noch von niedrigen Zinssätzen profitieren. Allerdings kann auch argumentiert werden, dass der Rückgang bei höher bewerteten Unternehmensanleihen (insbesondere in den USA) teilweise auf Unternehmen zurückzuführen ist, die ein geringeres Rating vorziehen, um eine größere Bilanzflexibilität sicherzustellen“, so Greil-Castro.

In den vergangenen 18 Monaten seien Risikoaktiva angesichts größtenteils unerwarteter Ereignisse, wie dem Brexit und der Wahl von Präsident Trump, widerstandsfähig geblieben. Die Investoren schienen höhere Zinssätze und ein behutsames Auflösen der Zentralbankbilanzen zu erwarten, was sie beruhige. Dies werde unterstützt durch die stetigen Zeichen eines Wirtschaftsaufschwungs, die Rohstoffpreisstabilität und besser als erwartete Daten aus China. Als solches erscheine das derzeitige Investmentumfeld rosig für Investoren von Unternehmensanleihen, die erwarteten, dass sich dieser günstige und positive Trend fortsetze, heißt es weiter.

„Trotzdem sollten Investoren eine gewisse Vorsicht walten lassen und auf aufkommende Risiken achten. Dazu zählt die Möglichkeit einer schnelleren geldpolitischen Straffung, die Auswirkungen und Geschwindigkeit eines Tapering sowie die Ängste hinsichtlich der chinesischen Wirtschaft. Sollten diese Szenarien eintreten, könnten wir ein Ende des 35-jährigen Hausse-Rentenmarktes oder zumindest eine Zeit erhöhter Volatilität erleben“, so Greil-Castro.

Mit Blick in die Zukunft werde bald eine wesentliche Stütze von Investment Grade-Anleihen wegfallen, da die Zentralbanken ihre Kaufprogramme auflösten. Während die Auswirkungen dessen ungewiss seien, dürfte für die Anleihen in der EZB-Bilanz eine vorübergehende Volatilität in Europa und somit ein Dominoeffekt auf die breitere Investorenbasis entstehen. Dies seien starke Argumente für Investoren, diese Anleihen im investierbaren Universum außer Acht zu lassen und lieber über diese kurzfristigen technischen Daten hinauszuschauen, heißt es weiter.

„Investoren sollten zudem bedenken, dass ein starker oder unerwarteter Anstieg der Zinssätze in den USA einigen der stärker fremdfinanzierten US-Unternehmen schaden könnte, die schwächere Geschäftsmodelle haben und ihren Verbindlichkeiten nicht nachkommen können. Liquidität, Fremdkapitalaufnahme und Duration spielen alle eine Rolle beim Entscheidungsfindungsprozess eines Anleiheinvestors. Im Investment Grade-Universum ist für einen Großteil der Investoren auch das Rating eine wichtige Überlegung“, so Greil-Castro.

Dennoch sollten Investoren sich nicht zu standardmäßigen Investitionen in Investment Grade verführen lassen. Es handle sich nicht um eine homogene Assetklasse und innerhalb des Universums gebe es Unterschiede in der Ratingqualität. Die Kombination aus einer sich verschlechternden Duration und eines schwierigen Kreditrisikos bedeute, dass alle Anleihen das gleiche Niveau einer gründlichen Analyse bedürfen, heißt es weiter.

„Die Kreditanalyse sollte ein zentraler Bestandteil des Investmentprozesses sowohl bei Investment Grade als auch bei Sub-Investment Grade Instrumenten sein. Investoren sollten über das Rating hinausschauen und sich auf die Fundamentaldaten jeder Unternehmensanleihe fokussieren. Dies stellt sicher, dass sie mit der Qualität des zugrundeliegenden Unternehmens und seiner Fähigkeit, technischen Schocks standzuhalten und letztlich seinen Schuldverpflichtungen nachzukommen, zufrieden sind. Nur so können Investoren in ihrem Portfolio solide Erträge im Laufe des Kreditzyklus erzielen“, so Greil-Castro.

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    Vielleicht sollte sie sich mal mit Herrn Draghi unterhalten. Die EZB schert sich nämlich einen Dreck um Kreditanalyse. Die EZB hat es sogar geschafft die Rendite von diversen Corporate High Yield Bonds unter die der 10Y US Treasuries zu drücken. Who cares about corporate risk, this is called monetary policy...

    09:33 Uhr, 03.11.2017

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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