„Inflationäres Geld degradiert Bürger zu Almosenempfängern“
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Während die Aktienmärkte nachgeben, hat Gold in Euro bilanziert solide zugelegt, rechnet Polleit vor und warnt: Die bevorstehende EZB-Geldmengenvermehrung dürfte unter bestimmten Umständen auf die Verbraucherpreise durchschlagen. In diesem Fall sieht er das Gemeinwesen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt bedroht: Der erodierende Wohlstand entmündigt Bürger und Privatwirtschaft.
Ukraine, Nahost, Mittelmeerflüchtlinge, Ebola, Eurozone: Herr Polleit, überall Krisen, doch Gold reagiert kaum. Woran liegt das?
Auf diese Frage sind vermutlich zwei Antworten zu geben. Erstens: Es scheint mitunter ein Unterschied zu bestehen zwischen der Dramatik der Krisen, wie sie medial vermittelt werden, und ihrer Wirkung, wie sie auf den Finanzmärkten eingestuft werden. Nicht selten reagieren die Finanzmärkte besonnener, als es journalistische Krisenbeurteilungen nahelegen. Zweitens: Der Goldpreis ist seit Jahresanfang gestiegen! Und zwar – Stand heute – in US-Dollar gerechnet um etwa 2 Prozent, in Euro gerechnet um immerhin 6 Prozent. Zum Vergleich: Der DAX hat seit Jahresbeginn 7,7 Prozent verloren, der japanische Nikkei ist um 6,1 Prozent gefallen, der amerikanische S&P 500 hat 1,5 Prozent zugelegt.
Die EZB bereitet eine massive Ausweitung der Geldmenge vor, um den Euroraum zu stützen. Wird das zunächst geplante Volumen von 700 Mrd. Euro ausreichen?
Zunächst ein paar Anmerkungen zu den Zahlen, die im Raum stehen. Die EZB hat in Aussicht gestellt, den Euro-Banken von ihren Buchkrediten 700 Mrd. Euro abkaufen zu wollen. Hinzu kommen Direktkredite der EZB an Euro-Banken (das sind die sogenannten „LTROs“) sowie Aufkäufe von Pfandbriefen (im Fachjargon „Covered Bonds“ genannt). Insgesamt könnte so die Basisgeldmenge um 1 Billion Euro steigen! Das entspräche einer Ausweitung der EZB-Bilanz um ungefähr 50 Prozent. Mit einem solchen Geldmengenvermehren kann natürlich ein unmittelbarer Zahlungsausfall von Banken und Staaten abgewendet werden. Welche Geldbeträge die EZB letztlich insgesamt in Umlauf geben wird, und ob dadurch der Euroraum zusammengehalten werden kann, wird sich zeigen. Bedenken sollte man an dieser Stelle, dass eine Vermehrung der Euro-Geldmenge nicht ohne Folgen bleibt. Eine davon ist, dass einige Nationen besser gestellt werden auf Kosten anderer. Absehbar, dass politische Zentrifugalkräfte in Gang kämen – die den Euroraum nicht stützen würden.
Werden aufgrund der bevorstehenden EZB-Politik die Vermögenspreise (Aktien und Immobilien) weiter steigen?
Wenn die EZB den Banken Wertpapiere abkauft, strömt das neu geschaffene Geld zunächst in den Bankenapparat. So gesehen ist plausibel, dass der preiswirksame Effekt des neu geschaffenen Geldes zunächst nur in der Finanzsphäre wirksam wird – und sich in steigenden Kursen für zum Beispiel Aktien und Anleihen zeigt. Wenn die EZB jedoch Wertpapiere auch von sogenannten Nichtbanken (hierzu zählen zum Beispiel Versicherungen und Pensionskassen) kauft, steigt die umlaufende Geldmenge M1 bis M3 unmittelbar an. Wozu sie verwendet würde, lässt sich vorab zwar nicht genau sagen. Dass jedoch eine solche Geldmengenvermehrung preiswirksam wird, damit wäre zu rechnen.
Könnte Gold vom künftigen EZB-Vorgehen profitieren?
Bekanntlich hängt der Goldpreis von einer Vielzahl von Faktoren ab, die zumeist weltweit zu finden sind. Mit Blick auf die EZB-Politik lässt sich an dieser Stelle das Folgende sagen: Wenn die EZB auf eine Geldmengenausweitung einschwenkt, dürfte das den Außenwert des Euro drücken. So problematisch das natürlich auch ist, es würde die Halter von Gold, soweit diese in Euro bilanzieren, begünstigen – gleiches gilt natürlich auch für die Besitzer von Vermögen, soweit es in Währungen ausgewiesen ist, die gegenüber dem Euro aufwerten.
Für die Goldpreisentwicklung ist letztlich das Vertrauen in die Werthaltigkeit des ungedeckten Papiergeldes entscheidend. Derzeit ist das Vertrauen sehr groß: Man sehe sich nur einmal die Sparstruktur im Euroraum an. Geldanlagen wie Termin- und Sparanlagen, aber auch Staats- und Bankschuldpapiere sind heute im Grunde immer noch so beliebt wie vor Ausbruch der Krise 2008. Ein großangelegtes Abwandern aus den klassischen Sparmedien ließ sich bislang nicht beobachten. Sollte der „Run for the exit“ jedoch einmal einsetzen, wird es wohl beim Goldpreis kein Halten mehr geben.
Keine Zinsen mehr auf dem Sparbuch, stattdessen eine sich in Zukunft wahrscheinlich verschärfende Steuerrepression: Inwiefern kann ein desolates Geldsystem die Freiheit der Bürger bedrohen?
Da sprechen Sie ein ganz wichtiges Thema an. Gutes Geld ist unverzichtbar für Wachstum und Beschäftigung, weil nur gutes Geld die Freiheit von Bürgern und Unternehmern wahrt. Schlechtes Geld, also inflationäres Geld, schädigt das Gemeinwesen. Es entwertet beispielsweise die Ersparnisse der Bürger, degradiert sie zu Almosenempfängern, macht sie zusehends abhängig von staatlichen Zuwendungen. Inflationäres Geld sorgt zudem für „Boom-und-Bust“-Zyklen und schmälert dadurch die Kapitalstock der Unternehmer. Vielen Menschen ist vermutlich immer noch nicht bewusst, wie schlecht das heutige Geld ist – ob nun US-Dollar, Euro oder chinesischer Renminbi –, und auf welche Weise es den Wohlstand der Nationen untergräbt. Das ist übrigens auch der Grund, warum Dr. Michael von Prollius und ich unser Buch „Geldreform“ neu aufgelegt haben: Eine konstruktive öffentliche Debatte über eine Reform der herrschenden Geldordnung, oder besser: Geldunordnung, ist überfällig.
Die Fragen stellte Helge Rehbein.
Dieses Interview lesen Sie in der soeben erschienenen Sonderpublikation "Gold und Sachwerte" der BörseGo AG. Sie können die Publikation HIER kostenlos herunterladen.
Bitte beachten Sie auch den heutigen Börsen-Talk mit dem Finanzmarktanalysten Jochen Stanzl: Thorsten Polleit, Chefvolkswirt der Degussa Goldhandel und Präsident des Ludwig von Mises Instituts Deutschland, der „Silberjunge“ Thorsten Schulte, Dimitri Speck von „Seasonalcharts“ und Spezialist für Gold-Preismanipulation, Stefan Riße, bekannt aus n-tv und Autor des Buchs „Die Inflation kommt“, sowie Hamed Esnaashari, aktiver Guidants-Analyst für Gold, werden die aktuelle Lage am Gold- und Silbermarkt beleuchten – jeweils aus ihrem speziellen Blickwinkel. Das Webinar findet am heutigen 30. Oktober um 18.00 statt.
Melden Sie sich HIER für das Webinar an. Sollten Sie zu dem Termin verhindert sein, können Sie sich den Mitschnitt im Laufe der kommenden Woche auf dem Guidants-Expertendesktop von Jochen Stanzl anschauen.
Thorsten Polleit (Jahrgang 1967) ist Chefökonom der Degussa Goldhandel, Präsident des Ludwig von Mises Institut Deutschland und Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance & Management. Im Oktober 2014 hat Polleit zusammen mit Dr. Michael von Prollius im FinanzBuch Verlag den Titel „Geldreform: Vom schlechten Staatsgeld zum guten Marktgeld“ (14,99 Euro) veröffentlicht. Die beiden führenden Vertreter der „Österreichischen Schule”, die das Geldmonopol durch Staaten und ihre Notenbanken grundsätzlich in Frage stellt, zeigen darin: Das staatliche Zwangsgeld leidet unter schwerwiegenden ökonomischen und ethischen Defiziten. Es ist inflationär, es ist ein Fremd- und Störfaktor im Gefüge freier Märkte und verursacht Finanz- und Wirtschaftskrisen. Zudem sorgt es für immer größere Schuldenlasten. Die Autoren plädieren für eine marktwirtschaftliche Geldordnung, die das staatliche Zwangsgeldsystem ablösen soll.
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