Kommentar
06:16 Uhr, 12.09.2016

Inflation als neues Instrument der Notenbanken?

Notenbanken versuchen Inflation zu erzeugen – und scheitern. Wenn man schon keine Inflation durch Geldpolitik erzeugen kann, so kann man Inflation immerhin zu einem geldpolitischen Instrument an sich machen.

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Obwohl Notenbanken die ganze Zeit von Inflation oder deren Fehlen sprechen, ist das Thema Inflation für Notenbanken noch relativ neu. Notenbanken haben sich immer mit der Inflation auseinandergesetzt und praktisch schon immer die Zinsen nach der Teuerungsrate ausgerichtet. Was allerdings ein relativ neues Phänomen ist, ist das Inflationsziel.

Die Notenbank von Neuseeland war die erste, die ein offizielles Inflationsziel ausgab. Das war im Jahr 1990. Seitdem haben viele andere Notenbanken ebenfalls Inflationsziele eingeführt und damit ihr Mandat konkretisiert. Die meisten Zentralbanken sollen für Preisstabilität sorgen. Das ist ein recht weit gefasstes Mandat und ziemlich schwammig. Durch ein Inflationsziel ist das Mandat konkret geworden.

Bevor Notenbanken Inflationsziele ausgaben war niemandem so richtig klar, was Preisstabilität nun eigentlich heißt. Jetzt weiß es jeder. In den USA und in der Eurozone gilt eine Teuerungsrate von 2 % als stabil.

Im engen Sinne ist eine Inflation von 2 % alles andere als ein Garant für Preisstabilität. Per Definition sind Preise stabil, wenn sie sich nicht verändern und nicht, wenn sie jedes Jahr um 2 % steigen. Eine positive Inflationsrate als Ziel für Preisstabilität herauszugeben macht dennoch Sinn.

Inflation ist ein wichtiges Steuerungsinstrument in der Geldpolitik. Beachtung finden für gewöhnlich die nominalen Zinssätze (z.B. ein Leitzins von 0,5 %), doch was wirklich zählt, das sind die Realzinsen (nominaler Zinssatz minus Inflation). Liegt ein Inflationsziel bei 0 %, dann hat die Notenbank wenig Spielraum im Abschwung überhaupt etwas zu tun. Je niedriger die Zielinflation ist, desto weniger kann eine Notenbank die Zinsen senken, wenn sie die Geldpolitik lockern will.

In einem konkreten Beispiel kann man sich zwei Welten mit unterschiedlichen Inflationszielen vorstellen. In der einen gilt ein Ziel von 0 %, in der anderen gelten 2 %. In beiden Welten läuft die Wirtschaft gut, sodass die Notenbank einen Realzins von 2 % für angemessen hält. Der nominale Zinssatz liegt demnach einmal bei 2 % in der Welt mit 0 % Inflationsziel und bei 4 % in der Welt mit dem 2 % Ziel.

Nun kommt es zu einem Abschwung. Beide Notenbanken wollen daher die Zinsen senken. Geht man davon aus, dass ein Leitzins von 0 % als Untergrenze gilt, kann die eine Notenbank die Zinsen um 2 % senken, die andere um 4 %. Man kann sich gut vorstellen, in welcher Welt die Zinssenkungen mehr Wirkung zeigen werden.

Notenbanken haben derzeit das Problem, dass ihnen die Instrumente für den nächsten Abschwung fehlen. Zinsen sind schon am unteren Rand des Möglichen angekommen und in einigen Währungsräumen gehen die Anleihen aus, die noch gekauft werden könnten (Japan). Um im nächsten Abschwung überhaupt handlungsfähig zu sein haben Notenbanken ein großes Interesse an höheren nominalen Zinsen. Diese lassen sich freilich nur implementieren, wenn auch die Inflation steigt.

Wer einen möglichst hohen nominalen Zinssatz will, der muss der Inflation mehr Raum lassen. Viele Notenbanken sehen derzeit 2 % als Zielmarke, doch das könnte zu wenig sein. Einige Notenbanker schlagen daher vor, die Zielinflation anzuheben. Das kann die Inflationserwartungen von Marktteilnehmern nach oben bewegen. Laut Theorie sollte allein das schon einen positiven Effekt auf die Inflation haben.

Wer erwartet, dass eine Notenbank höhere Inflation als 2 % zulassen wird, würde unter rationalen Gesichtspunkten Investitionen und Konsum beschleunigen, solange das Geld noch den aktuellen Wert hat. In der Praxis dürfte das kaum funktionieren. Wenn die letzten Jahre eine Lehre waren, dann gewiss in dieser Hinsicht.

Wie dem auch sei, Notenbanker überlegen, ob sie die Inflationsziele nicht anheben sollen, um Inflation zu erzeugen. In der Theorie ist das ein nahezu genialer Schachzug. Praktisch muss man sich fragen, ob es in der Realität überhaupt einen Anhaltspunkt dafür gibt. Die Grafik zeigt dazu die Inflationsrate und die Zinsen in den USA. Man fragt sich, wer da wem folgt – die Inflation den Zinsen oder die Zinsen der Inflation?

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Laut Theorie sollten niedrige Zinsen Inflation erzeugen, am besten unterstützt durch eine hohe Zielinflation. In der Realität scheint das noch nie funktioniert zu haben. Vielmehr macht die Inflation, was sie will und die Zinsen passen sich entsprechend an. Besonders eindrücklich war dies in der Zeit von 1991 bis 1997. In dieser Zeit fielen die Zinsen erst und wurden dann deutlich angehoben. Die Inflation blieb in dem gesamten Zeitraum stabil. Die Zinspolitik hatte wenig Einfluss auf die Inflation.

Ob nun die Inflationsziele der Notenbank angehoben werden oder nicht, ist fast irrelevant. Es dürfte sich an der tatsächlichen Inflation wenig ändern. Die letzten Jahre haben bereits gezeigt, dass Inflationsziele Makulatur sind. Wenn die Notenbanken 2 % nicht erreichen können, wie sollen sie da ein höheres Ziel von etwa 3 % erreichen?

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  • tourguide
    tourguide

    Hallo Herr Schmalle, ich lese immer wieder gern Ihre Berichte. Sie sind das Beispiel der korrekten Wiedergabe des theoretischen Wissen welches heute scheinbar auf den Universitäten gelehrt wird. Ab er ich kann es immer nur wiederholen. Geld muss arbeiten: und zwar in der Wirtschaft. Wenn es Kluster bildet und immmer nur im Geldmarkt hin- un hergeschoben wird, wird sich auch in der Realwirtschaft nichts ändern. Da können Sie mit Fachwissen jonglieren wie sie wollen. Lesen Sie sich die Berichte über die neue Massenarmut in Europa durch. Wie soll hier Inflation geschaffen werden. Wenn der Konsum nicht anspringt, die Unternehmen nicht investieren, der Staat (außer D) am Hungertuch nagt. Die paar Reichen werden es nicht richten. Und zudem wieder durch die geschürte Kriegsangst das Kapital noch nach Übersee transferiert!

    06:29 Uhr, 12.09. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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