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15:11 Uhr, 23.08.2017

Indische Reformen nehmen Fahrt auf

Nach Einschätzung von Michael Hasenstab, CIO von Templeton Global Macro, steuert Indien auf eine glänzende Zukunft zu, und der Wachstumspfad des Landes dürfte – trotz einiger kurzfristiger Anpassungen – stark bleiben.

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San Mateo (GodmodeTrader.de) - Anfang dieses Sommers sind wir nach Indien gereist – es war eine gute Zeit für einen Besuch. Das Land hat in den jüngsten Jahren unter der Führung von Premierminister Narendra Modi, der seit Mai 2014 im Amt ist, ambitionierte Reformen in Angriff genommen. Die indische Wirtschaft scheint sich unter Modi belebt zu haben: das jährliche Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP), das vor seinem Amtsantritt 2013 noch bei 5,5 Prozent lag, ist auf 7,5 Prozent im Jahr 2015 und acht Prozent im Jahr 2016 angestiegen.Mit dieser Wachstumsrate liegt das Land unter den größten Volkswirtschaften der Welt an der Spitze, und es hat in den jüngsten Quartalen mehrere Wellen ausländischen Kapitals verzeichnet, wie Michael Hasenstab, CIO von Templeton Global Macro, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Derzeit befinde man sich jedoch an einem kritischen Punkt für die Amtszeit Modis. Das Wachstum habesich 2017 leicht abgeschwächt (auf ein geschätztes jährliches Wachstum von 7,1 Prozent), da einige der Reformmaßnahmen kurzfristige Belastungen verursacht hätten. Dies scheine einige Marktteilnehmer zu beunruhigen, die kurzfristigen negativen Auswirkungen auf das Wachstum seien häufig jedoch notwendige Konsequenzen aus der Umsetzung der richtigen langfristigen Lösungen, heißt es weiter.

„Der Schlüssel für die Zukunft der indischen Wirtschaft wird aller Wahrscheinlichkeit nach nicht davon abhängen, wie sich das Wachstum in den nächsten paar Quartalen gestaltet, sondern vielmehr davon, ob Modi auch weiterhin die Art dauerhafter transformativer Reformen durchsetzen kann, die Indien benötigt, und ob hierdurch das wirtschaftliche Potenzial des Landes deutlich erhöht werden kann. Unserer Einschätzung nach ist dies durchaus möglich“, so Hasenstab.

So seien bereits (im Mai 2016) Konkursgesetze erlassen worden, die darauf abzielten, eine Durchsetzung von Verträgen zu unterstützen und letztlich eine verstärkte Darlehenstätigkeit zu fördern, indem sie das Vertrauen in das Finanzsystem stärkten. Zudem seien massive Anpassungen an der Abgabenordnung durchgeführt worden, im Zuge derer (im Juli 2017) eine Steuer auf Waren und Dienstleistungen eingeführt worden sei, die dazu beitrage, die Komplexität und Ineffizienz des inländischen Tarifsystems zu vermindern. Die Regierung habe zudem (im November 2016) einen gewagten Plan umgesetzt, bei dem 86 Prozent des umlaufenden Bargeldes entwertet worden sei, um so finanzielle Mittel aus der Schattenwirtschaft herauszulösen und in die reguläre Wirtschaft einzubinden. Dies seien beispiellose und wichtige strukturelle Reformen für Indien – Modis Regierung sei es gelungen, Fortschritte in Politikfeldern zu erzielen, in denen es unter den vorherigen Regierungen seit Jahrzehnten keinerlei Bewegung gegeben habe, heißt es weiter.

„Aus makroökonomischer Sicht hat Modi zudem für dringend benötigte Stabilität gesorgt. Die Reserve Bank of India (RBI) hat eine aus unserer Sicht verantwortungsvolle Geldpolitik beibehalten und Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung eingesetzt, um Phasen erhöhter Inflation, die die Wirtschaft destabilisieren könnten, ein Ende zu setzen. So ist die Inflation in Indien auf jährlicher Basis von über zehn Prozent im Jahr 2013 auf unter zwei Prozent im Jahr 2017 gesunken. Auf der fiskalpolitischen Seite hat die Regierung unserer Ansicht nach ebenfalls ihren Beitrag geleistet, indem sie einen verantwortungsvollen Haushalt gewahrt hat. Auch die Leistungsbilanz hat sich gegenüber den 2013 verzeichneten hohen Defiziten deutlich verbessert“, so Hasenstab.

Alles in allem zeichne sich hiermit für Indien ein relativ solides makroökonomisches Bild ab. Was für die langfristige Gesundheit gut sei, könne kurzfristig jedoch bisweilen wie bittere Medizin erscheinen. Um ihre Glaubwürdigkeit zu sichern, könne eine Zentralbank gezwungen sein, höhere Zinsen zu wahren, während eine Regierung gegebenenfalls ihre Ausgaben kürzen müsse, um Haushaltsdisziplin zu beweisen. Derartige Maßnahmen könnten das kurzfristige Wachstum beschränken, die längerfristige Robustheit der Wirtschaft jedoch stärken, heißt es weiter.

„Im kommenden Jahr oder auch ein wenig darüber hinaus könnte sich die Wirtschaftstätigkeit in Indien abschwächen. Unserer Einschätzung nach ist es für Anleger jedoch wichtig, zu erkennen, dass dies eine Dämpfung des Wachstums der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaft der Welt wäre, und nicht etwa eine Kontraktion oder Entgleisung. Indien entwickelt gerade eine neue Vision seiner wirtschaftlichen Zukunft, und diese kurzfristigen Anpassungen könnten in den kommenden Jahrzehnten immenses wirtschaftliches Potenzial freisetzen“, so Hasenstab.

Alles in allem bleibe der positive Ausblick für Indien trotz der kurzfristigen Herausforderungen unverändert. Es gebe eine Reihe zusätzlicher Maßnahmen, die die Regierung in den kommenden Jahren ergreifen könne, um die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft in den bevorstehenden Jahrzehnten zu beeinflussen. Maßnahmen für den Umgang mit der Anhäufung notleidender Kredite im Bankensektor und zur Verbesserung des allgemeinen Vertrauens in das Finanzsystem dürften wichtig sein. Zudem seien an den Grundstücks- und Arbeitsmärkten, im Versorgungssektor und in der Transportinfrastruktur Ineffizienzen zu beobachten, die durch umfassende Reformen vermindert werden könnten, heißt es weiter.

„Dennoch befindet sich Indien aus unserer Sicht als globaler Anleihenmanager mit einer fiskalpolitisch konservativen Regierung, einer sich abkühlenden aber weitgehend widerstandsfähigen Wirtschaft und einer Zentralbank, die die Inflation in den Griff bekommen und angemessene Zinsen gewahrt hat, in einer attraktiven Phase. Dies sind für Anleihen gute Bedingungen, und wir beobachten an den indischen Märkten für auf Lokalwährung lautende Titel weiterhin attraktive Bewertungen. Alles in allem schätzen wir die Reformanstrengungen Modis optimistisch ein und sehen nach wie vor ein zunehmendes wirtschaftliches Potenzial für das Land“, so Hasenstab.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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