Griechenland: Reprofilierung der Staatsschulden in Betracht ziehen
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Frankfurt (BoerseGo.de) – Die Verschärfung der Schuldenkrise in Griechenland sorgt in der Eurozone zunehmend für Unsicherheit. Die Sorgen kochen hoch, dass Griechenland seine Schulden nicht mehr bedienen kann. Dennoch stehe ein Euro-Austritt nicht zur Diskussion, schreibt Jan A. Poser, Chefökonom der Bank Sarasin & Cie in seiner aktuellen Finanzmarktanalyse.
Inzwischen sei klar, dass Griechenland nicht wie geplant im Jahr 2012 an die Kapitalmärkte zurückkehren wird. Um die Fälligkeiten des Jahres 2012 zu begleichen, seien fast 60 Milliarden Euro nötig, betont Poser. „Die Eurozone befindet sich in einer Zwickmühle“, meint Poser. „Sie hat kein Drohpotenzial gegenüber Griechenland, weil eine Nicht-Auszahlung der Hilfsgelder unabsehbare Folgen für alle Beteiligten hätte. Über die möglichen Schritte und ihre mutmaßlichen Folgen herrscht zunehmende Verwirrung“.
Schon seit einem Jahr kursierten Gerüchte, die Eurozone könnte Griechenlands Mitgliedschaft suspendieren, so der Ökonom. Effektiv würde es sich dabei jedoch nicht um einen Ausstieg Griechenlands aus dem Euro handeln, sondern lediglich um eine temporäre Aufhebung des Stimmrechts innerhalb der Gruppe der Euroländer. Laut Poser eine reichlich stumpfe Maßnahme, angesichts der ohnehin schwachen Verhandlungsposition Griechenlands. „Ein Euroaustritt steht nicht zur Diskussion. Weder bestehen die legalen Voraussetzungen dafür, noch wäre er technisch in einer ordentlichen Frist durchführbar“, ist Poser überzeugt.
Ökonomisch und politisch hält die Bank Sarasin einen Euro-Austritt für gänzlich ausgeschlossen: Über Nacht würden Anleger ihr Geld von griechischen Banken abziehen und sie in die Illiquidität zwingen. Eine Abwertung der neuen Drachme um 30 bis 50 Prozent würde die Forderungen europäischer Banken an griechische halbieren. Diese lagen Ende 2010 bei 100 Milliarden Euro. Griechenland würde in das Zeitalter hoher Inflation und Volatilität zurückfallen. Es wäre von heute auf morgen von der EU-Hilfe und den internationalen Finanzmärkten abgeschnitten und müsste unverzüglich den Staatsbankrott erklären. Die Kosten für alle Beteiligten sind so hoch, dass ein Euro-Austritt bei den EU-Gipfeln kein Thema sein sollte.
Weitaus gravierender wären nur noch die ökonomischen Folgen eines Schuldenschnitts, gibt der Sarasin-Experte zu bedenken. Eine solche Umschuldung verursache in der momentanen Situation weitaus mehr Kosten als Nutzen. Da 21 Prozent der Schulden im Inland gehalten werden, würden griechische Banken, Versicherungen und Pensionskassen Verluste in Höhe von ca. 15 Prozent vom BIP erleiden. Viele wären sofort bankrott. Die Insolvenz griechischer Finanzinstitute würde Schockwellen durch das europäische Finanzsystem schicken. Neben den über 260 Milliarden Euro an griechischen Staatsschulden, haben die europäischen Banken Ausstände an Griechenland in Höhe von über 100 Milliarden Euro. Die Frage, welche Banken betroffen sind, könnte zu einer erneuten Kreditklemme führen.
Poser plädiert, eine Reprofilierung der Staatsschulden in Betracht zu ziehen. „Reprofilierung bedeutet, dass es nicht zu einer Senkung des Wertes der Schuldtitel kommen würde, aber dafür die Auszahlungen von Kupon und/oder Nennwert verlängert wird. Dadurch blieben erstens die privaten Gläubiger in der Pflicht. Zweitens würde der Schutzschirm kurzfristig weniger beansprucht. Drittens würde Griechenland mehr Zeit gewinnen, seine Schulden zu tilgen“.
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