Fundamentale Nachricht
17:59 Uhr, 15.07.2020

Geringe Erwartungen an bevorstehende EZB-Sitzung

Peter Allen Goves, European Interest Rate Strategist bei MFS Investment Management, ist im Vorfeld der EZB-Sitzung am Donnerstag der Ansicht, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein großer Bedarf an weiteren Maßnahmen seitens der Europäischen Zentralbank (EZB) besteht.

Das makroökonomische Gesamtbild hat sich seit der letzten EZB-Sitzung im Juni nicht wesentlich verändert. Die Wirtschaft erholt sich weiter, und die Inflationsaussichten sind gedämpft. Das Pandemie-Notkaufprogramm (Pandemic Emergency Purchase Programme, PEPP) bietet nach wie vor genügend Flexibilität, um jede ungerechtfertigte Verschärfung der finanziellen Lage zu bekämpfen. Das im Juni durchgeführte gezielte, längerfristige Refinanzierungsgeschäft (TLTRO) war erfolgreich, und die zusätzliche Liquidität von rund 550 Milliarden Euro wird als ausreichend angesehen, um den privaten Sektor in der Erholungsphase zu unterstützen – oder zumindest die Liquiditätskrise zu verringern. Insgesamt sind wir der Ansicht, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein großer Bedarf an weiteren Maßnahmen seitens der Europäischen Zentralbank (EZB) besteht. Wenn überhaupt, dann wird die Kommunikation der EZB genau beobachtet werden.

Die jüngsten Kommentare einiger EZB-Ratsmitglieder klangen etwas gemischter. Nach unserer Einschätzung können wir vorerst eine weniger taubenhafte Haltung seitens Christine Lagarde ausschließen. Doch mehr Optimismus in Bezug auf die weitere Entwicklung der Maßnahmen dürfte insgesamt als eine "gute" Nachricht betrachtet werden. Auch die jüngsten Fortschritte im Zusammenhang mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts dürften zur Sprache kommen. Jüngste Entscheidungen des Deutschen Bundestages legen nahe, dass die "Verhältnismäßigkeit" angesichts der kürzlich von der EZB vorgelegten Papiere kein Thema ist. Es wird erwartet, dass Lagarde bestätigt, dass der "Ansatz" der EZB als rechtmäßig beurteilt wurde, sodass diese Diskussion vorerst nicht geführt werden muss.

EU-Recovery Fund dürfte vom Markt begrüßt werden

Mit Blick auf den EU-Recovery Fund glauben wir, dass am Ende so etwas wie das, was die Europäische Kommission vorgeschlagen hat, herauskommen wird. Immerhin basierte dieser weitgehend auf dem mit Unterstützung Frankreichs und Deutschlands angekündigten Vorschlag. Wir halten die Einbeziehung von Zuschüssen und den Einsatz neuer Haushaltsmaßnahmen für bedeutsam. Wir glauben, dies repräsentiert symbolisch und signalisiert politisch einen Schritt in Richtung einer stärkeren fiskalischen Integration der EU. Daher erwarten wir, dass der „Wiederaufbaufonds“ von den Investoren und dem Markt begrüßt wird und die Bedenken der Eurozone infolge der ihm zugrunde liegenden Solidarität verringern kann.

Geringe Bewegungen im europäischen Zinsumfeld erwartet

Sollte die Diskussion über den Wiederaufbaufonds im EU-Rat zu Fortschritten in die richtige Richtung führen, erwarten wir nur sehr geringe Bewegungen im europäischen Zinsumfeld. Der Markt scheint eine Art Kompromiss zwischen den großen EU-Partnern einzupreisen. Anzeichen dafür, dass die wichtigsten Bausteine – Größe, Anteil von Darlehen und Zuschüssen, Finanzierung – die Grundlagen für ein vorübergehendes, aber robustes, gemeinsames europäisches Fiskalprojekt geschaffen haben, wären für die Märkte positiv. Die derzeit niedrige Risikoprämie würde bestehen bleiben.

Besteht die Möglichkeit, dass die Prämien wieder das Niveau vom März erreichen?

Ausgehend von den aktuellen Informationen und dem vorausschauenden Veranstaltungskalender ist unsere zentrale Annahme, dass die Renditen in Europa generell niedrig bleiben. Dies beruht auf dem Umfang der EZB-Unterstützung, die aktuell mit einer vorsichtigen Erholung und einer sich entwickelnden und beträchtlichen fiskalischen Reaktion einhergeht. Alle Augen bleiben auf das Ausmaß der Rückkehr der wirtschaftlichen Aktivität gerichtet – insbesondere auf die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Zudem müssen wir auch weiterhin alle Coronavirus-Daten ernst nehmen.

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