Kommentar
16:50 Uhr, 13.02.2017

Geldpolitik: von der Theorie zur Praxis

Die Bank of England erklärt wie man Geldpolitik macht. Das Ergebnis ist ziemlich interessant und hat vermutlich mehr mit Gefühl zu tun.

Eines der wichtigsten Kernelemente der Geldpolitik ist die Ausrichtung an der Inflation. Die meisten großen Notenbanken sehen 2 % Inflation als erstrebenswert an. Viele Jahre lang wurde dieses Ziel verfehlt. Nun kommt die Inflation zurück. Für viele ist das überraschend und wirft Fragen auf.

In Großbritannien ist das Inflationsziel von 2 % noch nicht erreicht. Es ist jedoch nur noch eine Frage von wenigen Wochen bis es soweit ist. Dafür gibt es zwei Gründe. Einerseits steigen die Rohstoffpreise, die ein wichtiger Inflationstreiber sind. Andererseits wertet das Pfund ab, was Importe verteuert. Großbritannien importiert für gewöhnlich mehr als es exportiert. Eine schwache Währung schlägt dadurch auf die Inflation stark durch.

Es gibt noch einen dritten Faktor, der die Inflation treibt: die Arbeitslosigkeit. Ist die Arbeitslosigkeit sehr niedrig und wird dadurch Arbeit knapp, müssen die Löhne steigen, damit Unternehmen noch geeignete Mitarbeiter finden. Beginnen die Löhne erst überdurchschnittlich zu steigen, wird auch mehr konsumiert und die Preise beginnen stärker anzuziehen.

Es ist nicht ganz klar, wie hoch die Arbeitslosigkeit sein muss, um inflationsneutral zu sein. Notenbanken schätzen die inflationsneutrale Arbeitslosenrate. Die Bank of England schätzte bisher, dass eine Rate unterhalb von 5 % zu überdurchschnittlichen Lohnsteigerungen führt und somit die Inflation anheizt.

Bei ihrem letzten geldpolitischen Entscheid entschied sich die BoE um. Nun soll die Gleichgewichtsrate nicht mehr bei 5 % liegen, sondern nur noch bei 4,5 %. Das ist der wohl größte Schritt in der Geschichte der inflationsneutralen Arbeitslosenrate. Die Grafik zeigt, wie sich diese Rate über die Jahre entwickelt hat. Man kann gut erkennen, dass Raten unterhalb der Gleichgewichtsrate zu einer erhöhten Inflation geführt haben.

Die Arbeitslosenrate sank zuletzt unter die Marke von 5 %. Die Notenbank hätte also folglich bald an der Zinsschraube drehen müssen, um einen Inflationsanstieg zu verhindern. Das muss sie nun nicht mehr, denn sie hat den Maßstab einfach verrückt. Jetzt sieht sie sich erst gezwungen an der Zinsschraube zu drehen, wenn die Arbeitslosenrate unter 4,5 % sinkt.

So einfach geht Geldpolitik, wenn man will. Auf Fakten kommt es da nicht wirklich an. Vielmehr hat man den Eindruck, dass es sich die BoE so richtet, wie es ihr gerade passt. Gewiss, der rasche Inflationsanstieg der letzten Monate ist auf temporäre Faktoren zurückzuführen. Die Geldpolitik kann dagegen nur bedingt etwas ausrichten. Die BoE bestimmt ja nicht den Ölpreis.

Die Notenbank kann aber sehr wohl Einfluss auf den Wechselkurs nehmen, der aktuell in Großbritannien zur Steigerung der Inflationsrate massiv beiträgt. Das tut die Notenbank nicht und argumentiert nun mit den Lohnzuwächsen. Die eigentliche Inflationsrate scheint der BoE nun völlig egal zu sein, obwohl sie seit Jahren auf der niedrigen Inflation herumreitet. Das ist schon ein wenig unseriös.

Eine Zinsanhebung ist momentan vielleicht nicht optimal. Sie würde die Unsicherheit rund um den Brexit noch verschärfen. Die BoE verhält sich mit ihrer Entscheidung nun aber mehr politisch motiviert. Mit dem Mandat der Preisstabilität hat das wenig zu tun. Würde ihr an der Erfüllung ihres Mandats etwas liegen, sollten bald Zinserhöhungen auf der Agenda stehen. Es scheint so, als sei die Geldpolitik nun endgültig in eine Gefühlssache abgerutscht.

Der Fall zeigt, dass Notenbanken noch nicht bereit sind, der Niedrigzinspolitik den Rücken zu kehren. Die Zinswende läuft, daran ändern auch „Späße“ wie die der BoE nichts. Die Zinswende verläuft aber wohl doch deutlich langsamer, als man es zuletzt erwartet hatte.

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Clemens Schmale

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3 Kommentare

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  • tschak
    tschak

    NAIRU, bzw. Inflations-auslösung (erst) durch (stark) an/steigende Löhne. Wäre ich Notenbanker, würde ich es wohl so ähnlich machen. Im Endeffekt wollen wir doch alle keine Rezession - auch wenn's wohl ab und zu ein notwendiges Übel sein muss - aber JETZT? inmitten des Trübsalblasens?? Vielleicht sind Notenbanker ja noch mehr fähig, als wir Anderen, LANGFRISTIG !! zu denken...

    22:44 Uhr, 13.02. 2017
  • einfach
    einfach

    die meisten notenbanken außer der boj stehen vor dem problem, dass in den nächsten jahren gewaltige infrastruktur und alterungsprobleme auf die gesellschaften zukommen und das bei einer verschuldung von über 100% da ist jeder gedanke an einen längeren zinserhöhungspfad illusorisch.

    die boj hat zwar auch die gleichen probleme, aber bei der boj ist das hauptproblem die verschuldung von über 250% vom bip da ist eine zinserhöhung nicht nur illusorisch sondern aussichtslos.

    jeder veröffentliche bericht über zinserhöhungen ist reines wunschdenken und zeigt nur die einfallslosigkeit der berichteschreiber auf.

    20:50 Uhr, 13.02. 2017
  • Data75
    Data75

    Interessante Theorie, dass die Löhne steigen müssenbei Fachkräftemangel. In Deutschlandist dieses nicht zu beobachten trotz Fachkräftemangels (zumindest wird das immer propagiert). Zwar sind in den letzten Jahren einige Lohnerhöhungen zu beobachten aber nicht im Bereich des Mangels. Vielmehr müssen die Mitarbeiter einfach mehr Arbeit erledigen.

    19:48 Uhr, 13.02. 2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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