Kommentar
07:03 Uhr, 18.05.2019

Geldpolitik: Die kritische Phase beginnt

Die Schrumpfkur der Fed-Bilanz ist fast vorbei. Es ist aber der kritischste Moment der Geldpolitik der letzten Jahre.

An Spannung hat es in der Geldpolitik in den letzten Jahren wirklich nicht gemangelt. Begonnen hat alles mit dem Zusammenbruch der Liquidität. Banken liehen sich untereinander kein Geld mehr. Da es praktisch kaum Reserven im System gab, war dieser Störfall im Interbankenmarkt katastrophal. Die Notenbank lernte schnell und flutete im September 2008 das System mit Reserven, indem sie Anleihen kaufte. Die große Krise war damit zunächst abgewendet. Banken waren weniger auf das Geld anderer Banken angewiesen.

Dieser ersten Krise folgte eine wirtschaftliche. Um Vertrauen aufzubauen und die Zinsen tief zu halten, gab es insgesamt drei QE-Programme. Diese liefen Ende 2014 aus. Mehrere Jahre wurde die Bilanzsumme der Notenbank konstant hoch gehalten. Dabei war es immer der Plan, die Bilanzsumme auch wieder zu normalisieren.

Dieser Prozess begann Ende 2017. Seither ist die Bilanzsumme der Fed um 625 Mrd. Dollar geschrumpft (Grafik 1). Die Überschussreserven der Banken fallen schon seit längerem. Inzwischen hat dieser Rückgang das Ausmaß von 1,33 Billionen Dollar erreicht.


Der Grund für den überproportionalen Rückgang (ungefähr doppelt so schnell wie die Notenbankbilanz) ist schnell gefunden. Die Bilanzsummen der Banken steigen kräftig weiter (Grafik 2). Da Assets z.B. Kredite sind, die mit Reserven unterlegt werden müssen, sinken die Überschussreserven, wenn die Bilanzsumme steigt.

Nun soll es aber gerade an Reserven nicht mehr mangeln. Mangelwirtschaft war vor 2008. Überschussreserven gab es praktisch nicht. Seither gibt es sie. Das ist ein fundamentaler Wechsel der gesamten Geldpolitik gewesen. Die Notenbank kontrollierte die Zinsen, indem sie den Zins festlegte, zu dem sich Banken bei der Fed Geld leihen konnten.

Überschussreserven haben das obsolet gemacht. Nun werden die Zinsen bestimmt, indem die Fed Zinsen auf Überschussreserven zahlt. Das System ist ein vollkommen anderes und es bringt Probleme mit sich. Es gibt zwar insgesamt ausreichend Reserven, doch diese sind nicht gleichmäßig verteilt. Einige Banken haben zu wenig. Sie müssen sich von anderen Banken Geld leihen.

Dies führte dazu, dass dieser Zinssatz (effektive Fed Funds Rate) über den Zins auf Überschussreserven stieg. Damit das obere Ende der Zinsspanne von 2,5 % nicht überschritten wird, musste die Fed den Zins auf Überschussreserven zuletzt senken (Grafik 3).


Das ändert allerdings nichts daran, dass die effektive Fed Funds Rate (EFF) explodieren kann, wenn Reserven fehlen. Die Fed weiß nicht gena,u wie viel es wirklich braucht. Sie tastet sich gerade an diesen Wert heran. Es ist ein großes Experiment. Reduziert sie ihre Bilanz zu sehr, fehlt es an Reserven, die EFF explodiert und in der Folge entgleitet der Fed die Kontrolle über die Zinsen.

Es ist also gerade ein besonders kritischer Moment in der Geldpolitik. Einen solchen Moment gab es noch nicht. Das System ist ja neu und seit Einführung vor 10 Jahren gab es den jetzigen Fall noch nie. Geht das Experiment schief (EFF steigt über Zielband), muss die Fed das System zwangsweise mit Reserven fluten. Dies geschieht über Assetkäufe.

Die Notenbank muss ihre Bilanzsumme zukünftig immer weiter ausbauen, damit es immer ausreichend Reserven gibt. Jetzt wird ausgetestet wie weit die Bilanzsumme noch schrumpfen kann. Im Ernstfall muss es ein Notfall-QE Programm geben. Man stelle sich nur vor, was dann los wäre.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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