Kommentar
10:52 Uhr, 03.08.2017

Geldpolitik: Die gefährliche Nostalgie der Notenbanken

Manche Dinge lassen sich einfach nicht erklären. Dazu gehört auch die Nostalgie der Notenbanken. Sie halten an längst überholten Ideen fest.

Die Notenbanken brüsten sich selbst damit, dass die mit der Geldpolitik die zukünftige Entwicklung steuern wollen. Wenn diese in letzter Zeit jedoch eines gezeigt haben, dann sicherlich, dass die ihre Politik mehr an der Vergangenheit orientieren als an der Zukunft. Die US-Notenbank umschreibt diesen Umstand, indem sie ihre Entscheidungen datenbasiert nennt. Das bedeutet im Klartext: die Notenbank betrachtet das, was geschehen ist und reagiert darauf. Das ist das Gegenteil von vorausschauend.

Das ist das eine Problem. Das andere Problem: die Entscheidungen auf Basis zurückliegender Daten werden aufgrund von überholten Ideen getroffen. Dazu gehört auch der Zusammenhang von Inflation und Arbeitslosigkeit. Die Phillips-Kurve unterstellt, dass Preise steigen, wenn die Arbeitslosigkeit fällt.

Der Zusammenhang ist nicht ganz aus der Luft gegriffen. Grafik 1 zeigt die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in den USA und die Kerninflation. Die Inflation läuft den Erstanträgen hinterher (ca. anderthalb Jahre). Seit 2012 gilt das so nicht mehr. Die Kerninflation bewegt sich seitwärts, während die Arbeitslosigkeit fällt.

Diese Beobachtung nährt die Kritik an der Notenbank, die sich an der Phillips-Kurve orientiert. Ganz offensichtlich gilt der Zusammenhang einfach nicht mehr bzw. gilt im Moment nicht. Die Notenbank hält trotzdem an der Theorie fest. Das ist bedenklich, denn es ist nicht das erste Mal, dass der Zusammenhang so nicht gilt.

Grafik 2 zeigt dazu eine längere Historie. Bereits in den 90er Jahren zeigte sich eine Divergenz. Die Phillips-Kurve galt nicht. Mehr noch: die Korrelation war positiv. Die Inflation fiel also bei sinkender Arbeitslosigkeit.

Dieses Phänomen macht wenig Sinn. Inflation ist und bleibt ein Nachfragephänomen. Wird mehr nachgefragt, steigen die Preise. Haben mehr und mehr Menschen Arbeit, wird mehr nachgefragt. Die Preise sollten steigen. So einfach ist die Sache aber nicht, denn es fehlt eine wichtige Zutat.

Eine höhere Nachfrage macht sich bei Preisen nur bemerkbar, wenn das Angebot begrenzt ist. Werden z.B. 100 Autos hergestellt und die Nachfrage steigt auf 110, dann müssen die Preise steigen. Aktuell steigt die Nachfrage zwar auf 110, aber das Angebot liegt immer noch bei 150. Es liegt schlichtweg keine Knappheit vor.

Grafik 3 zeigt die Entwicklung der Kapazitätsauslastung in den USA. Sie ist immer noch historisch niedrig. Es besteht nicht einmal der Hauch einer Andeutung, dass das Angebot knapp werden könnte. Die Notenbank ignoriert das konsequent und hält nostalgisch an der Phillips-Kurve fest, die einen der wesentlichsten Aspekte der Inflation (das Angebot von Gütern) ausklammert.

Nostalgie mag zwar schön und gut sein, aber in der Geldpolitik hat sie keinen Platz. Indem überholte Theorien hochgehalten werden, fällen die Notenbanken zwangsläufig Fehlentscheidungen. Aus diesen Gesichtspunkten sind die vorgesehenen Zinsanhebungen absolut fehlplatziert. Die Notenbank droht den Aufschwung dadurch abzuwürgen, bevor die Erholung für eine Reduktion von Überschusskapazitäten (durch mehr Nachfrage) gesorgt hat.

Clemens Schmale

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Über den Experten

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Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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