Kommentar
08:17 Uhr, 14.04.2016

Gefährliche Yen-Aufwertung: Die Abenomics drohen zu scheitern

Seitdem der Dollar nicht mehr kontinuierlich aufwertet, hat sich die Lage in vielen Teilen der Welt entspannt. Ganz anders sieht die Sache in Japan aus.

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Die japanische Währung wertet unaufhaltsam auf, auch wenn dieser Trend seit gestern erst einmal unterbrochen scheint. Seit den Tiefs Mitte letzten Jahres hat der Yen 13 % an Wert gewonnen. Ein Großteil dieser Bewegung, 10 %, fand allein in den letzten 10 Wochen statt. Der Yen wertete damit so stark auf wie zuletzt 2008, als die Finanzkrise tobte.

Je unsicherer die Zeiten sind, desto mehr tendiert der Yen zur Stärke. Das hat mehrere Gründe. Zum einen sind da die Carry Trades, die aufgelöst werden. Zum anderen holen japanische Investoren bei Unsicherheit ihr Geld lieber heim. Letzteres ist kein spezifisch japanisches Phänomen. Investoren tendieren in unsicheren Zeiten in jedem Währungsraum dazu, ihre Positionen in Fremdwährungen aufzulösen und in die Heimatwährung zu gehen.

Carry Trades sind im Yen besonders stark ausgeprägt. Dabei verschulden sich Investoren in Yen wegen der niedrigen Zinsen und wechseln das Geld in andere Währungen, die höhere Zinsen zahlen. In unsicheren Zeiten werden die Positionen abgewickelt. Fremdwährungen werden verkauft und wieder zurück in Yen getauscht. Das sorgt für Aufwertungsdruck.

Seit Beginn der "Abenomics", welche Japan wieder zurück auf den Wachstumspfad führen sollten, fand noch etwas statt. Durch die aggressive Geldpolitik der Notenbank wertete der Yen ab. Gleichzeitig drängt die Geldpolitik Investoren wie Privatanleger, aber auch Banken und Pensionsfonds aus japanischen Staatsanleihen heraus. Das Geld musste irgendwohin. Zunächst floss es in japanische Anlagen, dann immer mehr ins Ausland.

Japan änderte teilweise die Gesetze, sodass Pensionsfonds mehr Aktien, vor allem mehr ausländische Aktien, halten durften. Kapital floss aus japanischen Assets heraus und hinein in ausländische. Unternehmen, die dank des schwachen Yens Rekordgewinne schreiben konnten, brachten ihr Kapital ebenfalls ins Ausland. Dies geschah vor allem durch Direktinvestitionen im Ausland und Übernahmen ausländischer Gesellschaften.

Japans Regierung hatte eigentlich darauf gehofft, dass Unternehmen die Rekordgewinne nutzen würden, um im Inland zu investieren. Das geschah nicht. Stattdessen wurden die Gewinne wieder ins Ausland geschafft, um sie dort anzulegen. Das erscheint in einer Zeit der ständigen Yen-Abwertung sinnvoll, insbesondere in Zusammenhang mit den Perspektiven der japanischen Wirtschaft. Kein Unternehmen glaubt an große Wachstumschancen im Inland. Durch Übernahmen im Ausland wollten sie sich Wachstumspotential sichern.

Seit mehreren Monaten kehrt sich die Dynamik um. Anstatt weiterhin Geld ins Ausland zu schaffen und durch die Kapitalflucht die Währung weiter zu schwächen, holen Japaner ihr Geld heim. Das sorgt für einen hohen Aufwertungsdruck beim Yen. Das ist ein Trend, der sich automatisch selbst verstärkt. Beginnt der Yen aufzuwerten, dann will keiner der letzte sein, der ausländische Währungen wieder zurück in Yen wechselt. Wer zu lange wartet, muss mit hohen Verlusten rechnen. Da der Yen derzeit mit durchschnittlich einem Prozent pro Woche aufwertet, können es sich Anleger und Unternehmen nicht leisten monatelang zu warten. Wer nicht jetzt zurück in den Yen geht, der verliert durch die Yen Aufwertung relativ schnell 10 oder 15 %.

Der Trend der Repatriierung (Rückolung l) von Kapital hat bereits im vergangenen Jahr begonnen. Grafik 1 zeigt die Vermögensposition des Landes. Dargestellt sind alle ausländischen Vermögenswerte sowie Verbindlichkeiten und die sich daraus ergebende Nettoposition.

Seit Beginn der aggressiven Geldpolitik stiegen die Auslandsvermögen rapide an. Das Wachstum war 2012 und 2014 zweistellig. 2013 lag das Wachstum der Nettoauslandsvermögen nur knapp unterhalb von 10 %. Grafik 2 zeigt das jährliche Wachstum der Vermögen.

2015 kam es zu einer Trendumkehr. Die Auslandsvermögen sanken so stark wie seit 2008 nicht mehr. 2008 war ein absolutes Ausnahmejahr, ebenso wie 1999 in Folge der Asienkrise. Lässt man diese zwei Jahre außen vor, dann betrug der Rückgang der Auslandsvermögen im Jahr 2015 so viel wie noch nie seit Beginn der Datenreihe vor 30 Jahren. Das sagt schon viel.
Japan erlebt derzeit die Rückabwicklung der Abenomics. Anstatt einer schwächer werdenden Währung, die Japaner dazu veranlasst, mehr Risiko einzugehen und im Ausland zu investieren, steigt die Risikoscheu und die Rückführung von Auslandsvermögen. Grafik 3 zeigt die Entwicklung der vergangenen 8 Quartale. Anleihen erhalten nach wie vor Zufluss. Aktienanlagen waren von der Korrektur im vergangenen Sommer betroffen.

Die Gesamtvermögenssituation ändert sich seit mehreren Quartalen kaum noch. Während die Anleiheposition wächst und die Aktienposition stagniert, zogen Japaner vor allem Gelder aus dem Derivatemarkt ab. Ebenso wurden direkte Positionen in Fremdwährungen reduziert wie auch die Vergabe von Krediten im Ausland.

Während die Auslandsvermögen im vergangenen Jahr schrumpften, stiegen die Verbindlichkeiten. Das lag vor allem an einer stark ausufernden Verschuldung in Fremdwährungen. Beides zusammen führt zu einer Verringerung der Nettoauslandsvermögen.

Kann die japanische Notenbank jetzt nicht schnell gegensteuern und den Yen wieder schwächen, dann lässt sich der Trend kaum noch umkehren. Japaner werden ihr Geld in Scharen zurück nach Hause holen und für eine weitere Aufwertung sorgen. Der Effekt der lockeren Geldpolitik kann durch die Rückabwicklung des Kapitalflusses innerhalb weniger Monate zunichte gemacht werden.

Bereits in den vergangenen Wochen äußerten sich Notenbanker und Politiker über die Entwicklung des Wechselkurses besorgt. Diese Sorgen sind mit den Abgaben des Yen in den letzten zwei Tagen noch lange nicht vergessen. Kurzfristig ist die Risikofreude zurück. Es handelt sich dabei jedoch um spekulative und nicht um langfristige Kapitalströme. Genau auf letzteres kommt es an. Hier müssen Politik und Notenbank nachhelfen, ansonsten droht die komplette Rückabwicklung der Abenomics.

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Über den Experten

Clemens Schmale
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Finanzmarktanalyst
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Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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