Fundamentale Nachricht
17:17 Uhr, 22.02.2022

Gaspreisexplosion ante portas?

Der Vize-Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrates in Russland, Dmitri Medwedew, hat heute Öl ins Feuer gegossen und die Furcht vor höheren Gaspreisen wegen der vorerst stillgelegten Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 angeheizt. Medwedew sagte: „Willkommen in einer Welt, in der Europäer 2.000 Euro für Gas zahlen."

Berlin (Godmode-Trader.de) - Die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 ist vorerst Geschichte. Das zusätzlich Gas hätte den deutschen Markt enorm entspannt, doch in der aktuellen Situation mit dem aggressiven Gebaren Russlands gegenüber seinem Nachbarn Ukraine war ein Festhalten an dem Projekt für die deutsche Regierung offenbar unzumutbar.

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte an diesem Dienstag, dass die Bundesregierung das Genehmigungsverfahren für die Pipeline Nord Stream 2 vorerst aussetzt. Er habe das Wirtschaftsministerium gebeten, den bestehenden Bericht zur Analyse der Versorgungssicherheit bei der Bundesnetzagentur zurückzuziehen, sagte Scholz. „Das klingt zwar technisch, ist aber der nötige verwaltungsrechtliche Schritt, damit jetzt keine Zertifizierung der Pipeline erfolgen kann." Ohne diese Zertifizierung könne Nord Stream 2 nicht in Betrieb gehen, betonte Scholz.

Die umstrittene Ostsee-Gaspipeline war nach Angaben des russischen Gaskonzerns Gazprom im September 2021 fertiggestellt worden, sie ist noch nicht in Betrieb. Russland hat sich derweil unbeeindruckt vom Stopp gezeigt. „Moskau hat vor nichts Angst", sagte Vize-Außenminister Andrej Rudenko am Dienstag in Moskau der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk begrüßte hingegen die Enstcheidung der Bundesregierung, Nord Stream 2 bis auf Weiteres still zu legen. „Wir haben uns gewünscht, dass dieser Schritt – und auch viele andere – viel früher hätten eingeführt worden wäre, um das schreckliche Szenario, das wir jetzt haben, überhaupt zu verhindern,“ so Melnyk bei BILD Live.

Der Preis für Erdgas in Europa ist heute im Zuge der Eskalation stark angestiegen. Der richtungweisende Terminkontrakt legte zwischenzeitlich um rund zwölf Prozent auf 80,65 Euro je Megawattstunde zu. Commerzbank-Experten zufolge sollten die europäischen Gasvorräte zwar bis zum Ende des Winters reichen. Sollte Russland den Gashahn ganz zudrehen, könnte Westeuropa nach Einschätzung von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer „wohl noch bis zum Herbst durchhalten, weil noch 30 Mrd. Kubikmeter auf Lager sind, mehr Flüssiggas importiert würde und der Verbrauch im Sommerhalbjahr ohnehin vergleichsweise niedrig ist".

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht Deutschland auf eine drohende Energiekrise angesichts der Eskalation in der Ukraine schlecht vorbereitet. „Wir brauchen eine strategische Gasreserve, die uns wie beim Öl für 90 Tage im Ernstfall mit Gas versorgt", sagt DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert. „Und wir sollten die Gasspeicher von Russland zurückkaufen und in Staatsbetrieb verwalten, damit wir uns ausreichend versorgen können.“ Es sei mit weiteren Preissteigerungen zu rechnen - aber nicht, weil Nord Stream 2 gestoppt werde, sondern weil es sich generell um eine sehr ernste geopolitische Krise handele.

Der Vize-Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrates in Russland, Dmitri Medwedew, hat heute noch Öl ins Feuer gegossen und die Furcht vor höheren Gaspreisen wegen der vorerst stillgelegten Ostsee-Pipeline weiter angeheizt. Laut der Nachrichtenagentur Ria sagte der frühere Ministerpräsident: „Willkommen in einer Welt, in der Europäer 2.000 Euro pro 1000 Kubikmeter Gas zahlen". Am Dienstag lag der Preis für diese Menge bei rund 830 Euro, wie die russische Staatsagentur Tass meldete. Medwedew sagte nicht, ob sich seine Angaben auf den Preis auf dem Spotmarkt beziehen oder ob Russland möglicherweise seine Tarife für langfristige Verträge anheben möchte.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

Mehr Experten