Kommentar
11:57 Uhr, 03.12.2015

Gaspreis-Verfall: Unglaublich!

Die Probleme der Ölunternehmen sind bekannt. Im Vergleich zu Gasunternehmen sind das allerdings fast schon Luxusprobleme.

Der Ölpreis ist tief, ebenso wie der Preis vieler anderer Rohstoffe. Noch tiefer ist der Preis von Erdgas. Dieser befindet sich gerade auf dem Weg zurück in die 90er Jahre, als Gas weniger als 2 Dollar pro Mio. Btu (British Thermal Units) kostete. Der Ölpreis ist zwar niedrig, liegt aber immer noch beim 2 bis 3-fachen der Preise der 90er Jahre.

Die Benchmark für Gaspreise ist nicht einfach festzulegen. Der Preis ist extrem volatil. Innerhalb weniger Wochen kann der Preis um 100% steigen oder 50% fallen. Im Durchschnitt lag der Preis in den vergangenen 15 Jahren bei über 4 Dollar. In den Jahren 2003 bis 2009 lag der Durchschnitt noch höher – bei ungefähr 6 Dollar. Unternehmen, die Gas fördern, sind durch den Preisdruck vor große Probleme gestellt.

Viele Unternehmen haben - wie auf dem Ölmarkt - hohe Preise zum Anlass genommen viel in die Erschließung neuer Vorkommen zu investieren. Wie auf dem Ölmarkt hat auch das zu einem Überangebot geführt. Das Überangebot ist jedoch nicht das einzige Problem. Es gibt in den USA nun so viel Gas wie nie zuvor und die Lager platzen aus allen Nähten. Immerhin gibt es keinen Weltmarkt, der den Preis noch weiter drücken könnte.

Produzenten konnten trotz des Abwärtstrends der Preise zuletzt noch gute Margen erzielen. Das ist vorbei. Dafür ist nicht nur das hohe Angebot selbst verantwortlich, auch wenn es sicherlich dazu beiträgt. Viel entscheidender sind die Förderkosten. Produzenten konnten lange Zeit Aufschläge auf ihre Kosten verlangen. Es gab keinen Weltmarkt, der hätte dazwischen funken können. Bei Öl ist das anders. Ist Öl in einem Teil der Welt deutlich günstiger als andernorts, kann Öl von dort, wo es billiger ist, dorthin gebracht werden, wo es teurer ist. Es findet ein Ausgleich statt. Große Arbitragemöglichkeiten gibt es nicht.
Bei Erdgas ist das anders. Hier variieren die Preise weltweit sehr stark. US Gas kosten nur ein Viertel dessen, was es z.B. in Asien kostet. Einen Ausgleich gibt es kaum, weil die Beförderung von Gas über Schiffe aus den USA nach Asien aufwendig und teuer ist. Der US Gasmarkt ist also relativ gut abgeschottet. Exporte würden die Preise möglicherweise erhöhen, aber das ist ebenso wenig eine Option wie der Verkauf in die USA aus Regionen, die noch günstiger produzieren können.

In den USA kommt es vor allem darauf an, wie hoch die Förderkosten sind. Diese sind in den vergangenen Jahren gesunken. Oftmals war Erdgas auch einfach nur ein Nebenprodukt der Ölförderung. In diesem Jahr hat sich das geändert. EQT Corp. begann das Utica Gasfeld zu erschließen. Seit Sommer strömt Gas aus dieser Quelle. Diese Quelle erweist sich nun als extrem ergiebig, sodass die Förderkosten insgesamt deutlich niedriger sind als andernorts in den USA.
Die Karte zeigt die verschiedenen Gasfelder der USA. Das Utica Feld liegt im Nordosten und damit nahe der Ballungszentren, die besonders viel Gas brauchen. Bisher wurde das Gas über lange Pipelines aus dem Mittleren Westen in den Osten befördert. Das Utica Gasfeld kann das vollkommen überflüssig machen.
Die niedrigen Produktionskosten im Nordosten setzen andere Produzenten unter Druck. Sie können langfristig nicht mit dem Utica Feld konkurrieren, sind aber gleichzeitig hoch verschuldet und leiden ohnehin schon unter niedrigen Preisen.

Es gab Zeiten, da war die Entdeckung neuer Rohstoffvorkommen ein Segen. Für Regionen oder ganze Länder bedeutete es Wachstum und Wohlstand. Die Erschließung des Utica Feldes durch EQT ist alles andere als ein Segen. Es kann das Ende vieler Produzenten bedeuten. Die Produktionskosten liegen im Nordosten je nach Vergleichsregion 20 bis 50% tiefer.

Es ist auch nicht so, dass das Utica Feld schnell erschöpft sein wird. Grafik 3 zeigt die US Gasvorkommen im Verlauf der Jahre. Seit 1999 steigen die bekannten Gasvorkommen massiv an. Der jüngste Anstieg ist vor allem auf das Utica Feld zurückzuführen, was ungefähr 8% der Gesamtvorkommen entspricht.

Für US Gasunternehmen werden die kommenden Jahre sehr schwer. Die Entdeckung und Erschließung des Utica Feldes dürfte sich als Fluch für viele herausstellen. Anleger, die entsprechende Aktien im Depot halten, sollten nicht allzu schnell mit einem Turnaround rechnen. Interessant sind Produzenten, die Kostenvorteile haben – wie EQT. Die Aktie von EQT ist derzeit genauso im Abwärtstrend gefangen wie andere. Wenn sich die Preise wieder stabilisieren, dann ist EQT ein heißer Kandidat für den Einstieg.

Viele andere Produzenten werden hingegen Insolvenz anmelden müssen. Ihre Produktionskosten sind höher als die im Nordosten. Gleichzeitig muss das Gas vieler Produzenten noch über lange Strecken über Pipelines transportiert werden, was die Kosten ebenfalls erhöht. Produzenten, die keinen Zugang zu den deutlich ergiebigeren Gasfeldern haben, können nur zu deutlich höheren Kosten produzieren.

Auf dem Ölmarkt stehen derzeit die Schieferölproduzenten mit vergleichsweise hohen Kosten den Produzenten des Mittleren Osten gegenüber, die zu 10 bis 20 USD pro Barrel produzieren können. Auf dem US Gasmarkt geschieht nun genau das gleiche, nur eben innerhalb eines Landes. Einige Produzenten können zum halben Preis produzieren wie andere. Das werden schwierige Zeiten.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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