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13:15 Uhr, 08.08.2017

Fünf Jahre „Whatever it takes“

Stefan Isaacs, Fondsmanager Anleihen bei M&G Investments, geht der Frage nach, was die Europäische Zentralbank (EZB) in den letzten fünf Jahren erreicht hat.

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London (GodmodeTrader.de) - Am 26. Juli 2012 hielt Mario Draghi seine inzwischen berühmte Rede, in der er ankündigte, die Eurozone mit allen Mitteln am Leben zu erhalten – „whatever it takes“. Stefan Isaacs, Fondsmanager Anleihen bei M&G Investments, zieht in einem aktuellen Marktkommentar Bilanz, was die EZB in den letzten fünf Jahren erreicht hat.

2012 hätten eine ganze Reihe Anleger und Ökonomen keinen Cent auf das Fortbestehen der Eurozone gewettet. Nach der Überzeugung vieler hätten sich die Peripherieländer entweder unter Druck aus der gemeinsamen Währung verabschieden müssen oder Kerneuropa hätte gehen sollen. Womöglich sei es das größte Verdienst der EZB, dies verhindert zu haben: Kein Land sei aus dem Euro ausgetreten – und heute seien die Märkte deutlich weniger besorgt, heißt es.

„Vor fünf Jahren hatten die Refinanzierungskosten der Euro-Peripheriestaaten schwindelerregende Höhen erreicht. Die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen aus Spanien lag bei 7,5 % Prozent die italienischer Titel bei sieben Prozent, während Portugal auf ein Niveau von elf Prozent und Griechenland sogar auf 27 Prozent gestiegen war. Das spiegelte zumindest teilweise das Risiko einer Rückkehr zu den alten nationalen Währungen wider. Als letzte Instanz und ‚lender of last resort‘ hat es die EZB vermocht, den Markt für Länder wie Spanien und Italien wieder zu öffnen und ihre Refinanzierungskosten zu senken. Allmählich haben auch (zumindest einige) Strukturreformen, geldpolitische Anreize und neues Wirtschaftswachstum die Chancen der Peripherieländer erheblich verbessert. Die Rückkehr Griechenlands an den Anleihemarkt zeigt diesen Wandel sehr deutlich“, so Isaacs.

Die ultralockere Geldpolitik der EZB bestrafe Sparer, verringere die Kreditkosten und motiviere Anleger, Risiken einzugehen. Das habe die Verbraucher optimistischer gestimmt, den Konsum angeregt und die Assetpreise in die Höhe getrieben. Gerade habe die Eurozone weltweit mit ihren überdurchschnittlich guten Wachstumsdaten überrascht, und das jüngst veröffentlichte neue Rekordhoch des Ifo-Geschäftsklimaindex könnte bedeuten, dass das Wachstum auf rund drei Prozent in der zweiten Jahreshälfte steige, heißt es weiter.

„Aber: Trotz Stabilisierung der Eurozone, gesunkener Kreditkosten und einem positiven Konjunkturausblick verfehlt die EZB weiterhin ihr Inflationsziel von nahe, aber unter 2 %. Zwar scheint die Inflationsrate sich wieder in Richtung Preisstabilität zu bewegen – doch das geschieht nur sehr langsam. Jegliche Straffung der EZB-Geldpolitik wird vermutlich ein langwieriger Prozess werden“, so Isaacs.

Das Anleihekaufprogramm der EZB, eingeführt im Januar 2015, sollte 1,1 Billionen Euro in den Markt pumpen und damit die Gefahr einer Deflationsspirale eindämmen, nachdem sie den Anlagezins für Geschäftsbanken 2014 auf unter null gesenkt habe. Trotzdem sei die EZB schließlich gezwungen, das Kaufprogramm noch weiter auszudehnen und sitze inzwischen auf einem Anleihevolumen von vier Billionen Euro. Ein Rückzug aus dieser Geldpolitik dürfte schmerzhaft werden, auch wenn er nach Mario Draghis Willen graduell erfolge – auch in der EZB selbst sorgten sich manche über die negativen Auswirkungen für das Bankensystem und die „Kreditabhängigkeit“ der Eurozone, heißt es weiter.

„Populistische Strömungen scheinen viele Industrieländer erfasst zu haben, doch die Ergebnisse der Wahlen in Frankreich und den Niederlanden haben diesen Trend für die Eurozone zunächst einmal gestoppt. Allerdings könnte Italien mit seiner schwachen Wirtschaft bei den Parlamentswahlen 2018 durchaus für Verstimmungen sorgen. Die Arbeitslosigkeit in der Eurozone ist zwar etwas gefallen, ist aber vor allem bei jungen Arbeitnehmern immer noch hoch. Nach unserer Beobachtung ist sich die EZB sehr bewusst, dass sie die Grenzen der Geldpolitik fast erreicht hat. Und nachdem ihre Maßnahmen eine wirtschaftliche Erholung in Gang gesetzt haben, die sich selbst tragen kann, dürfte sie für die nächsten fünf Jahre auf ruhigere Zeiten hoffen“, so Isaacs.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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