Kommentar
13:53 Uhr, 10.04.2015

Frühlingsgefühle wohin man schaut

Aufgrund zuletzt schwacher Inflations- und Konjunkturdaten wird die US-Notenbank ihre Leitzinswende wohl nicht im Juni starten.

Bei näherer Betrachtung ist vor allem der US-Arbeitsmarkt nicht so robust wie allgemein behauptet. Zwar deutet die Beschäftigungsplanung im Dienstleistungsgewerbe auf eine Fortsetzung des hier robusten Stellenaufbaus hin. Mit seinen vielfachen Billig-Anstellungen - z.B. in Fast Food-Restaurants - scheint der Dienstleistungssektor für Fed-Chefin Yellen allerdings kein maßgebliches Kriterium für Zinserhöhungen zu sein.

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Der Qualität von Arbeitskräften widmet Frau Yellen deutlich mehr Aufmerksamkeit als der Quantität. Daher ist für sie der Stellenaufbau in der Industrie viel bedeutender. Denn die hier im Durchschnitt höheren Löhne sind für das Wohl und Wehe der Binnenkonjunktur schlagkräftiger. Allerdings zeigt sich die Beschäftigungsplanung gemäß ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe seit Jahresbeginn rückläufig.

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Hintergrund ist, dass die Ölpreisschwäche Bremsspuren auf dem US-Energiesektor hinterlässt. Insbesondere das innovative Öl- und Gas-Fracking hat in den vergangenen Jahren für großvolumige Investitionen auch ausländischer Unternehmen nicht nur im Energie-, sondern auch in weiterführende Industriebereiche gesorgt. Öl- und Gas-Fracking fungiert als Schlüsseltechnologie für eine Renaissance Amerikas als Industrie- und Exportnation. Man will die US-Konjunktur neben dem Konsum auf breitere Beine stellen. Insofern wird die auch für die Konjunktur verantwortliche Fed die erst am Beginn stehende Reindustrialisierung Amerikas nicht mit einer psychologisch hemmenden, voreiligen Zinswende zusätzlich behindern.

Euro - Die Parität zum US-Dollar weiter fest im Blick
Und da Zinseinschätzungen ein entscheidender Treiber von Wechselkursbewegungen sind, hatte in den letzten Wochen der Euro wieder an Stärke gegenüber dem US-Dollar gewonnen. Dennoch, aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Ab September ist mit der ersten Zinserhöhung zu rechnen. Denn der US-Konjunkturaufschwung steht grundsätzlich auf breiter Basis.

Der Dollar-Anstieg macht also nur Pause. Ohnehin hat die EZB mit ihren Staatsanleiheaufkäufen erst begonnen, während die Fed ihre Liquiditätszuführung längst beendet hat. Da in der Konsequenz mittlerweile sogar portugiesische Staatsanleihen unterhalb von US-Titeln rentieren, ist der Euro-Zinsanlageraum für internationale Anleger, die für das Währungsrisiko keine Renditekompensation mehr erhalten, nachhaltig uninteressant. Zuletzt ist der Euro bereits wieder auf 1,06 Dollar gefallen.
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So bleibt der Blick weiter auf die Parität gerichtet. Diese Einschätzung signalisiert auch die Positionierung der Anleger am Devisen-Terminmarkt. Dort wird anhaltend auf eine Euro-Abwertung spekuliert: Die spekulativen Netto-Long Positionen Euro zum US-Dollar befinden sich aktuell auf einem noch tieferen Stand als zum Hochpunkt der Euro-Krise Mitte 2012.

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Anleihen - Nie mehr wirklich hohe Renditen
Über die lockere Geldpolitik insbesondere der EZB setzt sich der Renditeverfall - egal, ob Staats-, Industrie- und Bankanleihen oder Jumbo Pfandbriefe - trendmäßig überall fort. Die geldpolitische Druckbetankung verursacht einen Anlagenotstand, der auch die letzten, noch verbliebenen Renditepotenziale abweidet. In der Konsequenz ist die größte Anlageblase aller Zeiten, die Anleiheblase, entstanden. Damit ihr Platzen der Finanzwelt nicht den finalen Schlag versetzt, müssen die Notenbanken absurderweise die Blase weiter aufblähen. Eine Umkehr, eine geldpolitische Zurückhaltung ist nicht möglich.

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So ist zu erwarten, dass die Staatsanleiherenditen noch weiter sinken werden. Da der Bund in diesem Jahr netto keine neuen Schulden mehr aufnimmt und die EZB für ca. 11 Mrd. Euro monatlich deutsche Staatsanleihen aufkauft, sind Negativzinsen bis zur Laufzeit von 10 Jahren im weiteren Jahresverlauf möglich.

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Dem entsprechend dürften italienische und spanische 10-Jahres-Anleihen unter ein Prozent fallen.

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M&A als das Salz in der Börsensuppe
Eine Folge der rekordniedrigen Zinsen und der Liquiditätsschwemme ist die Wiederbelebung weltweiter Übernahmephantasien. Nachdem 2006 und 2007 eine im Vergleich zu heute fast schon als lächerlich zu bezeichnende Liquiditätsausstattung der Finanzmärkte zu einer Dynamisierung des globalen Volumens bei Unternehmensfusionen und Übernahmen führte, lässt die aktuell dramatische und im Trend noch weiter steigende weltweite Liquiditätsausstattung zukünftig fulminante M&A-Märkte erwarten.

GRAFIK DER WOCHE
Liquiditätsausstattung der Fed, EZB und Bank of Japan (Basis Bilanzsumme) und Volumen an globalen Übernahmen und Fusionen, jeweils in Mrd. US-Dollar:

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Unternehmen wissen trotz hoher Dividendenzahlungen im wahrsten Sinne des Wortes nicht wohin mit ihrem Geld. Eine übertriebene Liquiditätshaltung wird von den Aktionären und Anteilseignern nicht gutgeheißen, da diese angesichts niedrigster Verzinsung totes Kapital darstellt und den Unternehmenswert nicht erhöht.

Eine alternative Mittelverwendung stellen Übernahmen dar. Grundsätzlich bieten sie sich an, um Umsätze und technologisches Know How in Märkten und Bereichen zuzukaufen, zu denen Unternehmen bislang keinen Zugang hatten bzw. in denen man bislang noch nicht oder zu unbedeutend vertreten war. Oder es werden Wettbewerber zur Sicherung der eigenen Marktmacht aufgekauft, nicht zuletzt, um die eigene Preissetzungsmacht zu behalten.

Bestes Beispiel hierfür ist die Übernahme des Gaskonzerns BG durch Royal Dutch Shell, immerhin die größte auf dem Öl- und Gassektor seit etwa zehn Jahren. Vor dem Hintergrund der aktuellen Preisschwäche bei Öl und Gas macht die Erreichung von Größenvorteilen und Diversifizierung in der Nahrungskette des Energiesektors durchaus Sinn. Gleichartige Übernahmeprozesse laufen in den Branchen Medien, Pharma und Logistik ab.

Da die jeweiligen Branchenwettbewerber auf diese Konzentrationen reagieren müssen, um ihre eigenen Marktpositionen zu sichern, ist für deutlich zunehmende M&A-Aktivitäten gesorgt.

Geldpolitisch und branchenspezifisch werden sich Übernahmephantasien zu einer markanten Stütze für die Aktienmärkte entwickeln. Nicht zuletzt ermöglichen weiter steigende Aktienmärkte Übernahmen durch Bezahlung in eigenen Aktien, d.h. die Aktienhausse nährt die Übernahme-Hausse.

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Aktuelle Marktlage
Die Entwicklungen im Ukraine-Russland-Konflikt sind an den Finanzmärkten in den Hintergrund gerückt. Trotz GREXIT-Gerüchten signalisieren entspannte Rentenmärkte, dass bei tatsächlichem Ausscheiden eine Euro-Krise 2.0 ausbleiben wird. Am 24. April soll die Reformliste der Athener Regierung - nach etwa einmonatiger Verspätung - final vorliegen. Es werden noch Wetten angenommen. Auch die europäische Konjunkturstimmung lässt sich dadurch nicht trüben. Im Gegenteil, sie entwickelt Frühlingsgefühle.

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Vor diesem Hintergrund ist mit einer Fortsetzung der Outperformance von MDAX gegenüber dem DAX zu rechnen. Denn im Vergleich zum deutschen Leitindex ist dieser ungleich stärker mit Aktien der konjunkturzyklischen Branchen Automobil, Maschinenbau, Elektro oder Chemie bestückt. Diese Outperformance ist nicht zuletzt Beweis dafür, dass der Aktienaufschwung nicht nur eine reine Liquiditätshausse ist, sondern immer mehr auch vom Fundamentalismus unterstützt wird.

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Denn beflügelt vom schwachen Euro und den niedrigen Energiepreisen kommt die fundamentale Besserung zunehmend in einem steigenden Gewinnwachstum in Deutschland und auch der Eurozone zum Ausdruck. Im Gegensatz dazu verstärkt sich der fundamentale Gegenwind für US-Aktien, deren Gewinne zuletzt auch aufgrund der Dollar-Stärke - wenn auch nur knapp - geschrumpft sind. Insofern ist zu erwarten, dass Aktien der Eurozone ihre relative Stärke gegenüber US-Aktien fortsetzen.

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Charttechnik
Aus charttechnischer Sicht dürfte sich die Aufwärtsbewegung im DAX fortsetzen, wenn der Index die Marke bei 12.000 Punkten nachhaltig verteidigen kann. Nach dem Überwinden des März-Hochs bei 12.219 ist der Weg bis zur Marke bei 12.689 Punkten frei. Allerdings setzt der DAX seine Korrektur fort, wenn der Index die Unterstützung bei 11.800 durchbricht. Darunter warten weitere Haltelinien bei 11.600, 11.400, 11.200 und 11.000 Punkten.

Und was passiert in der KW 16?
Im Rahmen der US-Berichtsaison für das I. Quartal 2015 dürften die Ergebnisse der Banken Goldman Sachs, Bank of America, Citigroup und JP Morgan vergleichsweise solide ausfallen. Insbesondere Wells Fargo profitiert von einem soliden Kreditgeschäft. In den Ergebnissen von Intel und General Electric dürfte die Aufwertung des US-Dollar negativ zu Buche schlagen. Insgesamt ist von Interesse, inwiefern sich die US-Dollar-Stärke und günstige Energiepreise umsatz- und gewinnseitig niederschlagen. Aufgrund der im Vorfeld bereits gestutzten Gewinnerwartungen wird sich das Enttäuschungspotenzial aber in Grenzen halten.

Auf Makroebene spiegeln die chinesischen BIP-Daten für das I. Quartal 2015 die Konjunkturverlangsamung auf allerdings hohem Niveau wider. In den USA zeigen sich der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe der Philadelphia Fed sowie die Industrieproduktion im März erneut schwächer. Die Einzelhandelsumsätze sowie das Verbrauchervertrauen der Universität von Michigan deuten auf eine stabile Binnenkonjunktur hin. Die schwache Inflation im März gewährt der Fed weiteren Zinserhöhungsaufschub.

In der Eurozone stabilisiert sich die Preisentwicklung nur knapp über der Deflationsgrenze, so dass sich die EZB auf ihrer Zinssitzung in ihrem Anleiheaufkaufprogramm bestätigt sieht.

Griechenland geht es um mehr als nur seine Schulden
Selbst in der normalerweise sehr komplizierten Finanzwelt gibt es ganz einfache Wahrheiten: Griechenland ist pleite und wird seine Schulden aus eigener Kraft nie mehr zurückzahlen. Wer das Gegenteil behauptet, ist entweder ein Realitätsverweigerer, heißt Pinocchio oder ist Politiker.

Ich frage mich mittlerweile ernsthaft, ob Euro-Politikern eine gewisse masochistische Ader wirklich abzusprechen ist. Was muss denn noch passieren, dass ihnen der Geduldsfaden reißt? Sie werden von griechischen Politikern vorgeführt wie Ochsen auf einer landwirtschaftlichen Ausstellung. Die permanenten Athener Versprechungen, eine konkrete und detaillierte Reformliste vorzulegen, sind ebenso stichhaltig wie die Behauptungen der Katze einer Maus gegenüber, sie wolle nur spielen. In der Tat spielt Griechenland Katz und Maus mit uns. Ihre Reformliste ist ein Phantom wie das Ungeheuer von Loch Ness: Es wurde gesehen und dann doch wieder nicht. Und für diesen Athener Schüttelscheck will man auch noch Hilfsgelder als Gegenleistung.

Und wenn das nicht klappt, kommt die Moralkeule in Form von Reparationsforderungen von knapp 280 Mrd. an Deutschland. Interessanterweise würden sich mit dieser Summe alle Finanzprobleme Griechenlands in Luft auflösen. Ich kann nicht beurteilen, ob und inwieweit diese Ansprüche gerechtfertigt sind. Sicher ist aber, dass sie ein sehr durchschaubares Ablenkungsmanöver vom eigentlichen griechischen Problem sind. Athen kann in der European Champions League (finanz-)wirtschaftlich nicht mitspielen, versucht den Verbleib jedoch mit unlauteren Mitteln neben dem Spielfeld zu erreichen: Bezahlen sollen den Klassenerhalt andere.

An Putins humanistischem Wesen soll Griechenland genesen?
Und wenn alle Stricke reißen, will Griechenland als letzten Trumpf die Putinsche Karte spielen. Man will von der verbotenen russischen Frucht naschen. Athen will die gemeinsame europäische Boykotthaltung gegen Russland aufbrechen. Ist doch klar, dass man sich unter orthodoxen Glaubensbrüdern hilft, oder? Als russisches Dankeschön wird der russische Importstopp für Lebensmittel aus dem EU-Raum für Griechenland gelockert. Und als Zugabe gibt es für Griechenland auch noch einen Rabatt auf russisches Gas. Doch sollte man das Mutter Theresa-Potenzial von Putin nicht überschätzen. Als knallharte Gegenleistung bekommt Russland Zugang zu griechischem Staatsbesitz und kann Griechenland auch noch als Gas-Transitland nutzen.

Überhaupt, die wirklich große orthodoxe Bruderhilfe - russische Kredite an Athen, um die griechischen Schuldenprobleme zu mildern - wurde von Putin mit dem Hinweis, die Regierung Tsipras habe gar nicht nach Finanzhilfen gefragt, von vornherein sehr geschickt abgewehrt. Putin weiß, dass er dieses Geld wohl nie mehr wiedersehen würde. Da kann er es gleich in die Moskwa werfen, da sähe er es wenigstens noch schwimmen. Putin lässt also dieses gefundene Fressen liegen, obwohl er damit einen großen Keil in die Eurozone getrieben hätte: Die Bedingung Hilfsgelder nur gegen Reformen wäre damit nur noch ein Lippenbekenntnis. Für mich ist dies ein klarer Beweis, dass das griechische Finanzgebaren wie bei Hühnereiern nicht der Güteklasse A entspricht, sondern eher Bruchei-Qualität hat.

Wenn also selbst Putins geopolitischer Eifer an der finanzpolitischen Realität Griechenlands Halt macht, sollten dann nicht auch die Euro-Politiker endlich die griechischen Realitäten ohne Schminke betrachten: Griechenland fehlt der finanzpolitische Stallgeruch, um im Club der Eurozone zu verbleiben.

Griechenland macht wieder in Klassenkampf
Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass es Athen um viel mehr als nur die Lösung seiner Schuldenprobleme geht. Schaut man unter die schuldenpolitischen Gewitterwolken, geht es um etwas, was wir seit 25 Jahren nicht mehr kennen: Um einen ideologischen Glaubenskrieg zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Athen lehnt die Europäische Wertegemeinschaft mit ihrer liberalen marktwirtschaftlichen Rechtsauffassung ab. Stattdessen verspürt man eine tiefe Sehnsucht nach einem sozialistischen System mit einem dominierenden Staat als omnipräsentem Nachtwächter. Allein schon bei diesem Gedanken bekomme ich Schnappatmung.

Tspiras schwebt ein Staat vor, der sein Heil in Schuldenmacherei und Umverteilung sucht. Leider zeigt die Historie eine erschreckende Bilanz: Länder, die so einem Staatsverständnis frönten, sind ohne Ausnahme eingegangen. Selbst Schweden - dieses Land galt jahrzehntelang als Musterbeispiel einer Staatswirtschaft - war schließlich gezwungen, den marktwirtschaftlichen Gegenkurs einzulenken, um nicht Pleite zu gehen.

Tatsächlich braucht Griechenland mehr Staat: Nämlich einen liberalen Staat, der wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen setzt, der die freiheitlich-demokratische und soziale Grundordnung verteidigt, der privates Eigentum schützt, der Korruption bekämpft, für Steuergerechtigkeit sorgt und sich kein bürokratisches Übergewicht anfrisst. Ich behaupte nicht, dass so ein marktwirtschaftliches Staatswesen ohne Fehler ist. Aber es ist im Vergleich allen anderen Systemen überlegen.

Wehret den Anfängen - Ansonsten Kali Nichta Europa!
So einen funktionsfähigen „Staat“ meidet die Regierung Tsipras aber wie der Frosch den ausgetrockneten Tümpel. Vielmehr soll sein sozialistischer Gegenentwurf nicht nur Griechenland „beseelen“, sondern als Athener Exportschlager auch andere Euro-Länder „glücklich“ machen. Mit diesem epochalen Ziel vor Augen spielt man in taktischen Verhandlungen mit den Gläubigerländern auf Zeit, auf so viel Zeit, bis sich diese sozialistische Lehre möglichst auch in Ländern wie Spanien oder Portugal etabliert hat, wo im Herbst gewählt wird. Am Ende will man der Marktwirtschaft in der Eurozone das Genick gebrochen haben.

Das wäre nicht mehr mein Europa. Die Eurozone muss endlich etwas dagegen unternehmen, dass der griechische Schwanz mit dem europäischen Hund wedelt. Ansonsten hätte uns Griechenland nicht nur die Demokratie gebracht, sondern auch den wirtschaftlichen und damit geopolitischen Untergang.

Euro-Politiker sollten sich nicht mehr länger nur die Frage stellen, inwieweit ein Austritt Griechenlands den gemeinsamen Währungsraum in Bedrängnis bringt. Warum ist eine Kette schwächer, wenn ihr schwächstes Glied entfernt wird? Es geht vor allem um die Frage, welche Kollateralschäden Griechenland als Mitglied der Eurozone anrichten kann. Einen Spaltpilz können wir nicht gebrauchen.

Griechenland selbst ging es Ex-Eurozone längerfristig auch besser. Mit Währungsabwertung und großzügigem Schuldenschnitt - an dieser Wahrheit kommen wir auch im Status Quo definitiv nicht vorbei - könnte Griechenland wieder frischen Wind unter seine Wirtschaftsflügel bekommen. Insbesondere aber wäre die Athener Regierung endlich gezwungen, ihre Hausaufgaben selbst zu machen und könnte die Schuld nicht mehr nur bei den Anderen suchen. Und der Eurozone ging es ohne die sozialistischen Gesundbeter aus Athen auch besser. Die Renten- und Aktienmärkte signalisieren bereits deutlich, dass eine Euro-Krise 2.0 selbst bei einem Ausscheiden Griechenlands ausbleiben wird. Und selbst die europäische Konjunkturstimmung lässt sich durch die GREXIT-Gerüchte nicht trüben. Im Gegenteil, sie entwickelt Frühlingsgefühle.

Scheiden tut nicht immer weh. Im Gegenteil, wenn Griechenland austritt, gewinnen alle.

3 Kommentare

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  • Schnutzelpuh
    Schnutzelpuh

    Ich muss mich korrigieren. Hier ist der richtige Link!

    http://www.n-tv.de/wirtschaft/Probleme-mit-der-Obr...

    18:28 Uhr, 10.04. 2015
  • Schnutzelpuh
    Schnutzelpuh

    Ubrigens, Ihr Statement zu den Griechen. Heute war ein interessanter Beitrag bei ntv zu der Reformunfähigeit der Griechen. Das scheint genetisch bedingt zu sein. Ich kannte die historischen Kontext noch gar nicht.

    http://www.n-tv.de/wirtschaft/Es-wird-ein-drittes-...

    18:26 Uhr, 10.04. 2015
  • Schnutzelpuh
    Schnutzelpuh

    Es wird keine Leitzinswende geben. Es wird als Feigenblatt eine kleine Zinserhöhung geben, damit die FED ihr Gesicht wahrt und dann war es das mit der Leitzinswende mindestens für die nächsten drei Jahre. Was bleibt der FED auch übrig, wenn alle Notenbanken ihren Zinsen unten halten.

    18:17 Uhr, 10.04. 2015