Frankenstärke und Eurokrise: Never Ending Story?
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Zürich (BoerseGo.de) – Der Euro wird gegenüber dem Franken weiter strukturell schwach bleiben. Diese Einschätzung vertritt Thomas Steinemann, Chefstratege der Vontobel-Gruppe, in seiner aktuellen Marktkolumne. Steinemann konzentriert sich auf die Frage, ob die Eurokrise und die daraus resultierende Frankenstärke sich zu einer unendlichen Geschichte entwickeln könnte: „Im Mai vor einem Jahr eskalierte die Eurokrise zum ersten Mal. Die umfangreichen Hilfspakete der EU, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds für Griechenland wurden mit einiger Verzögerung geschnürt und die Finanzmärkte reagierten auf die Verspätung ungnädig. Die Konsequenzen waren ein regelrechter Börsencrash, stark fallende Obligationenzinsen für deutsche und schweizerische Staatsanleihen und ein festerer Franken, der die Schweizerische Nationalbank zu den Interventionen veranlasste“.
Die Hilfspakete waren mit Sanierungsauflagen verknüpft, die zum Ziel hatten, über Sparen und Sanieren die Situation wieder in den Griff zu kriegen. Griechenland sollte dadurch das Vertrauen der Märkte zurückgewinnen, um dereinst wieder selbständig Geld aufnehmen zu können. Der Erfolg dieser Maßnahmen war bisher leider bescheiden. Die griechischen Zinsen sind auf astronomische Höhen angestiegen, so dass an einen Gang an den Kapitalmarkt in den kommenden Jahren nicht mehr zu denken ist. „Als Lösung bietet sich nach Meinung einiger Beobachter nur noch eine sogenannte Umschuldung an. Dies kommt allerdings zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Frage. Die Verfechter eines solchen Weges übersehen zumeist, dass eine Umschuldung zu einer Herabstufung der griechischen Staatsanleihen auf "Default"-Niveau führen würde. Damit könnten griechische Staatsanleihen nicht mehr zur Beschaffung von Liquidität eingesetzt werden“, meint Steinemann. Dies hätte aber gravierende Konsequenzen zur Folge: 20 Prozent der Refinanzierung der griechischen Banken erfolgt über die EZB durch die Hinterlegung von griechischen Wertpapieren. Ein Wegfall dieser Finanzierungsmöglichkeiten würde das griechische Bankensystem lahm legen und in der Folge zu einer Schockstarre des europäischen und wahrscheinlich globalen Interbankenmarktes führen. „Damit befänden wir uns in der gleichen kritischen Situation wie 2008 nach dem Kollaps der US-Bank Lehman“, so der Experte weiter. „Es ist davon auszugehen, dass die Entscheidungsträger alles daran setzen werden, eine solche Entwicklung zu verhindern“.
Dies bedeutet in Konsequenz für Steinemann, dass der Euro gegenüber dem Franken strukturell schwach bleiben dürfte. Gleichzeitig sei aber auch immer mit Gegenbewegungen des Euro zu rechnen. „Die Stärketendenz des Frankens, die sich seit 2007 ausgeprägt hat, ist aus fundamentaler Sicht gerechtfertigt. Sie widerspiegelt die Standortvorteile der Schweiz, zu denen tiefere Inflationsraten und Zinsen im Vergleich zu der Eurozone gehören. Vor vier Jahren war der Franken gemessen an der mit Produzentenpreisen berechneten Kaufkraftparität eindeutig zu billig“. Insofern sei der jetzige Wechselkurs eine Rückkehr zur Normalität. Wer sich für einen schwachen Franken mit einer De-facto-Anbindung an den Euro stark mache, muss sich auch über die möglichen Konsequenzen - höhere Inflation, ein Zinsanstieg auf europäisches Niveau, Verlust von Standortvorteilen und Aufgabe einer eigenständigen Geldpolitik - im Klaren sein. „Alle beteiligten Interessengruppen müssen für sich entscheiden, ob sie dies wirklich wollen“ so Steinemann.
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