Fundamentale Nachricht
16:26 Uhr, 29.11.2013

Finanzkrise im Überblick: Wie "locker" ist die EZB?

Die EZB hat den Leitzins erst vor wenigen Wochen auf ein neues Rekordtief gesenkt. Die Diskussionen über eine weitere Lockerung der Geldpolitik halten jedoch an. Die Notenbank hat dafür mehrere Optionen.

Wochenende, 23./24. November:

EZB-Direktorumsmitglied Coeure bestätigt, dass die Zinsen im Euroraum über einen längeren Zeitraum auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben werden.

EZB-Direktoriumsmitglied Asmussen mahnt bei einer negativen Einlagenverzinsung zur Vorsicht: "Wir sind technisch dazu in der Lage. Aber ich habe immer gesagt, ich wäre mit diesem Instrument sehr, sehr vorsichtig". Es hätte sicher starke Wirkung über den Wechselkurskanal, sagte er auf dem Führungstreffen Wirtschaft der "SZ" in Berlin.

Nach den Worten von Bundesfinanzminister Schäuble sind Griechenland und die anderen Euro-Krisenstaaten aus dem Gröbsten heraus. "Wir haben keine Ansteckungsgefahr mehr", so der CDU-Politiker.

Ministerpräsident Samaras: Griechenland braucht kein neues Rettungsprogramm, um mit seinem Defizit zurecht zu kommen. Finanziell sei das Land auf dem richtigen Weg. "Es gibt noch viel mehr zu tun, aber jetzt können wir zumindest etwas Licht am Ende des Tunnels sehen."

Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen warnt vor den Folgen einer zu lange währenden Niedrigzinsphase. "Die Geldpolitik sollte derzeit Wachstum schaffen und Finanzierungslasten der Staaten mildern", so Fitschen. "Jeder, der glaubt, dass er mit einer fortgesetzten Periode des billigen Geldes Probleme löst, dem ist nicht zu helfen", betonte er.

Banken müssen Staatsanleihen in ihren Büchern derzeit nicht mit Eigenkapital hinterlegen. Laut einem Bericht des Spiegels will EZB-Präsident Draghi daran auch nichts ändern. Er weist damit entsprechende Forderungen zurück. Jens Weidmann hatte kürzlich dafür plädiert, Staatsanleihen in die Risiko-Bewertung einzubeziehen. Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken hatte ebenfalls vorgeschlagen, die hohen Investitionen europäischer Banken in die jeweiligen nationalen Staatsanleihen als Klumpenrisiko zu behandeln.

Bundesbank: In Europa anstehender Gesundheitscheck von Finanzinstituten könnte einige Geldhäuser vor erhebliche Probleme stellen. "Wahrscheinlich wird man schon nach der Bilanzprüfung Banken finden, die sehr knapp an der geforderten Kernkapitalquote von 8 Prozent liegen", so Bundesbank-Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger gegenüber dem "Handelsblatt". "Diese Banken müssten ihr Kapital vermutlich aufstocken."

Montag, 25. November:

Krisengebeutelte Länder in Südeuropa dringen auf eine noch weitere Lockerung der Geldpolitik der EZB. Sie fordern nach Informationen der "Welt" Anleihekäufe, die noch deutlich über das in Deutschland bereits scharf kritisierte OMT-Programm hinausgehen würden. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im EZB-Rat könnten sich die Ideen zumindest teilweise durchsetzen lassen.

EZB-Direktoriumsmitglied Benoit Coeure sieht keine Deflationsgefahren in der Eurozone. Die geringe Inflation werde zwar wahrscheinlich vorerst anhalten, da sich die Wirtschaft aber erhole, werde sich dies nicht zu einer Deflation entwickeln, so der Franzose.

Griechenland: Das Defizit der Zentralregierung beträgt in den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres 2,96 Milliarden Euro.

Bundesbank-Chef Weidmann erneuert seine Kritik am Anleihekaufprogramm der EZB. Die Zentralbank dürfe nicht zum Finanzier der Euro-Staaten verkommen, weil ihnen dadurch der Anreiz zu sparsamer Haushaltsführung genommen werde. "Wenn die Regierungen erwarten können, gerettet zu werden, sind die Chancen nur gering, dass sie ihr Verhalten ändern", sagte Weidmann.

EZB-Ratsmitglied Ardo Hanson bekräftigt den Willen der EZB, die Zinsen notfalls weiter zu senken. Zudem betonte er, dass die EZB technisch für einen negativen Einlagezins bereit sei.

Laut dem griechischen Finanzminister fehlen noch 1,0 Milliarden Euro für den Haushalt 2014.

Führende US-Banken liebäugeln laut einem Bericht der "Financial Times" schon damit, Geld für die Einlagen ihrer Kunden zu verlangen, da sie selbst kaum Zinsen für ihre Einlagen bei der Notenbank bekommen. Die Banken begründen die möglichen Zusatzgebühren damit, dass sie das Geld nicht zum Nulltarif verwalten könnten.

Die Banken in Deutschland schließen negative Zinsen auf Spareinlagen offenbar auch nicht aus. Nach Informationen der "FAZ" arbeiten die Geldhäuser bereits daran, die Computersysteme fit für negative Zinsen zu machen. Bisher war dies in den Programmen nicht vorgesehen.

Dienstag, 26. November:

Nach Ansicht von Bundesbank-Chef Weidmann ist durch die Maßnahmen im Kampf gegen die Krise die "Balance zwischen Haftung und Kontrolle aus dem Gleichgewicht geraten". Während die Finanzpolitik weiter in nationaler Verantwortung blieb, habe sich die Haftung auf die europäische Ebene verschoben. Um künftig weiter erfolgreich sein zu können, müsse das Gleichgewicht zwischen Kontrolle und Haftung wieder hergestellt werden. Ansonsten könnten die hart erkämpften Fortschritte im Kampf gegen die Krise zum Aufbrechen neuer Krisenherde führen.

Bundesbank-Chef Weidmann: "Wir müssen sicherstellen, dass die Steuerzahler nicht noch einmal zahlen müssen, wenn die Banken der Eurozone wieder in Schwierigkeiten geraten".

Bundesbank-Chef Weidmann hat erneut dafür plädiert, dass die Staatsanleihen in den Bilanzen der Geldhäuser mit Eigenkapital abgesichert werden müssen.

EZB-Ratsmitglied Christian Noyer: "Wir werden die Zinsen längere Zeit niedrig halten und falls nötig noch weiter senken". Die Notenbank müsse auf die Risiken reagieren, die von einer längeren Phase niedrigen Preisauftriebs ausgingen.

EZB-Ratsmitglied Ardo Hansson hält eine Zinssenkung um weniger als einen Viertelprozentpunkt für möglich. Doch gelte generell: "Je größer der Schritt, desto größer die Wirkung."

EZB-Direktoriumsmitglied Coeure: Ein negativer Einlagenzins ist eine Option.

Spanien: Das Defizit der Zentralregierung beträgt in den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres 37 Milliarden Euro.

Portugal: Das Parlament hat den umstrittenen Haushalt für 2014 verabschiedet. Der Etat sieht Einsparungen von 3,9 Milliarden Euro vor (rund 2,3 Prozent des BIP)

Nach Ansicht von Bundesbankvorstand Andreas Dombret sollten Staatsanleihen mit Eigenkapital abgesichert werden.

Mittwoch, 28. November:

Laut Reuters wollen Union und SPD ESM-Bankenhilfen nur zulassen, wenn vorher ein Bail-In stattgefunden hat, bei dem zunächst die Eigentümer, Gläubiger, großen Einleger und die Heimatstaaten zur Rettung der Bank herangezogen wurden.

Union und SPD wollen die direkte Bankenrekapitalisierung durch den ESM auf 60 Milliarden Euro begrenzen.

Süddeutsche Zeitung: EZB erwägt neue LTRO, die diesmal zweckgebunden sein soll. Zugriff auf die Mittel sollen nur Banken erhalten, die das Geld als Kredite an die Wirtschaft weiterreichen.

Einem Medienbericht zufolge will der IWF die Regeln für Staatshilfen ändern. Nach einem Bericht der "New York Times" sollen künftig auch die Halter von Staatsanleihen in die Pflicht genommen werden. Dies soll schon beim nächsten Hilfsantrag eines Eurolandes gelten. Harten Widerstand gibt es dem Bericht zufolge von der globalen Banken-Lobby sowie von den Regierungen in Deutschland und den USA.

Goldman Sachs geht davon aus, dass sich die Risikoaufschläge für 2-jährige spanische- und italienische Staatsanleihen gegenüber Bundespapiere im kommenden Jahr halbieren werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel schließt Steuererhöhungen bis 2017 nicht unter allen Bedingungen aus. "Ich kann die Zukunft nicht voraussagen. Ich weiß nur, dass das Ziel, keine neuen Schulden zu machen, eine sehr, sehr hohe Priorität hat", sagte Merkel dem ZDF.

EZB-Vizepräsident Constancio: Der EZB-Rat steht nicht kurz vor einer Entscheidung zu einem negativen Einlagensatz. Ein negativer Einlagenzins wurde in einer größeren Region noch nie ausprobiert und ist nur in "Extremsituationen" vorstellbar. Liquiditätsversorgung der Banken ist kein großes Problem.

Donnerstag, 29. November:

Nach Ansicht von Danièle Nouy müssen Staatsanleihen mit Eigenkapital unterlegt werden. Die designierte Chefin der Bankenaufsicht unter dem Dach der EZB stellt sich damit auf die Seite von Bundesbank-Chef Weidmann. Nouy kündigte bei einer Anhörung vor dem EU-Parlament an, die Staatsanleihebestände beim EZB-Banken-TÜV einer harten Prüfung zu unterziehen.

Freitag, 30. November:

S&P hat die Bonität der Niederlande von "AAA" auf "AA+" abgestuft. Die Aussichten für die Konjunktur des Landes hätten sich eingetrübt, so die Ratingagentur.

S&P erhöht Ausblick für die Bonitätsbewertung von Spanien ("BBB-") von "negativ" auf "stabil".

Handelsblatt: Die griechische Regierung verspricht, dass es mit der Wirtschaft des Landes bald wieder aufwärtsgehen wird. Die internationalen Geldgeber bleiben jedoch skeptisch. Sie mahnen mehr Tempo bei den Strukturreformen an.

Citigroup geht davon aus, dass die EZB den Leitzins im Dezember stabil halten wird. Die Analysten erwarten aber eine weitere geldpolitische Lockerung im kommenden Jahr. Sie rechnen mit einer weiteren Senkung des Leitzinses auf 0,00 Prozent und einem Einlagensatz von -0,1 Prozent.

EZB-Direktoriumsmitglied Benoit Coeure sieht keine Notwendigkeit für eine quantitative Lockerung der Geldpolitik. Anleihekäufe im großen Stil seien beim derzeitigen Inflationsausblick im Euroraum nicht angebracht, sagte er der japanischen Wirtschaftszeitung "Nikkei".

Nach Ansicht von EZB-Ratsmitglied Mersch sollten alle Wertpapiere in den Bilanzen der Banken mittelfristig entsprechend ihrer Risiken behandelt werden. Davon dürfen auch Staatsanleihen nicht ausgenommen werden.

Nach Ansicht von EZB-Generaldirektor Inganzio Angeloni ist es unerlässlich, dass beim Banken-Stresstest streng vorgegangen wird, damit das Vertrauen in den Finanzsektor wieder hergestellt wird. "Und wenn man streng ist, dann kann man nicht das Ergebnis vorwegnehmen."

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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