Kommentar
12:32 Uhr, 08.06.2017

Wann platzt die Blase am Immobilienmarkt?

Die Immobilienpreise sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Wenn die EZB ihre lockere Geldpolitik zurückdreht, droht die Blase zu platzen.

Das Zinsniveau ist in den letzten 20 Jahren kontinuierlich gefallen. Im vergangenen Jahr wurde das vorläufige Tief erreicht. Seitdem ist das Zinsniveau aber nur marginal angestiegen. Immobilienfinanzierungen sind daher nach wie vor günstig. Angesichts dieses Umfelds erwägen viele Bundesbürger den Bau oder Kauf eines Eigenheims oder einer Immobilie zur Kapitalanlage.

Ich bekomme immer wieder zu hören, dass die Immobilienpreise gerade im Großraum München auch in den nächsten Jahren stark steigen müssen. Begründet wird dies mit dem knappen Wohnraum und der hohen Nachfrage. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass Preissteigerungen nahezu ausgereizt sind. Zudem besteht ein hohes Risiko einer deutlichen Korrektur. Die folgenden Beispiele verdeutlichen dies:

Familie A zahlt im Jahr 2007 eine monatliche Miete in Höhe von 1.000 Euro. Sie erwägt den Kauf oder Bau eines Eigenheims und kann dafür monatlich maximal 1.250 Euro aufbringen. Es stehen 100.000 Euro an Eigenkapital zur Verfügung. Bei einem Zinssatz von 4 % und einer anfänglichen Tilgung von 1 % können bis zu 300.000 Euro finanziert werden. Das Objekt darf daher maximal 400.000 Euro kosten.

Familie B zahlt im Jahr 2017 eine monatliche Miete von 1.000 Euro. Für den Kauf oder Bau einer Immobilie kann sie ebenfalls maximal 1.250 Euro pro Monat aufbringen. Familie B besitzt wie Familie A Eigenkapital in Höhe von 100.000 Euro. Bei einem angenommenen Zinssatz von 1 % und einer anfänglichen Tilgung von 2 % (wegen des niedriges Zinsniveaus verlangen Banken in der Regel eine höhere Tilgung) kann Familie B bis zu 500.000 Euro finanzieren. Familie B kann sich damit ein Objekt leisten, das 600.000 Euro kostet. Das sind 50 % mehr als bei Familie A.

Investor A kauft im Jahr 2007 eine Immobilie zur Kapitalanlage, die eine monatliche Nettomiete von 750 Euro abwirft. Bei einem Zinsniveau von 4 % erwartet er auch eine Mietrendite von mindestens 4 %. Er ist damit bereit, 225.000 Euro für die Immobilie zu bezahlen.

Investor B kauft im Jahr 2017 eine Immobilie, die ebenfalls eine monatliche Nettomiete von 750 Euro abwirft. Bei einem Zinsniveau von 1 % gibt er sich schon mit einer Mietrendite von 2 % zufrieden. Er ist also bereit, für das gleiche Objekt schon 450.000 Euro zu bezahlen.

Die beiden oben genannten Fälle zeigen beispielhaft, warum die Immobilienpreise in den letzten Jahren so stark gestiegen sind. Der Hauptgrund liegt im deutlich gesunkenen Zinsniveau. Die gestiegene Nachfrage ist nicht die Ursache, sondern nur ein Symptom.

Der Effekt kann sich umkehren

Was passiert nun, wenn die EZB ihre lockere Geldpolitik langsam drosselt und das Zinsniveau wieder anhebt? Richtig, es tritt der umgekehrte Effekt ein. Wenn der Zinssatz von 1 % auf 2 % steigt, kann sich eine Familie mit den gleichen Voraussetzungen wie Familie A und B nur noch eine Immobilie für 475.000 Euro leisten. Investoren werden eine höhere Mietrendite einfordern, die nur teilweise durch Mietsteigerungen aufgefangen werden kann. Wenn Investor B statt 2 % eine Mietrendite von 3 % anstrebt, zahlt er für das Objekt (bei gleichen Mieterträgen) nur noch 300.000 Euro. Das entspräche einem Preisrutsch von einem Drittel.

Bei deutlich steigenden Zinsen wird die Blase am Immobilienmarkt daher zwangsläufig platzen. Weitere deutliche Preissteigerungen sind dagegen nur möglich, wenn die Zinsen sinken und/oder die Mieten weiter steigen. Laut Mietervertretungen ist das erträgliche Maß für Mieter aber längst erreicht.

21 Kommentare

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  • inflationär
    inflationär

    Zum Thema Inflation haben ich neulich eine nette Seite gefunden:

    https://inflationarchive.com/analysen/

    Hier sieht man ganz schön wie die Preis für alltägliche Dinge stark gestiegen sind. Weit über den Anstieg der Löhne hinaus. Für Immobilien gilt das sicher auch.

    10:26 Uhr, 15.06. 2017
  • Selten
    Selten

    diese schön Rederei ist unfassbar!

    Wie können Menschen noch am abslouten Chaos festhalten. Wahrscheinlich weil man in in 100 Jahren gesagt hat, Schulden sind TOLL!

    Gewinn egal!!

    Erträge Egal!!!

    Nur Schulden sind Geil!!!

    20:53 Uhr, 08.06. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • SilverSurfer
    SilverSurfer

    Nun, das ist nur eine lehrbuchmäßige und rein rechnerische Erklärung der Thematik. Die Realität sieht aber etwas anders aus, denn der Mensch ist kein Vernunftwesen sondern oft von Emotionen getrieben. Sollte es mal zu einer Zinsende kommen, dürften anfangs die Immobilienpreise nach oben schießen um dann die viel bemühte Immoblienblase zu bilden. Warum? Weil die Menschen die noch auf der Suche sind und noch gewartet haben dann Torschlusspanik bekommen. Ja der Mensch entscheidet halt oft auch emotional gerade wenns ums Eigenheim geht und auch Investoren werden noch versuchen ein letztes "Zinsschnäppchen" zu machen. So entstehen die Immobilienblasen.

    14:54 Uhr, 08.06. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • Schnutzelpuh
    Schnutzelpuh

    Es scheint sich hartnäckig das Gerücht einer Immobilienblase. Wir hier in Deutschland haben KEINE IMMOBILIENBLASE und werden auch nie eine haben. Das es zu keiner kommt, sorgen schon die Banken. Unter 30% Eigenkapital bekommt man in unserem Land gar keine Finanzierung. Es lediglich so, dass es in Ballungsgebieten (München, Frankfurt, Stuttgart..) zu Übertreibungen kommt. Deutschland ist und bleibt zum Rest von Europa ein Mieterland. In keinem Land ist die Eigentumsqoute so gering, wie bei uns.

    Es werden für lange Zeit die Zinsen nicht erheblich steigen. Wenn ja, fliegt uns dieses Europa um die Ohren.

    Ferner höre ich die Mär auch schon 30 Jahre lang, dass die Immobilienpreise in München nicht weiter steigen können. Bis dato hat sich das aber nicht bestätigt.

    13:54 Uhr, 08.06. 2017
    3 Antworten anzeigen
  • netzadler
    netzadler

    immos kann man vielleicht mit langlaufenden bonds vergleichen, bloss halt nicht liquide.

    Die Gelddruckerei der Zentralbanken wird sich in den Geschichtsbüchern als großer hirnriss wiederfinden, man versucht innerhalb des systems Gesetzmäßigkeiten ausser kraft zu setzen.

    Das ist schon scheisse, wenn man glaubt, dass was man mal im teuer bezahlten studium gelernt hat, ist richtig, funktionieren tut es aber doch nicht.

    Der Mainstream glaubt immer noch, dass die Rechts- und Linksaussen der Politik die Gesellschaft spalten, dabei sind das ganz andere.

    Hab ich zufällig reiche Eltern und kann was erben, dann kann ich mir Haus und gute Bildung leisten, wenn nicht hab ich eben Pech. Und zum Glück wächst mein Vermögen durch die Gelddruckerei, ohne dass ich dafür was tun muss. und für die armen 50% wird alles immer teurer und beraubt sie ihrer Chancengleichheit.

    naja, wem Fussball, Bier und Titten reichen, hat es vielleicht nicht anders verdient

    13:42 Uhr, 08.06. 2017
  • Qui bono
    Qui bono

    Ein anschauliches Rechenbeispiel für die Schwierigkeiten einer “Normalisierung“ des Zinsniveaus. Sehr viele Menschen sind auch von der Kehrseite des Booms betroffen: ländliche Regionen bluten aus, von einer Blase kann flächendeckend nicht wirklich die Rede sein.

    13:39 Uhr, 08.06. 2017
  • Verzockt
    Verzockt

    Ich kenne wirklich einige die 100% finanziert haben und gerade so über die Runden kommen. Nicht auszudenken wenn die Zinsen für 10 Jährige Darlehen auf 3% oder höher steigen. Ich frage mich wirklich was sich manche dabei denken und was für Banken das auch noch mitmachen.

    13:36 Uhr, 08.06. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • Protheus
    Protheus

    Großartiger Artikel. Auf den Punkt gebracht! Danke!

    13:21 Uhr, 08.06. 2017
  • maltiger
    maltiger

    1. Die Zinsen werden in nächster Zeit vielleicht steigen, sicher aber sich nicht schnell verdoppeln.

    2. Immer mehr Menschen möchten in die Stadt ziehen, bei gleich bleibender Bebauung.

    3. Die Einkommen steigen stark.

    4. Stark gestiegene Preise sind nicht automatisch Zeichen für Blase, denn es bestand (national und international ) Nachholbedarf.

    12:48 Uhr, 08.06. 2017
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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