Kommentar
14:39 Uhr, 05.01.2017

Inflation wird die EZB nicht von ihrem Kurs abbringen

Die Inflationsrate ist zuletzt wieder deutlich gestiegen. An der lockeren Geldpolitik der EZB wird das aber nichts ändern. Mario Draghi werden die Argumente nicht ausgehen.

Die Inflation in Deutschland hat im Dezember deutlich angezogen. Die Verbraucherpreise verteuerten sich nach vorläufigen Berechnungen um 1,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit hat die Teuerungsrate das Zielniveau der EZB von knapp unter 2 Prozent erreicht. In der Eurozone fällt die Inflationsrate mit 1,1 Prozent noch etwas niedriger aus. Aber auch hier ist ein eindeutiger Aufwärtstrend erkennbar. Es ist der höchste Wert seit September 2013. Grund hierfür sind vor allem die gestiegenen Rohstoffpreise. Die Kernrate, bei der die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Lebensmittel nicht berücksichtigt werden, lag im Dezember bei 0,9 Prozent.

Aufgrund der gestiegenen Inflationsrate wurde die Kritik am geldpolitischen Kurs der EZB zuletzt lauter. Negative Stimmen kommen insbesondere aus Deutschland. Die EZB müsse die Zinsen schnellstmöglich anheben, forderte etwa Bayerns Finanzminister Markus Söder. "Die Nullzinspolitik ist verheerend für den deutschen Sparer", so der CSU-Politiker. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer wirft der EZB vor, dass sie mit ihren Anleihekäufen den Preissetzungsmechanismus am Markt verzerre. CDU-Wirtschaftsexperte Carsten Linnemann sieht die Glaubwürdigkeit der EZB in Gefahr. Wenn die Zinsen nicht angehoben werden, würde sich die Vermutung bestätigen, dass die Nullzinspolitik politisch motiviert ist, so Linnemann.

Ich sehe das etwas anders: Die EZB hat ihre Glaubwürdigkeit längst verloren! Wenn man sich die Argumentationskette der Notenbanker anschaut, kann man nur zu diesem Ergebnis kommen. Monatelang hat die EZB das Deflationsgespenst heraufbeschworen. Dass die niedrige Inflation ausschließlich auf die gesunkenen Energiepreise zurückzuführen war, interessierte nicht. Es gab Zeiten, da argumentierte die EZB genau andersherum. Als die Inflationsrate über der Kernrate lag, bemühte die EZB sehr gerne die zu niedrige Kernrate, um ihre lockere Geldpolitik zu rechtfertigen. Und genau das passiert jetzt auch wieder. Der EZB-Rat warte "immer noch auf klare Anzeichen, dass die Kerninflation anzieht und über 1 Prozent steigt", sagte kürzlich EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Coeuré.

Es ist daher sehr unwahrscheinlich, dass sich die EZB von den zunehmenden Forderungen nach einem Ende der lockeren Geldpolitik beeindrucken lassen wird. Mario Draghi wird immer wieder Argumente für die lockere Geldpolitik finden. Selbst wenn die Kern-Inflation weiter anziehen sollte, bedeutet das nicht zwangsläufig steigende Zinsen. Mario Draghi wird argumentieren, dass die Entwicklung der Inflationsrate über den Durchschnitt mehrerer Jahre betrachtet werden müsse. Ein kurzfristiges Überschießen wäre kein Problem und gleiche nur die niedrige Inflation der letzten Jahre aus. Wer wettet dagegen, dass es so eintreten wird?

7 Kommentare

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  • 2 Antworten anzeigen
  • WTGun
    WTGun

    Die EZB wird versuchen so lange wie irgend möglich den Realzins negativ zu halten um die Schuldlast real abzusenken und die Bondpreise künstlich hoch zuhalten. Das hilft besonders den Banken-und den Versicherungsbilanzen.

    19:07 Uhr, 05.01.2017
  • einfach
    einfach

    bei der momentanen verschuldungshöhe der gesamt eu ist es absolut richtig die zinsen nahe null zu halten.

    es ist auch auf absehbare zeit (5 - 10 jahre) nicht zu erwarten dass sich die verschuldungsraten in der gesamt eu deutlich nach unten bewegen, sondern eher noch nach oben.

    die einzigen die immer wieder nach zinserhöhungen rufen, sind die hohen einkommensbezieher die eine sorgenfreie rendite vom rest der gesellschaft bekommen möchten.

    18:55 Uhr, 05.01.2017
  • vtrader1
    vtrader1

    das wird sicher so sein :-)

    17:56 Uhr, 05.01.2017

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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