EZB steht vor dem geldpolitischen Spagat
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Frankfurt (BoerseGo.de) - Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte die Wachstumssorgen in der Peripherie der Eurozone stärker gewichten als mögliche Inflationssorgen im Zentrum. Diese Einschätzung äussert Alessandro Bee, Ökonom bei der Schweizer Bank Sarasin & Cie, laut der aktuellen Finanzmarktkolumne des Geldhauses. Bee geht davon aus, dass die EZB die Leitzinsen noch eine lange Weile auf dem derzeitigen Rekordtief halten wird.
Die Wirtschaft der Eurozone zeigt nach Ansicht des Experten derzeit zwei vollkommen verschiedene Gesichter. Auf der einen Seite werde über einen Schuldenausfall in einem der schuldengeplagten Peripherie-Länder und gar über ein Ende der Währungsunion spekuliert. Und auf der anderen Seite sei die Stimmung in den starken Staaten im Zentrum der Eurozone praktisch auf das Vorkrisenniveau des Jahres 2007 zurückgekehrt. "Die EZB wird diese starke Divergenz in der Wirtschaftsentwicklung zwischen den einzelnen Volkswirtschaften der Eurozone noch Kopfzerbrechen bereiten", so Bee.
Die EZB stehe in diesem Jahr vor einem Dilemma. "Mit einer restriktiveren Geldpolitik gefährdet sie das Wirtschaftswachstum in den ohnehin angeschlagenen Peripheriestaaten". Die Wachstumsaussichten für diese Staaten seien düster. "Mit einer weiterhin sehr expansiven Geldpolitik schürt die EZB jedoch in den starken Volkswirtschaften Inflationsgefahren". Die Gesamtinflation in der Eurozone notierte im Dezember mit 2,2 Prozent bereits über der Zwei-Prozent-Marke. Eine Inflationsrate über zwei Prozent wird von der EZB gemeinhin als Gefährdung der Preisstabilität angesehen. Sie muss in der Regel eine striktere Geldpolitik nach sich ziehen, was die EZB auch schon signalisierte.
Allerdings ist die Inflationsentwicklung nach Auffassung von Alessandro Bee sehr stark von den steigenden Ölpreisen getrieben. "Sieht man sich die unterliegende Inflationsentwicklung an, so relativiert sich der Preisauftrieb". Die Kerninflation in der Eurozone (ohne die volatilen Ölpreise) lag mit 1,1 Prozent im Dezember noch immer weit unter der Zwei-Prozent-Grenze und deutet nicht darauf, dass das allgemeine Preisniveau stark steigen wird.
Fazit des Experten: Eine mögliche Inflation im Zentrum stellt im Moment ein geringeres Problem dar als die düsteren Wachstumsaussichten in der Peripherie. Die EZB dürfte daher die Leitzinsen trotz der starken Verfassung der deutschen Wirtschaft und dem ölpreisgetriebenen Inflationsanstieg vorerst bei einem Prozent belassen. Mit den ersten Zinserhöhungen ist erst ab dem 2012 zu rechnen.
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