Kommentar
06:30 Uhr, 08.12.2016

EZB im Dilemma: Was nun, Mario Draghi?

Die EZB hat keinen leichten Job. Im Prinzip ist die Notenbank zum Konkursverwalter verkommen.

Die EZB betont immer wieder, dass sie lediglich ihr Mandat erfüllt, wenn sie Anleihen von Staaten und Unternehmen kauft. Das Mandat heißt Preisstabilität, welches ziemlich arbiträr auf 2 % festgesetzt wurde. Das Mandat wurde schon lange nicht mehr erfüllt. Trotzdem wird die Zentralbank nicht müde, es zu versuchen.

Grafik 1 zeigt die Preisindizes (Verbraucher- und Produzentenpreisindex) für den Euroraum und die EU. Die Verbraucherpreisindizes tendieren seit Jahren seitwärts. Wieso sie nicht vom Fleck kommen, ist klar, wenn man die Produzentenpreise betrachtet. Die Produzentenpreise sind seit 2012 stark rückläufig.

Grafik 2 zeigt die zu den Indizes gehörenden Inflationsraten. Die Verbraucherpreise oszillierten mehrere Jahre um die Marke von 0 % und waren somit längere Zeit unterdurchschnittlich niedrig. Selbst die dramatischsten Monate der Finanzkrise wurden schneller abgehakt.

Das liegt vor allem an den Produzentenpreisen. Hier fließen besonders stark Rohstoffpreise ein. Diese befanden sich nun mehrere Jahre auf dem Weg nach unten. Der Effekt ebbt nun schon seit Monaten ab. Ob steigende Produzentenpreise auch zu steigenden Verbraucherpreisen führen, muss noch abgewartet werden. Für gewöhnlich geben Produzenten die Preissteigerungen nicht sofort und eins zu eins an die Verbraucher weiter.

In vielen Ländern ist die wirtschaftliche Lage noch immer prekär. Höhere Preise lassen sich da beim Konsumenten nicht so einfach durchsetzen. Trotzdem zeigt die Inflation immerhin den Ansatz eines Bodens. Das wird der EZB wohl noch nicht reichen. Wenn sie morgen tagt, wird sie genau das als Argument anführen.

Es zeigt sich eine leichte Verbesserung. Die Inflationsrate löst sich von der Schwelle zur Deflation, doch ein dynamischer Anstieg Richtung 2 % lässt sich bei aller Kreativität nicht erkennen. Die EZB wird unter diesem Vorwand eine Verlängerung der QE Programme ankündigen. Ein abruptes Ende im März 2017 wird sie der Eurozone nicht zumuten.

Die Eurozone ist auch gespalten wie nie. In der einen Hälfte zeigen sich positive Signale, sogar Signale der Überhitzung. In der anderen Hälfte herrscht immer noch Deflation und sehr mageres Wirtschaftswachstum. Hinzu kommen Probleme bei Banken. Italien ist diesbezüglich in den Medien, doch es ist nicht so, dass Griechenland, Zypern und Portugal nicht ebenfalls bis zum Hals in Problemen stecken würden.

Dann gibt es da noch die Staatsfinanzen. Obwohl die meisten Staaten Sparbemühungen zeigen, ist die Verschuldung unverändert hoch oder sogar weiter ansteigend. Es gibt wenige Ausnahmen (Irland, Deutschland), doch solange es keine Fiskalunion gibt, ist das irrelevant.

Hört die EZB in dieser Lage mit den Anleihekäufen auf, springen die Zinsen in die Höhe. Weder Belgien, noch Italien, Portugal, Spanien oder Frankreich können sich das leisten. Höhere Zinsen würden strengere Sparmaßnahmen bedingen. Politisch ist das nicht durchsetzbar, ohne die Verantwortung gleich den „Alternativen“ zu überschreiben.
Die Lage ist vertrackt. Im Prinzip ist die EZB zum wirtschaftlichen und politischen Konkursverwalter geworden. Die politische Komponente ist derzeit vermutlich sogar wichtiger als die wirtschaftliche.

Clemens Schmale

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  • Ragazzo
    Ragazzo

    Die politische Situation spitzt sich zu. China ergreigft Maßnahmen gegen den Abfluß von Kapital. Die Gewinne großer deutscher Konzerne werden eingefroren. So steht es heute in der Süddeutschen Zeitung zu lesen.

    10:58 Uhr, 08.12.2016
  • Tom66
    Tom66

    "Die politische Komponente ist derzeit vermutlich sogar wichtiger als die wirtschaftliche."

    Darüber, was zu aisha Aufgaben der EZB gehört und was nicht, wurde ja in denden letzten Jahren ausgiebig gestritten.

    Politik zu machen gehört mal ganz sicher nicht zu den Aufgaben der EZB. Allerdings braucht man der EU-Oligarchie bekanntlich nicht mit Recht oder Verträgen zu kommen...

    08:36 Uhr, 08.12.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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