Kommentar
09:48 Uhr, 20.11.2015

EZB: Im Dezember passiert etwas!

Die Erwartungen an die EZB Zinsentscheidung im Dezember sind hoch. Verantwortlich dafür ist die EZB vor allem selbst. Viele Ratsmitglieder diskutieren öffentlich die „zahllosen“ Mittel, die ihnen zur Lockerung zur Verfügung stehen.

Wie so häufig steht der Präsident der deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, relativ isoliert auf weiter Flur. Er hält eine Ausweitung des Anleihenkaufprogramms für unangebracht. Es sollte wirklich nur im absoluten Ernstfall genutzt werden und diesen Ernstfall gibt es derzeit nicht.

Die Wirtschaft der Eurozone wächst in moderatem Tempo. Im dritten Quartal ist die Wirtschaft um 0,3% gewachsen. Das entspricht einer Jahresrate von 1,2%. Die Zahl löst keinen Geschwindigkeitsrausch aus, doch sie ist solide. Das Wachstum ist jedoch etwas geringer ausgefallen als ursprünglich angenommen. Es wurde von 0,4% auf 0,3% nach unten revidiert.

Ein Grund für die Revision ist die Korrektur der Industrieproduktion nach unten. Diese ist im dritten Quartal langsamer gewachsen als zunächst angenommen. In der EU ist sie auf Monatssicht um 0,1% gefallen. In der Eurozone betrug der Rückgang 0,3%. Während die einstigen Krisenländer noch relativ gut performen kann man das von den Kernländern (Deutschland, Finnland, Österreich) nicht behaupten. In Deutschland ist die Produktion mit 1,2% auf Monatssicht relativ stark zurückgegangen.

Die Produktion steigt auf Jahressicht in Spanien am stärksten an. Hier betrug das Wachstum 4,4%. In Frankreich und Italien ergeben sich Werte von 1,3% und 1,7%. Deutschland stagniert mit 0,2%. Deutschland ist ein Schwergewicht in Europa und beeinflusst entsprechend das Gesamtbild.

Die Verlangsamung des Wachstums in der Eurozone ist nicht auf die einstigen Krisenländer zurückzuführen, sondern auf die bisher als stabil geltenden Kernländer. Diese sind vor allem vom Export abhängig und der Export lahmt. Weltweit ist ein Rückgang des Handels zu beobachten. Bis in den Sommer hinein konnten sich europäische Länder diesem Trend entziehen, doch jetzt holt der Trend auch die Eurozone ein.

Wahrscheinlich haben die EZB Banker genau diese Zahlen im Blick, wenn sie von neuen, erheblichen Abwärtsrisiken sprechen. Die Grafik zeigt die Entwicklung der Industrieproduktion der Eurozone, sowie jene von Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien. Die Daten erinnern ein wenig an die Zeit von 2003 bis 2004. Nachdem viele Länder die Rezession hinter sich gelassen hatten kam es zu einer mehrmonatigen Wachstumsdelle im Jahr 2003. Eine ähnliche Tendenz sehen wir auch seit 2014.

Der EZB ist daran gelegen, den moderaten Abschwung, wie er 2003 erlebt wurde, zu verhindern. Es soll keine Wiederholung geben. Doch welche Möglichkeiten hat die EZB überhaupt, um gegenzusteuern?

Die Eurozone kann als Gesamtheit einen Abschwung nur verhindern, wenn Deutschland, Österreich und Finnland am Aufschwung partizipieren. Als Exportnationen sind diese Länder mehr vom internationalen Umfeld abhängig als die Krisenländer, die sehr viel stärker vom Inlandskonsum getrieben sind.

Die Exporte lassen sich erhöhen, indem der Euro weiter geschwächt wird. Das zu erreichen ist nicht schwer. Die EZB kann aus zahllosen Mitteln auswählen, um dieses Ziel zu erreichen. Ob sie dabei zu einer Ausweitung des Anleihenkaufprogramms greift oder die Zinsen weiter senkt, ist eigentlich unerheblich.

Die Kernfrage ist, was die EZB durch zusätzliche Maßnahmen erreichen will. Will sie lediglich den Euro schwächen, um den Exporteuren zu helfen oder will sie die Exportnationen motivieren den Inlandskonsum anzuheizen?

Kauft die EZB mehr Staatsanleihen, dann hat das nur einen geringen Einfluss auf den Inlandskonsum. Die Zinsen sind bereits niedrig und dem durchschnittlichen Sparer ist die Höhe der Rendite von Staatsanleihen relativ egal. Was zählt, das sind die Zinsen auf dem Sparbuch oder Bausparvertrag. Anders formuliert: wenn die Zinsen für Staatsschulden weiter sinken, dann hat das kaum einen Effekt auf den Konsum.

Sinken hingegen die Leitzinsen weiter und geben Banken die immer niedrigeren Zinsen an ihre Kunden weiter, dann sieht die Sache möglicherweise anders aus. Wird der Einlagensatz auf -0,5% oder -0,75% gesenkt, dann dürften viele Banken die Nullzinsen auf den Konten ebenfalls ins Negative rutschen lassen und ihren Kunden Kosten für Bargeld berechnen. Bereits unter den aktuellen Nullzinsen denken Banken über diesen Schritt nach.

Derzeit ist es für den durchschnittlichen Konsumenten noch kostenfrei Bargeld auf dem Konto zu horten. Wird diese Möglichkeit genommen, dann ist es denkbar, dass Konsumenten versucht sind ihr Geld auszugeben, anstatt Zinsen zahlen zu müssen. Am effektivsten wäre meiner persönlichen Meinung nach die Senkung der Zinsen. Das führt automatisch auch zu einer weiteren Abwertung des Euro. Gleichzeitig kann es aber auch den Konsum antreiben.

Ein schwächerer Euro allein ist keine Garantie für steigende Industrieproduktion und mehr Wachstum. Wenn es international kein Land gibt, welches die Produktion abnimmt – egal wo der Euro steht – dann kann das Wachstum nur durch mehr Binnenkonsum angeschoben werden. Genau darauf läuft es hinaus. Der Euro hat gegenüber dem Dollar und damit auch dem chinesischen Yuan stark abgewertet. Die Exporte hat es nicht beflügelt. Was eine Abwertung von 25% nicht erreicht hat, wird eine Abwertung von 30% auch nicht richten.

Am effektivsten ist die Senkung der Zinsen – zumindest theoretisch. Praktisch könnten tiefere Zinsen die Konsumenten auch dazu bewegen mehr zu sparen, anstatt mehr auszugeben. Wer keine Zinsen mehr erhält, muss mehr sparen, wenn er in der Rente einen bestimmten Geldbetrag zur Verfügung haben möchte. Weitere Lockerungsmaßnahmen könnten nach hinten losgehen.

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13 Kommentare

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  • daxe
    daxe

    nicht jeden tag hier was zum guten geben über notenbänker,wird doch langweilig.

    lasst euch überraschen und gut.

    zinsen hoch nee zinsen runter.ob nun in übersee oder hier.

    17:54 Uhr, 20.11. 2015
  • netzadler
    netzadler

    das ist Repression as its best. Theoretisch verständlich, der normal merkt aber, das bei negativzinsen irgendwas richtig stinkt.

    Mir sieht das sehr nach Kontrollverlust aus. Aber ich sehe es auch so, durch die hohen rohstoffpreisrückgänge knallt es demnächst richtig bei der margenstarken Industrieproduktion. Da kann sich Deutschland warm anziehen. Konsum ist sowieso nur Opium fürs Volk, sorry

    15:26 Uhr, 20.11. 2015
  • bembes
    bembes

    Keine staatlichen Eingriffe ( EZB ). Lasst die Marktkräfte entscheiden !!

    14:36 Uhr, 20.11. 2015
  • TomS01
    TomS01

    Tja, wenn es so weiter geht wird Mario uns die Pistole auf die Brust setzen, bis wir endlich das bedingungslose Grundeinkommen akzeptieren ...

    13:37 Uhr, 20.11. 2015
  • TomS01
    TomS01

    Ist schon irgendwie lustig. Der Binnenkonsum soll angekurbelt werden. Wie kommt das Geld nun zum Konsumenten, ohne all die anderen Systematiken zu konterkarieren? Geld gibt es ja nur gegen Arbeit oder gegen Kreditwürdigkeit. Beides ist begrenzt. Und selbst wenn die Kreditwürdigkeit gegeben ist, stellt sich die Frage nach dem Bedarf, bzw. der Investitionsmöglichkeit. Da nützt es recht wenig, Liquidität ins Bankensystem zu pumpen. Vor allem, da jeder Konsument weiß, dass er, im Gegensatz zum Staat, seine Schulden ja irgendwann bedienen muss und nicht nur einen Rollover machen kann. Dieses Faktum wurde noch nicht abgeschafft.

    Aber eigentlich wäre das doch die Lösung. Das Geld wird nicht ins Bankensystem gepumpt, sondern direkt an die Konsumenten gegeben. Idealerweise ohne Rückzahlungsverpflichtung.

    Die Vorteile liegen auf der Hand:

    Der Konsument würde wirklich konsumieren können. Die Staatschulden würden nicht steigen, da niemand einen Kredit gibt. Über direkte und indirekte Steuern (mit allen Vorstufen und Steuerarten) würden annähernd 75% davon wieder beim Staat landen. Damit wäre sogar die Staatsfinanzierung gesichert und, da die Geldschöpfung ohne Gegenposition quasi aus dem Nichts entsteht voll inflationswirksam. Win-win-win !

    Mario - wo darf ich meine Kontonummer hinterlegen? Oder hol sie doch gleich direkt aus den großen Vorratsdaten raus ... ;-)

    12:05 Uhr, 20.11. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • Goethe63
    Goethe63

    Hallo miteinander. Es wird immer nur, kommt mir so vor, davon gesprochen, dass wenn Bankkunden ihr Geld von der Bank nehmen, sollten negative Zinsen eingeführt werden, dieses auch ausgeben. Kommt jemand auch der Gedanke, dass der Bankunde eben eher zum Sparen neigt und das Geld im eigenen Safe oder under dem Kopfkissen anlegt? Ich denke, dass niemand wegen negativer Zinsen zwei Fernseher oder elektrische Zahnbürsten oder mehr Autos etc kaufen wird. Das halte ich für einen deutlichen Trugschluss der EZB.

    10:17 Uhr, 20.11. 2015
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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