Kommentar
10:04 Uhr, 13.06.2025

Das richtige Zollniveau

Die USA wissen immer noch nicht, welchen Zoll sie erheben wollen. Dabei hatten sie schon die Antwort auf die Frage, was das richtige Zollniveau ist.

Am Anfang stand ein klarer Auftrag. Zölle sollten dazu dienen, die Produktion in die USA zurückzuholen. Das war keine schlechte Idee. In Zeiten, in denen die Welt fragmentiert ist, ist ein gewisses Mindestmaß an Autarkie sinnvoll. Die USA selbst treiben die Fragmentierung voran, doch man kann es ihnen nicht allein anlasten. Man kann es auch keiner einzelnen Person oder Aministration zuschreiben. Der Trend hat bereits unter Obama begonnen.

Nicht alles, was sich produzieren lässt, muss im eigenen Land hergestellt werden. Es ist unsinnig, Arbeitskräfte in Bereichen wie der T-Shirt Produktion zu halten. Zum einen ist das Einkommen niedrig, zum anderen haben die USA viele Industrien, in denen viel mehr Mehrwert geschaffen werden kann.

Würde ein Land durch Zölle dafür sorgen, dass kein Arbeitsplatz in einer bestehenden Industrie verlorengeht, würden die USA heute wie vor 100 Jahren in der Textilindustrie eine Großmacht sein. Dafür wären sie keine Großmacht im Bereich Software und KI. Die Entscheidung, was einem lieber sein sollte, fällt leicht.

Man kann nicht pauschal sagen, dass jegliche Produktion, die Arbeitskräfte und Innovation bindet, im eigenen Land stattfinden sollte. Auf Zukunftssektoren und strategisch wichtige Branchen zu setzen, ist hingegen sinnvoll. Sowohl die USA als auch Europa haben z.B. in der Halbleiterproduktion aufgegeben, obwohl es ein Sektor mit hoher Wertschöpfung und großer strategischer Bedeutung ist.

Die derzeitige US-Regierung denkt darüber nach, die Subventionen für die Halbleiterbranche zu streichen. Ob das der richtige Weg ist, sei dahingestellt. Es zeigt jedenfalls, dass der Administration Beschäftigung in traditionellen Produktionsbereichen sehr wichtig ist und nicht unbedingt auf Zukunftssektoren gesetzt wird. Es sollen wieder mehr Amerikaner an den Fließbändern der Autoproduzenten stehen. Es soll mehr Jobs in der Produktion geben, nachdem die Anzahl an Jobs in diesem Bereich seit vielen Jahren seitwärts tendiert. Der Anteil an der Gesamtbeschäftigung ist rückläufig (Grafik 1).

Dahinter steht die Annahme, dass es Chancen für Amerikaner mit wenig Ausbildung bietet. Gleichzeitig wird die Abhängigkeit vom Ausland reduziert. Kommt die Produktion zurück, weiß allerdings niemand, wie viele Arbeitsplätze es tatsächlich schafft. Der Anteil der Beschäftigung ist stärker zurückgegangen als der Anteil an der Wirtschaftsleistung. Es wird also mehr automatisiert (Grafik 2).

Während und direkt nach den Lockdowns der Pandemie waren Arbeitskräfte in der Produktion gefragt. Das sind sie immer noch. Unternehmen haben seit Jahren viele offene Stellen und können diese nicht besetzen. Zum Teil wollen sie es auch nicht. Generell ist das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage in der Produktion höher als in anderen Branchen (Grafik 3).

Einen Boom in der Produktion kann es ohne Arbeitskräfte nicht geben. Den Boom wird es ohnehin nicht geben, denn das Interesse an Reshoring (Zurückholen der Produktion) sinkt. Es ist wohl kein Zufall, dass das Interesse mit den reziproken Zöllen in die Höhe schnellte und nun wieder zurückgeht (Grafik 4). Die reziproken Zölle dürften das richtige Niveau gehabt haben, um Unternehmen zum Reshoring zu bewegen. Der Regierung scheint am Reshoring allerdings am Ende doch wenig gelegen zu sein. Andernfalls lassen sich Kompromisse mit 10% Mindestzoll kaum erklären.

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