Fundamentale Nachricht
14:20 Uhr, 19.11.2014

Eurozone: Wahrnehmung und Realität klaffen auseinander

Den Experten der französischen Fondsgesellschaft METROPOLE Gestion zufolge besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen der wirtschaftlichen Realität der Unternehmen und der negativen Wahrnehmung in der Eurozone.

Paris/Frankfurt (BoerseGo.de) - Es sei sehr verwunderlich, wie sehr sich die Wahrnehmung der Märkte von der wirtschaftlichen Realität der Unternehmen unterscheiden würde. Das stellen die Value-Experten der französischen Fondsgesellschaft METROPOLE Gestion in ihrer jüngsten Analyse der europäischen Aktienmärkte fest. So könne man derzeit an Europas Börsen eine erhebliche Diskrepanz zwischen der negativen Wahrnehmung der Eurozone durch die Anleger und der wirtschaftlichen Realität der Unternehmen feststellen. Obwohl das Wachstum in der Eurozone schwach bleibe, verzeichneten die europäischen Unternehmen und insbesondere die Zykliker weiterhin solide Ergebnisse. Diese Tatsache würde sich bisher aber absolut nicht in den Bewertungen widerspiegeln. Es gebe aber Anzeichen, dass sich dies allmählich ändere.

„Die große Sektorenrotation, die wir seit Ende März beobachten konnten, fiel im Oktober sehr viel weniger stark aus“, erklärt Markus Hampel, Deutschlandchef und Partner bei METROPOLE Gestion. „Während einige zyklische Sektoren wie die Automobilindustrie und das Baugewerbe eine deutliche Outperformance erzielten, entwickelten sich Pharma- und Ölaktien sowie andere Sektoren, die bis dahin gut abgeschnitten hatten, schwach. Deshalb darf die Frage erlaubt sein: Treten wir nun in eine Phase ein, in der die Bewertungen wieder in den Fokus rücken?“

Einiges spreche dafür, so die Pariser Analysten. Vor ein paar Wochen, zu Anfang Oktober, hätten Europas Aktienmärkte eine Phase erhöhter Volatilität erlebt. Die großen Indizes hätten im Monatsverlauf Rückgänge um bis zu zehn Prozent erlitten, bevor sie zu einer starken Kurserholung ansetzten, ohne jedoch die Verluste komplett wieder aufzuholen. Diese Rückkehr der Risikoaversion resultiere aus dem Aufeinandertreffen von mehreren Faktoren: Ernüchterung nach der EZB-Sitzung, schwache Wirtschaftsdaten in der Eurozone (vor allem in Deutschland), Befürchtungen einer Verlangsamung der US-Konjunktur nach schwächer als erwartet ausgefallenen Daten, Ängste vor einer Ausbreitung des Ebola-Virus, Warten auf die Ergebnisse des Asset Quality Review und der Stresstests der EZB, der Beginn der Berichtssaison und Vieles mehr. Alles in allem wären dies genügend Themen gewesen, die erneut Sorgen an den Märkten schürten.

Die Nachrichten in der zweiten Monatshälfte hätten aber schließlich dazu beigetragen, die Anleger zu beruhigen. Zunächst einmal sein die Einkaufsmanagerindizes der Eurozone gestiegen, die zu Beginn des Monats zurückgegangen waren (besonders in Deutschland), wieder an und deuteten weiterhin auf ein positives Wachstum hin. Die Befürchtungen der Anleger, die zweitweise sogar auf die USA überzugreifen schienen, hätten sich gegen Ende des Monats aufgrund von zwei wichtigen Ereignissen zerstreut. Zunächst einmal habe die erste BIP-Veröffentlichung für das dritte Quartal bestätigt, dass die amerikanische Wirtschaft nach wie vor kräftig und stärker als erwartet wächst (plus 3,5 Prozent annualisiert). Auf der anderen Seite habe die amerikanische Notenbank Fed ihr Anleihekaufprogramm und ihr knapp vier Jahre zuvor aufgelegtes quantitatives Lockerungsprogramm beendet. Diese Entscheidung unterstreiche das Vertrauen der Notenbank in eine US-Konjunktur, die ausreichend stark sei, um keine Hilfe mehr zu benötigen.

In Europa habe die von der EZB durchgeführten Stresstests verdeutlicht, dass bei den Banken im Großen und Ganzen kein Mangel an Eigenkapital bestehe. Dieses positive Ergebnis sollte dann auch keine Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit nach sich ziehen. Die Banken hätten im ersten Halbjahr erhebliche Anstrengungen zur Konsolidierung ihrer Bilanzen unternommen. Vor allem aus diesem Grund hätten die meisten von ihnen die sogenannten Stresstests, welche auf sehr strengen Hypothesen aufbauten, erfolgreich gemeistert.

Der Auftakt der Berichtssaison der europäischen Unternehmen sei das zweite Ereignis, das mit großer Spannung erwartet worden sei. Der in den letzten Monaten zu verzeichnende Rückgang der Konjunkturindikatoren in der Eurozone habe Befürchtungen geschürt, dass die Quartalsergebnisse enttäuschend ausfallen würden. „Die ersten Veröffentlichungen spiegeln insgesamt keinen Einbruch der Aktivität wider“; betont Hampel. „Ganz im Gegenteil. Zahlreiche Unternehmen haben mit ihren Zahlen die Erwartungen übertroffen und sich gegenüber dem Vorquartal verbessert.“ Insgesamt habe der Auftakt der Gewinnsaison im dritten Quartal die Analysten dazu gebracht, ihre Erwartungen nach oben zu korrigieren.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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