Kommentar
08:19 Uhr, 07.09.2015

Eurozone: Wachstumsschub

Die EZB kann sich feiern lassen. Die Voraussetzungen für eine Beschleunigung des Wachstums waren schon lange nicht mehr so gut wie in diesen Monaten. Die Ankündigung notfalls neue Maßnahmen zu ergreifen ist da schon etwas deplatziert.

Das Wall Street Journal vermutete kürzlich, dass das Anleihenkaufprogramm (QE – Quantitative Easing) der EZB nun den Weg in die Realwirtschaft findet. Festgemacht wurde dies anhand der neuesten Daten zum Kreditwachstum.

Das Kreditwachstum konnte sich in den letzten Monaten tatsächlich stabilisieren bzw. leitete eine Trendwende ein. Der Trend ist allerdings alles andere als einheitlich in den verschiedenen Euroländern. Im Euroraum-Aggregat ist das Kreditwachstum nicht gerade berauschend, aber immerhin werden wieder Kredite vergeben.

Grafik 1 zeigt das Kreditwachstum nach Verwendungszweck für den gesamten Euroraum. Die Kreditvergabe für Immobilien hielt sich in der Krise noch vergleichsweise robust. Das Volumen ging nicht substantiell zurück. Das ist vor allem auf die Entwicklung in Ländern wie Deutschland zurückzuführen. Hier beschleunigt sich das Kreditwachstum seit 2010 immens. Deutsche sind auf den Geschmack des Immobilienbesitzes gekommen. Vor der Krise lag das Immobilienkreditvolumen bei 975 Mrd. Euro und sank während der Krise auf gut 950 Mrd. Seitdem beschleunigt sich der Anstieg. Das Volumen hat inzwischen 1,066 Billionen erreicht.

Während die Kreditbeträge in Deutschland schnell wachsen sinken sie in anderen Ländern. In Spanien nimmt das Volumen nach wie vor ab. Seit Krisenbeginn sank der Schuldenbetrag um 100 Mrd. auf 564 Mrd.

Generell kann man sagen, dass jene Euroländer, die von der Staatsschuldenkrise weniger betroffen waren, die Kreditvolumina für Immobilienkäufe steigern. In den Krisenländern sinken sie nach wie vor und ungebremst.

Bei Konsumkrediten ist die Lage nicht ganz so eindeutig. Hier beginnt nach jahrelanger Kontraktion in einigen Märkten die Trendwende. Portugal ist so ein Fall. In Spanien sind Konsumenten noch immer dabei die Schuldenlast zu reduzieren. In den Niederlanden – ohne große Not – bricht die Kreditnachfrage für Konsumkredite besonders stark ein.
Wie man es dreht und wendet, einen großen Befreiungsschlag kann man nicht erkennen. Vielmehr wird immer deutlicher, dass in Ländern wie Deutschland Immobilienblasen entstehen während andere Länder die Konsolidierung und den Schuldenabbau noch lange nicht beendet haben. Bis die Krisenländer den Schuldenabbau abgeschlossen haben können noch Jahre vergehen. Hält die EZB die Zinsen bis dahin bei null, dann kann man zuschauen, wie in Deutschland die Immobilienblase immer größer wird.

Mit etwas Glück lässt sich das vermeiden, denn ein anderer Indikator lässt hoffen. Die Geldmenge M1 wächst so schnell wie seit 2006 und 1999 nicht mehr. Die Geldmenge M1 hat eine Indikatorfunktion für das Wirtschaftswachstum. M1 ist jenes Geld, welches jederzeit verfügbar ist. M1 besteht aus Geld im Umlauf (Banknoten und Münzen, exkl. der Bestände an Banknoten und Münzen bei Banken selbst) und Sichteinlagen. Über M1 kann jederzeit verfügt werden.

Für Konsumenten und Unternehmen macht es wenig Sinn große Cashbestände aufzubauen, wenn sie es auch nicht für irgendetwas nutzen wollen. Ist Konsumenten und Unternehmen klar, dass sie das Geld auf Sicht eines Jahres nicht brauchen, dann würden sie es nicht unbedingt so halten, dass es jederzeit verfügbar ist. Steigt M1 an, dann kann man von einer Beschleunigung der wirtschaftlichen Aktivität ausgehen.
Grafik 2 zeigt die Entwicklung des Geldmengen- und BIP-Wachstums. M1 und BIP-Wachstum laufen parallel, wobei M1 dem Wirtschaftswachstum ungefähr 2 bis 3 Quartale vorausgeht.

Planen Unternehmen und Konsumenten Investitionen und Konsumausgaben in absehbarer Zukunft, dann beginnen sie bereits heute Bargeld und Sichteinlagen aufzubauen. Diese Systematik gilt seit vielen Jahrzehnten. Grafik 3 zeigt eine etwas längere Zeitreihe für Deutschland. Die Zeitreihe ist durch die Wiedervereinigung kurzzeitig verzerrt. Das ändert jedoch nichts an der Gültigkeit des Geldmengenindikators.

Sowohl in Deutschland wie auch der gesamten Eurozone sollte das Wachstum bis Anfang 2016 anziehen. Diesen Trend der EZB zuzuschreiben ist äußerst schwierig. Das Geldmengenwachstum beschleunigt sich seit Anfang 2014. Damals war noch keine Rede vom europäischen QE.

Rein psychologisch ist das QE der EZB hilfreich. Wenn jeder weiß, dass die Notenbank bereitsteht, fällt es leichter, Zuversicht aufzubauen. Realwirtschaftlich ist QE jedoch immer noch fraglich und umstritten. Selbst die US Notenbank bezweifelt inzwischen die Wirksamkeit ihrer eigenen Anleihenkaufprogramme.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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